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Lohn der Seligkeit; auf Erden habe sie nichts von Seligkeit gewußt, alle ihre Freude habe sie der Aussicht auf die Ewigkeit geopfert, so oft auch das Schlangenheer der Spötter diesen hoffenden Glauben als nur durch Verjährung geweihten Wahn bewißelte. Ein unsicht= barer Genius weist den fordernden Schatten ab. Wer glauben kann, der mag entbehren; sein Glaube ist sein zugewogenes Glück. Wer aber nicht glauben kann, genieße; was man von der Minute ausgeschlagen, giebt keine Ewigkeit zurück. Die Weltgeschichte ist das Weltgericht; nicht im Jenseits, sondern im Diesseits ist Himmel und Hölle.

Endlich erkannte Schiller doch die Nothwendigkeit der Selbstbesinnung. Verwicklungen mit dem Gemahl Charlotten's scheinen nicht ausgeblieben zu sein. Die Trennung war für beide Theile eine erschütternd schmerzliche. Noch im Jahre 1788, als sie wieder in Weimar zusammentrafen, dachten sie ernstlich an eine Verbindung. Sie scheiterte an den Schwierigkeiten, welche sich der Ehescheidung Charlotten's entgegenstellten.

Man erschricht vor dem Gedanken, sich Schiller an der Seite dieser zwar anmuthigen und geistvollen, aber unsäglich empfindelnden und excentrischen Frau zu denken. Schiller selbst hat später wiederholt ausgesprochen, der Einfluß Charlotten's sei für ihn nicht wohlthätig gewesen. Charlotte von Kalb ist auch die „Titanide“ Jean Paul's. Mit Jean Paul erlebte sie die gleiche Liebe und das gleiche Schicksal. Ihr Leben wurde nachher ein entseßlich trauriges. Sie verarmte und erblindete. Im Mai 1843 starb sie zu Berlin, eine Greisin von zweiundachtzig Jahren.

Von Mannheim ging Schiller nach Leipzig, in unnennbarer Bedrängniß des Herzens. Es war im April 1785.

Wir stehen vor einer der wichtigsten Wendungen seines Lebens. Eine neue Epoche begann für ihn; eine Epoche der Sammlung und Klärung.

Körner's Freundschaft war es gewesen, die den jungen Dichter nach Leipzig führte. An Körner's warmem Freundesherz gesundete Schiller zu innerer Versöhnung, zu vertrauender Lebensfreudigkeit.

Schiller hatte, wie alle großen Menschen, das glühendste Freundschaftsbedürfniß. Aus Bauerbach schrieb er am 14. April 1783 an Reinwald, das sei bewiesen wahr, daß jeder große Dichter wenigstens die Kraft zur höchsten Freundschaft besigen müsse, wenn er sie auch nicht immer äußere; ja ein anderes Mal hatte er um dieselbe Zeit mit bestimmter Anwendung auf sich selbst an' Reinwald geschrieben, das Werk eines Freundes werde es sein, fihn mit dem Menschengeschlecht, das sich ihm auf einigen häßlichen Blößen gezeigt, wieder auszuföhnen und seine Muse, die schon auf dem halben Wege nach dem Cocytus sei, wieder in das Leben zurückzuführen. Dieses Glück war ihm jezt in Körner unerwartet und im höchsten Maß zutheilgeworden. Auf die wunderlichste Weise hatte sich diese Freundschaft geschlossen. Im Anfang des Juni 1784 hatte Körner, damals ein junger Mann von siebenundzwanzig Jahren, im Verein mit seiner Braut und seiner Schwägerin und deren Bräutigam Huber, ohne Nennung der Namen, an Schiller Briefe und kleine Liebeszeichen gesendet, ihm dankende Bewunderung auszudrücken. Schiller war von dieser Ueberraschung auf's tiefste ergriffen. Am 7. Juni schreibt er an seine mütterliche Freundin Frau von Wolzogen: „Ein solches Geschenk ist mir größere Belohnung als der laute Zusammenruf der Welt; und wenn ich das nun weiter verfolge und mir denke, daß in der Welt vielleicht mehr solche Zirkel sind, die mich unbekannt lieben und sich freuen mich zu kennen, und daß vielleicht in hundert und mehr Jahren, wenn auch mein Staub schon lange verweht ist, man mein Andenken segnet und mir noch im Grabe Thränen und Bewunderung zollt, dann, meine Theuerste, freue ich mich meines Dichterberufes und versöhne mich mit Gott und meinem oft harten Verhängniß." Gleichwohl hatte Schiller in unbegreiflicher Fahrlässigkeit sieben Monate nicht geantwortet; nur in seinem Herzen das süße Bewußtsein tragend: „Diese Menschen gehören Dir, diesen Menschen gehörst Du!" Nachdem im December 1784 endlich die Antwort Schiller's erfolgt war, hatte der herzlichste Briefwechsel begonnen. Schiller wußte, wohin er sich zu wenden habe, als ihm die unglückliche Liebe zu Charlotte den Entschluß

aufdrängte, Mannheim zu verlassen. „Ich muß zu Ihnen“, hatte er am 22. Februar 1785 an die neuen Freunde geschrieben, muß in Ihrem näheren Umgang, in der innigsten Verkettung mit Ihnen mein eigenes Herz wieder genießen lernen und mein ganzes Dasein in einen lebendigeren Schwung bringen. Meine poetische Ader stockt, wie mein Herz für meine bisherigen Zirkel vertrocknete. Bei Ihnen will ich, werde ich alles doppelt, dreifach wieder sein, was ich ehemals gewesen bin, und mehr als das Alles, o meine Besten, ich werde glücklich sein. Ich war's noch nie. Weinen Sie um mich, daß ich ein solches Geständniß thun muß. Ich war noch nicht glücklich, denn Ruhm und Bewunderung und die ganze übrige Begleitung der Schriftstellerei wägen auch nicht einen einzigen Moment auf, den Freundschaft und Liebe bereiten, das Herz darbt dabei.“ Nun war der Entschluß ausgeführt. Schiller war nach Leipzig ge= kommen. Mit den überschwenglichsten Hoffnungen. Und doch wurden sie durch das Zusammenleben übertroffen. Ein Gefühl der Glückseligkeit erfüllte den Dichter, von dem er sich, nach seinem eigenen Ausdruck, bisher nicht einmal hatte ein Bild machen können. Eine Umwälzung bis in's tiefste Herz. Froher sah der junge Dichter in die Zukunft, liebend umfaßte er die ganze Welt. Am 3. Juli 1785 schreibt Schiller aus Gohlis an Körner: „Mit weicher Beschämung, die nicht niederdrückt, sondern männlich emporrafft, sehe ich rückwärts in die Vergangenheit, die ich durch die unglücklichste Verschwendung mißbrauchte. Ich fühle die kühne Anlage meiner Kräfte, das mißlungene, vielleicht große Vorhaben der Natur mit mir. Eine Hälfte wurde durch die wahnsinnige Methode meiner Erziehung und die Mißlaune meines Schicksals, die zweite und größere aber durch mich selber zernichtet. Tief, bester Freund, habe ich das empfunden, und in der allgemeinen feurigen Gährung meiner Gefühle haben sich Kopf und Herz zu dem herkulischen Gelübde vereinigt, die Vergangenheit nachzuholen und den edlen Wettlauf zum höchsten Ziel von vorn anzufangen . . . O mein Freund, nur unserer innigen Verkettung, . . . unserer heiligen Freundschaft allein war es vorbehalten, uns groß und gut und glücklich zu machen. Die gütige

Hettner, Literaturgeschichte. III. 3. 1.

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Vorsehung, die meine leisesten Wünsche hörte, hat mich Dir in die Arme geführt, und ich hoffe, auch Dich mir.“

Der dithyrambische Ausdruck dieses tiefen schwellenden Glückgefühls ist das hohe Lied an die Freude.

3.

Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,

Wir betreten feuertrunken
Himmlische, Dein Heiligthum,
Deine Zauber binden wieder,
Was der Mode Schwert getheilt;
Bettler werden Fürstenbrüder,
Wo Dein sanfter Flügel weilt.

Chor.

Seid umschlungen Millionen!
Diejen Kuß der ganzen Welt!
Brüder überm Sternenzelt
Muß ein lieber Vater wohnen.

Don Carlos. Der Geisterscher. Der Menschenfeind.

Am 11. September 1785 war Schiller seinem Freund Körner nach Dresden gefolgt. In Dresden und in der heiteren Einsamkeit des lieblichen, von Berg und Wald und Fluß umkränzten Körner"= schen Landsizes in Loschwitz wurde Don Carlos umgearbeitet und vollendet.

In jeder Zeile das Glück und die stolze Begeisterung des neugewonnenen Lebens. Was die innerste Seele und der leitende Gedanke jener in Gohlis gedichteten Dithyrambe an die Freude gewesen war, das liebende Umfassen der ganzen Menschheit, der Ruf nach Menschlichkeit auf Königsthronen und nach Rettung von Tyrannenketten, das wurde jetzt auch die innerste Seele und der leitende Gedanke seines Dramas.

Nicht mehr eine Satire gegen Pfaffenthum und Inquisition, wie im ersten Entwurf zu Bauerbach, nicht mehr eine Familientragödie eines fürstlichen Hauses, wie in der Mannheimer Bearbeitung, sondern das begeisterte Evangelium eines kommenden neuen

Völkerfrühlings. Die früheren Motive und Ausführungen wurden nur beibehalten, insoweit sie dienten, der handlungslosen politischen Lyrik festen Halt und feste dramatische Spannung zu geben.

Mit dem veränderten Plan drängte sich auch ein anderer Held in den Vordergrund. Früher war Marquis Posa in so durchaus untergeordneter Stellung gedacht, daß in den Briefen Schiller's an Dalberg und Reinwald, in welchen er sich über die Personen seines Dramas ausspricht, derselbe gar nicht erwähnt wird; jezt wächst Posa Allen und ganz besonders auch Don Carlos selbst weit über den Kopf und wird der Hauptheld der lezten Akte.

Lediglich in Marquis Posa liegt die unsterbliche Größe und Hoheit dieser Dichtung. Marquis Posa ist die Poesie des politischen Idealismus. Sein Herz schlägt der ganzen Menschheit; seine Neigung ist die Welt mit allen kommenden Geschlechtern. Das Jahrhundert ist seinem Jdeal nicht reif; er lebt ein Bürger Derer, die da kommen werden.

Dies ist die Form, in welcher wir Schiller's Don Carlos jezt lejen. Es ist der Abschluß der Schiller'schen Jugenddramen. Don Carlos verhält sich zu den Räubern, zu Fiesco, zu Kabale und Liebe, wie das Ziel zum Weg. Dort der Kampf gegen die bestehenden Zustände und Wirklichkeiten; hier der Kampf für die Verwirklichung bestimmter Zukunftsideale. Dort wird die alte Welt zertrümmert; hier soll ein neues Gebäude des menschlichen Daseins gegründet und aufgeführt werden. Was er verneint und nicht will, hat der Dichter zuerst mit blutendem Herzen in mehreren Weisen auseinandergesetzt; hier wird, was er bejaht und was er will, mit freier und begeisterter Seele in ein großes Gemälde zusammengefaßt. Dort das harte bittere Gefühl, das mit jedem aussichtslosen Kampf verbunden ist; hier sehen wir nicht blos Schiller's hohen Freiheitssinn, sondern auch seines Herzens schöne Menschlichkeit.

Schiller wollte einst einen zweiten Theil der Räuber schreiben, die Dissonanzen des ersten Theils harmonisch aufzulösen. Don Carlos ist dieser zweite Theil der Räuber. Nicht im Rückwärts zu einem wilden phantastischen Naturzustand, sondern im Vorwärts

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