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sondern auch Hamann nach Offenbarung Johannis 3, 15, ihn als einen „Nichtkalten und Nichtwarmen" verspottete, ist Jacobi niemals hinausgekommen. Am 16. Juni 1783 schreibt Jacobi an Hamann: „Licht ist in meinem Herzen, aber so wie ich es in den Verstand bringen will, erlischt es. Welche von beiden Klarheiten ist die wahre? Die des Verstandes, die zwar feste Gestalten, aber hinter ihnen nur einen bodenlosen Abgrund zeigt? Oder die des Herzens, welche zwar verheißend aufwärts leuchtet, aber bestimmtes Erkennen vermissen läßt? Kann der menschliche Geist Wahrheit ergreifen, wenn nicht in ihm jene beiden Klarheiten zu Einem Lichte sich vereinigen? Und ist diese Vereinigung anders als durch ein Wunder denkbar?" Und in seinem hohen Alter, am 8. October 1817, schreibt Jacobi an Reinhold: „Du siehst, daß ich noch immer Derselbe bin. Durchaus ein Heide mit dem Verstande, mit dem ganzen Gemüth ein Christ, schwimme ich zwischen zwei Wassern, die sich mir nicht vereinigen wollen, so daß sie mich gemeinschaftlich trügen, sondern wie das eine mich unaufhörlich hebt, so versenkt zugleich auch unaufhörlich mich das andere."

Schon im Jahr 1796 hatte Kant in seiner Abhandlung „Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie“ (Rosenkranz Bd. 1, S. 639) von Jacobi gesagt: „Die wegwerfende Art über das Formale in unserer Erkenntniß als eine Pedanterei abzusprechen, verräth die geheime Absicht, unter dem Aushängeschild der Philosophie in der That alle Philosophie zu verbannen und als Sieger über sie vornehm zu thun.“

Aeußerst charakteristisch für Jacobi ist sein wechselndes unklares Verhältniß zu Goethe. Die persönliche Freundschaft stellte sich nach den oben erwähnten Zwischenfällen wieder her; aber eine Ueberein= stimmung in den Grundsäßen konnte nicht gefunden werden. Goethe's objective, nach empirischem Erkennen strebende Weise war Jacobi nicht weniger unsympathisch als die speculirende Philosophie; die ausschließliche Hingabe an das Gefühl empfand er durch Beides in gleichem Maße gehemmt.

2. Die pietistischen Schwärmer.

Lavater. Jung-Stilling. Claudius. Fürstin Gallizin.

Der Pietismus, der lang zurückgedrängte, wurde wieder eine eingreifende Bildungsmacht. Je schwärmerisch empfindsamer die Zeit war, um so willigeren Eingang fand er überall. Denn was ist der Pietismus anderes als des eigensüchtigen verzärtelten Herzens religiöses Empfinden und Verhalten?

Und wozu erst, wie es von Hamann und Jacobi geschah, die Rechtfertigung des inneren Glaubensbedürfnisses durch den Beweis von der Unzulänglichkeit philosophischer Erkenntniß? Es ist genug, daß des Menschen Seligkeit nicht sein kann ohne den Glauben.

Neue Propheten erstanden, die die glaubensleere Zeit wieder mit lebendigem Glauben erfüllen wollten.

Lavater war der Geistvollste unter ihnen, und zugleich der Eraltirteste.

Johann Caspar Lavater, am 15. November 1741 zu Zürich geboren, war Prediger in seiner Vaterstadt; er starb am 2. Januar 1801.

Von der Natur war er auf einen bedeutenden Menschen angelegt. Das erste öffentliche Auftreten des einundzwanzigjährigen Jünglings war eine geharnischte Streitschrift gegen den grausamen und habsüchtigen Landvogt Grebel, die dessen Sturz und Bestrafung herbeiführte. Im Jahr 1766 dichtete er, auf Anlaß der Helvetischen Gesellschaft von Schinznach, die „Schweizerlieder“, die, obgleich noch sehr an die Gleim'schen Grenadierlieder erinnernd, lange Zeit im Munde der Schweizer lebten. Seine Bestrebungen um die Hebung und Pflege der Physiognomik (1775–1778), die Zeitgenossen in wahrhaft fieberhafte Aufregung versehend, von den Späteren aber wegen ihrer Spielereien und Uebertreibungen belächelt, beruhten auf offenem Natursinn und scharfer Beobachtungsgabe; Goethe nahm an den Fragmenten" eifrigen Antheil, den von der Hellen neuerdings in einem sorgfältigen Buch aufgewiesen hat, und die heutige Wissen=

schaft sucht, wie Virchow's Schrift: „Goethe als Naturforscher" ge= zeigt hat, auf wissenschaftliche Geseze zurückzuführen, was Lavater genial ahnte. Und dabei muß Lavater von bezaubernder persönlicher Liebenswürdigkeit gewesen sein. Alle, die mit ihm in Berührung tamen, haben einstimmig nur den Ausdruck innigster Hingebung und Bewunderung. Selbst noch auf der Schweizerreise von 1779, da Goethe bereits sehr klar wußte, welche tiefe Verschiedenheit der Gesinnung und Denkart ihn von dem alten Freund trenne, sagt Goethe in seinen Briefen an Frau von Stein und an Knebel, die Trefflichkeit dieses Menschen vermöge Keiner genügend auszusprechen.

Frömmelnde Jugenderziehung und die mächtigen Einwirkungen Bonnet's und Rousseau's hatten in dem genial Begabten schon früh einen scharf religiösen Zug ausgeprägt. Ueber den engen Wirkungskreis seiner Predigt hinaus auch durch Schriften auf die Erweckung tieferer Herzensreligiosität zu wirken, betrachtete er als seine göttliche Sendung. Und obgleich auch bereits seine ersten religiösen Schriften nicht frei sind von eitelster Selbstbespiegelung und zudringlichem Bekehrungseifer, so waren sie doch von tiefer geschichtlicher Berech= tigung und von weitgreifendem Einfluß; sie verfolgen insgesammt das hohe Ziel, das in todten Buchstabenglauben oder in öde nervenlose Aufklärerei verseichtigte Christenthum wieder zu einem lebendigen Christenthum des Geistes und der Kraft, des Lebens und der Liebe zu erläutern und zu verinnerlichen. Wer so spricht, der bessert die Gemeinde. In dieser Zeit war es, in welcher sich Goethe zu Lavater aufs innigste hingezogen fühlte; außerhalb aller dogmatischen Beschränktheit fühlten sie sich innig eins in der Poesie reiner Gemüthstiefe. Und in dieser Zeit war es auch, daß Lavater und Herder im regsten und hingebendsten brieflichen Verkehr standen; Herder jah in Lavater einen wahrhaft apostolischen Charakter, eine strahlenheitere, thatlautere, wirksame Religionsseele. Allein Lavater erhielt sich nicht lange auf dieser reinen Höhe. Von Tag zu Tag verfiel er immer mehr in die Abwege trübster Mystik. Sein lebendiger Offenbarungsglaube und seine tiefe Gottinnigkeit verirrte sich in die kläglichste religiöse Schwärmerei. Die Offenbarung galt ihm nicht

als eine in den ersten christlichen Zeiten abgeschlossene, sondern als eine noch immer und bis an's Ende der Welt lebendig fortdauernde, als eine in jeder durch Glaubenskraft und Demuth geläuterten Seele ewig neue. Christus ist den Gläubigen nicht ein vergangener und fünftiger, sondern ein gegenwärtiger, nicht ein über den Sternen schwebender, sondern ein in uns und mit uns wohnender; und zwar in voller Leibhaftigkeit, als unveränderlich völlig derselbe, als ein im heißen Drang der Liebe persönlich uns naher. Eine neue Epoche höchster unmittelbarer göttlicher Offenbarung schien ihm bevorstehend. Seinem Cherubsauge, um mit Hamann zu sprechen, gelüstete, Wunder zu schauen. Daher sein unaufhörliches Hoffen und Harren und Schmachten. Daher sein kindischer Glaube an Gaßner's wunderthätige Krankenheilung durch Gebet und Teufelsbeschwörung, an die Geistersehereien Schröpfer's, an die Abenteuerlichkeiten Cagliostro's. Als Mesmer als Apostel des Magnetismus auftrat, schrieb Lavater freudetrunken: „Ich verehre diese neu sich zeigende Kraft als einen Strahl der Gottheit, als einen königlichen Stern der menschlichen Natur, als ein Analogon der unendlich vollkommeneren prophetischen Gabe der Bibelmänner, als eine von der Natur selbst mir dargebotene Bestätigung der biblischen Divinationsgeschichten und als das Mittel, diese Exaltation zu bewirken." Daher sein kindisches, später freilich herb enttäuschtes Hinaufsehen zu dem empfindsam schwärmerischen Unhold Leuchsenring, den Goethe im Pater Brey so lustig verspottete, und zu dem abgeschmackten Schwindler Christoph Kaufmann (vgl. Dünger's Abhandlung über Kaufmann in Raumer's Historischem Taschenbuch 1859 und Winer's Artikel in der Allge= meinen Deutschen Biographie); Kaufmann gebärdete sich als Apostel und Gottes Spürhund nach reinen Menschen, und wurde von Lavater, wie dieser selbst am 26. Juni 1779 an Herder schrieb, geradezu als Gott angebetet, während Goethe ihm das Epigramm widmete:

Ich hab' als Gottes Spürhund frei
Mein Schelmenleben stets getrieben.
Die Gottesspur ist nun vorbei,
Und nur der Hund ist übrig blieben.

Es ist vielleicht zu hart, wenn Goethe in den Xenien gegen Lavater, den einst so geliebten Freund, die Anklage schleudert, daß die Natur in Lavater den Stoff zum würdigen Mann und zum Schelmen gelegt, daß sie Edel- und Schalksinn in ihm, ach! nur zu innig gemischt; aber unbestreitbar ist, was Goethe am 6. April 1782 an Frau von Stein schreibt, daß sich in Lavater der höchste Menschenverstand und der krasseste Aberglaube durch das feinste und unauflöslichste Band zusammenknüpft. Lavater's Dichtungen haben keine dauernde Bedeutung; die Literaturgeschichte nennt seinen Namen hauptsächlich wegen seiner persönlichen Beziehungen zu den Größten seiner Zeit.

Von ähnlichen Gesinnungen und Bestrebungen war Johann Heinrich Jung; nach seinem selbstgewählten Namen gewöhnlich JungStilling genannt.

Jung, am 12. September 1740 in Grund bei Hilchenbach im Fürstenthum Nassau-Siegen geboren, war unter den Eindrücken des Pietismus großgewachsen, der von jeher in den dortigen Gegenden sein Wesen trieb. Er war zuerst Schneider, dann Schullehrer; dann studierte er in Straßburg Medicin, dann wurde er Augenarzt in Elberfeld; darauf widmete er sich der Volkswirthschaft, wurde Professor derselben an der Kameralschule in Lautern und an der Universität zu Marburg; seit 1803 lebte er als Professor in Heidelberg, zulezt in Karlsruhe; seine lezten Jahre gehörten ausschließlich seinen christlichen Volksschriften. Er starb am 2. April 1817.

Ein inniges und sinniges Gemüth. Die stille Gottinnigkeit seiner Jugendumgebung, das heimlich Trauliche des deutschen Kleinlebens, welches der Erzählung seiner Jugendgeschichte, die seit 1777 erschien, so unvergänglichen Reiz giebt, konnte nur von einem ächten Dichtergemüth in dieser Weise empfunden und dargestellt werden. Aber Alles unter dem verzerrenden Druck frömmelnder Herzensverzärtelung. Wie dünkt er sich von Kindheit auf der ganz besondere Augapfel Gottes zu sein, die unablässige Sorge der unmittelbarsten göttlichen Gnadenführung! Sein ganzes Wesen ist Himmelssehnsucht; „selig sind, die das Heimweh haben, denn sie sollen nach Hause

Hettner, Literaturgeschichte. III. 3. 1.

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