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nur als unmittelbar göttliche Wirkung zu betrachten und den Ursprung derselben vom Himmel zu holen; selbst für Lowth, den damals feinsten Kenner der hebräischen Dichtung, welcher an dieser Lehre von der unmittelbar göttlichen Eingebung festhielt, hat Herder nur die spottenden Worte, Lowth sei entweder zu sehr Redner oder zu gläubiger Nachbeter der Juden und ihrer christlichen Nachfolger. Eine lange Reihe von Abhandlungen aus den Jahren 1768 und 1769, welche Herder unter dem Namen einer Archäologie des Morgenlandes zusammenzustellen gedachte und welche später die Grundlagen seiner Schrift über die älteste Urkunde des Menschengeschlechts wurde, ist ganz und gar von dem Grundgedanken ge= tragen, die älteste alttestamentliche Dichtung, die Schöpfungsgeschichte, die Geschichte der Sündfluth und die Geschichte Mosis als alte orientalische Nationalgefänge zu betrachten; wer in dieser Einfalt nicht Größe fühle, der fühle keine Poesie des sinnlichen Anschauens. In das Jahr 1778 fällt die kleine, aber hochwichtige Schrift Herder's über Salomon's Lieder der Liebe, wohl das Zarteste, was Herder jemals geschrieben hat. Nie bethätigt sich die feine dichterische Nachempfindung und Nachbildung Herder's herrlicher als hier in dieser Uebersetzung der tief empfundenen altmorgen= ländischen Minnegesänge; sowohl die Deutungswuth mystischer Ueberschwenglichkeit, welche dem hohen Liede so gern die fremd= artigsten und unnatürlichsten Anschauungen unterlegt, wie der geschmacklose Wahn des alten Rationalismus, welcher in der Bibel nur eine Spreutenne kahler Moral sah, war für Jeden, der kein Arg an gesunder Sinnlichkeit nimmt, für immer vernichtet. Und nachdem bereits 1780 die Briefe über das Studium der Theologie diesen Gesichtspunkt lebendiger Volksdichtung über die gesammte Bibel ausgedehnt hatten, erschien 1782 Herder's berühmtes Buch über den Geist der hebräischen Poesie, von welchem Herder mit vollem Recht sagen konnte, von Kindheit auf habe er es in seiner Brust genährt. Die hebräische Poesie war ihm die älteste, ein= fachste, herzlichste Poesie der Erde, eine Poesie voll des innigsten Naturgefühls, und doch ganz und gar nur das dichterische Inne

werden und Anschauen Gottes und seiner Werke, das sich bald zur Entzückung hebt, bald zur tiefsten Unterwerfung herabsenkt; die hebräische Poesie war ihm die naturwüchsige und volksthümliche Dichtung eines Volkes, dessen ganzes Sein und Wesen von dem tiefsten und träftigsten Gottesbewußtsein durchglüht und erfüllt ist. Wer Alles in überirdischem Glanz sehen wolle, sehe zulezt gar nichts. Frei von allen theologisch zünftigen Voraussehungen und Vorurtheilen hat dieses gewaltige Buch, das leider unvollendet ge= blieben ist, erst wieder die Augen für die unvergängliche Poesie der Bibel geöffnet. Die herkömmliche sogenannte Einleitung in das alte Testament ist, wenn sie den Namen der Wissenschaft be= ansprucht, in ihrem innersten Wesen nichts als Literaturgeschichte der Juden.

Nur wer ein so offenes Auge für das Wesen und die vielgestaltigen Entwicklungsbedingungen der Volkspoesie hatte, konnte in so großartiger Weise der Erforscher und Wiedererwecker der alten Volksliederschäge werden, wie es Herder geworden ist. Man be= lächelt jezt die überschwengliche Begeisterung, mit welcher Herder der Verkünder des vermeintlichen Ossian's wurde; diese Begeisterung war der warme, wenn auch irregeleitete Ausdruck derselben Richtung, welche ihn mit so erfolgreicher Vorliebe zum Volkslied und zur Volkssage führte. Herder erhob die vereinzelten Anregungen Lessing's zu wirklich wissenschaftlicher Bedeutung. Das Volkslied war ihm die Blume der Eigenheit eines Volkes, seiner Sprache und seines Landes, seiner Geschäfte und Vorurtheile, seiner Leidenschaften und Anmaßungen, seiner Musik und seiner Seele. Mit unvergleichlicher Beweglichkeit des Geistes und mit wunderbarer Kunst der Nachbildung sammelte und übersetzte er die Stimmen der Völker unter allen Erdstrichen und aus allen Zeitaltern; gleich aufmerksam auf die Gemüthslaute der Grönländer, Lappen, Tataren, Wenden und Morlaken, wie auf die Laute der Schotten, Spanier, Italiener und Franzosen. Dies ist das greifbarste und darum auch das anerkannteste Verdienst Herder's. Und doch wird man diesem Verdienst nicht in seinem vollen Umfang gerecht, wenn man die gewaltigen

wissenschaftlichen Anschauungen außer Acht läßt, welche Herder sogleich aus diesen neuen Entdeckungen zu ziehen wußte. Was Herder 1773 in seiner herrlichen Abhandlung Ueber Cssian und die Lieder alter Völker", was er in der Einleitung zum zweiten Theil der von ihm 1779 bei Weygand in Leipzig herausgegebenen „Volkslieder über die sinnliche Kraft und Anschaulichkeit, über die schwunghafte zwingende Frische und Kühnheit des Volksliedes sagte, ist bis auf den heutigen Tag unübertroffen und hat für die Wiederbelebung unserer eigenen Liederdichtung die segensreichsten Früchte. getragen. Und von nicht minder unermeßlichem Einfluß war der geniale Scharfsinn, mit welchem Herder immer und überall den großen geschichtlichen Hintergrund dieser schlichten Volksphantasie her= vorhob. Einige der allerfruchtbarsten Zweige der heutigen Wissen= schaft haben hier ihre triebkräftige Wurzel. Es zeigte und bethätigte sich glänzend, was Herder gedacht und erstrebt hatte, wenn er in jenen ringenden Rigaer Lehrjahren einen Montesquieu der Literaturgeschichte verlangte. Herder ist es gewesen, welcher die ersten Grundlagen zum Aufbau der vergleichenden allgemeinen Literaturgeschichte, des Erforschens der Poesie in allen Gestalten und Wandlungen, gelegt hat. In der Abhandlung „Von der Aehnlichkeit der mittlern englischen und deutschen Dichtkunst (Suphan 9, 525) ist diese hohe Aufgabe in folgenden Sägen ausgesprochen: „Auch die gemeinen Volkssagen, Märchen und Mythologie gehören hieher. Sie sind gewissermaßen Resultat des Volksglaubens, seiner sinnlichen Anschauung, Kräfte und Triebe, wo man träumt, weil man nicht weiß, glaubt, weil man nicht sicht, wo man mit der ganzen un= zertheilten und ungebildeten Seele wirkt; also ein großer Gegenstand für den Geschichtsschreiber der Menschheit, für den Poeten und Poetiker und Philosophen. Sagen Einer Art haben sich mit den nordischen Völkern über viel Länder und Zeiten ergossen, jeden Ortes aber und in jeder Zeit sich anders gestaltet; wo sind die allgemeinsten und sonderbarsten Volkssagen entsprungen, wie gewandert, wie verbreitet und getheilt?" Ferner (S. 532): „Die kriegerische Nation singt Thaten, die zärtliche Liebe; das Volk von

warmer Leidenschaft kann nur Leidenschaft, wie das Volk unter schrecklichen Gegenständen sich auch schreckliche Götter dichtet. Eine kleine Sammlung solcher Lieder aus dem Munde eines jeden Volks über die vornehmsten Gegenstände und Handlungen ihres Lebens, in eigener Sprache, zugleich gehörig verstanden, erklärt, mit Musik begleitet wie würde es die Artikel beleben, auf die der Menschenkenner bei allen Reisebeschreibungen doch immer am begierigsten ist, von Denkart und Sitten der Nation, von ihrer Wissenschaft und Sprache, von Spiel und Tanz, Musik und Götterlehre. Wie die Naturgeschichte Kräuter und Thiere beschreibt, so schilderten sich hier die Völker selbst. Man bekäme von Allem anschauenden Begriff; und durch die Aehnlichkeit oder Abweichung dieser Lieder an Sprache, Inhalt und Tönen und insonderheit in Ideen der Kosmogenie und der Geschichte ihrer Väter ließe sich auf die Abstammung, Fortpflanzung und Vermischung der Völker wie viel und wie sicher schließen!" Und Herder ist es gewesen, welcher, so lückenhaft seine Kenntniß des Einzelnen war, auch die ersten Grundlagen zum Auf= bau der altdeutschen Philologie gelegt hat, wenn anders dieselbe nicht blos Herausgabe und Kritik der Terte, nicht blos Grammatik, sondern in Wahrheit Wissenschaft des deutschen Alterthums ist. Besonders wichtig ist auch hier wieder die Abhandlung von der Aehnlichkeit der mittelalterlichen englischen und deutschen Dichtung. Unter der wärmsten Anerkennung der spurlos vorübergegangenen Bemühungen Bodmer's stellt sie das höchste Ziel dieser neu zu schaffenden deutschen Alterthumswissenschaft auf, indem sie verlangt, daß eine Geschichte des deutschen Mittelalters nicht blos eine Pathologie des Kopfes, d. h. des Kaisers und einiger Reichsstände sein solle, sondern eine Physiologie des ganzen Nationalkörpers, der Denkart, Bildung, Sitte und Sprache. Sähe Herder die heutige Wissenschaft, freudig würde er in das Goethe'sche Wort ein= stimmen, daß, was man in der Jugend wünscht, man im Alter die Fülle hat.

Und diese hehre geschichtliche Auffassung gab Herder auch eine andere Stellung zu Shakespeare, als bisher die Zeitgenossen inne

gehabt hatten. Die wichtigste Urkunde seiner Shakespearebetrachtung ist jene inhaltsvolle und warmempfundene Abhandlung über den großen englischen Dichter (Suphan 5, 208), welche, wie aus einem Briefe Herder's hervorgeht, bereits 1771 begonnen, aber erst 1773 vollendet und veröffentlicht wurde; sie bezeugt sattsam, daß sie zwar Lessing's Dramaturgie zur Voraussetzung hatte, zugleich aber deren schöpferische Fortbildung war. Lessing hatte seinem nächsten Zweck gemäß vorzugsweise die tief innere Verwandtschaft Shakespeare's mit den Alten hervorgehoben; Corneille komme ihnen freilich in der mechanischen Einrichtung, Shakespeare aber, so sonderbare und ihm eigene Wege er wähle, im Wesentlichen näher. Weil Lessing die antike Tragödie und die Tragödie Shakespeare's in gleichem Abstand von dem Zopf des französischen Classicismus erblickte, so meinte er Sophokles und Shakespeare in der That unter sich selbst gleich und übereinstimmend; wir wissen aus der Geschichte seines Bildungsganges, wie seine ersten eingehenden Sophokles- und Shakespearestudien genau in dieselbe Zeit fallen. Herder dagegen betonte auf's schärfste den tiefen, durch die Verschiedenheit des Volksnaturells und des Zeitalters bedingten geschichtlichen Gegensatz. Aus den von Grund aus verschiedenartigen Ursprüngen des griechischen und des nordischen Theaters suchte er zu erweisen, daß Sophokles' Drama und Shakespeare's Drama zwei Dinge seien, die in gewissem Betracht kaum den Namen gemein haben. Die griechische Tragödie sei gleichsam nur aus Einem Auftritt, aus dem Impromptu der Dithyramben, des mimischen Tanzes, des Chors, entstanden; dieser habe allmählich Zuwachs und Umschmelzung bekommen; aus solchem Ursprung habe sich das griechische Trauerspiel zu seiner Größe emporgeschwungen und sei Meisterstück des menschlichen Geistes, Gipfel der Dichtkunst geworden. Jene Simplicität der griechischen Fabel, jene Nüchternheit griechischer Sitten, jenes Kothurnmäßige des Ausdrucks, die Musik, die Gestalt der Bühne, die Einheit des Orts und der Zeit, welche die eigensten Merkmale der griechischen Tragik seien, liege daher ganz ohne Kunst und Zauberei natürlich und wesentlich im Ursprung der griechischen Tragik selbst; diese Eigen=

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