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im zweiten Akt gelang die Unterdrückung der steigenden Theilnahme. Aber der Gewalt des dritten Akts, dem Sturm, welchem Lear's Sinne erlagen, erlag die Widerseßlichkeit des Vorurtheils. Das Klatschen, das Bravorufen nahm kein Ende. Von nun an ging kein Zug ohne Beifall vorüber. Die Schauspielerin, die die Goneril spielte, ward von dem Fluch, den Lear gegen sie schleudert, so im Tiefsten erschüttert, daß sie nie wieder bewogen werden konnte, diese Rolle zu übernehmen. Und nicht minder ergreifend war Schröder als Macbeth. „Macbeth gilt für eine Meisterrolle Kemble's...", berichtet Meyer (S. 317). „Dennoch haben Briten gleich mir ge= funden, mein Freund sei ihm in keiner starken Stelle nachgestanden, und habe ihn in allen nicht gespannten übertroffen, den Charakter menschlicher gefaßt, und das Herz mit ihm versöhnt, ohne der Kraft desselben etwas zu vergeben."

Auch das Zusammenspiel war unter der Leitung Schröder's, wie es jezt in Shakespeare'schen Stücken nicht mehr gesehen wird. Schröder wagte noch nicht den ganzen Shakespeare vorzuführen, sondern nur bedachtsam eingerichtete Bearbeitungen. Und es ist ein Lieblingsthema der heutigen Shakespearekritik geworden, uneingedenk der großen Verdienste Schröder's, über diese Bearbeitungen hart ab= zusprechen. Ein billiger Sinn wird in diesen Tadel nicht einstimmen. Zwei Gesichtspunkte sind in Schröder's Bearbeitungen zu unterscheiden, der pädagogische und der künstlerische. Der pädagogische Gesichtspunkt war unerläßlich. Ein Zuviel hätte das großartige Unternehmen im Keime erstickt. Für den ganzen Shakespeare war das Publicum, das so eben aus den französischen Bühnengewohnheiten kam, noch nicht reif. Auch in England waren Garrick und Kemble in gleicher Lage. Und verwundert man sich auch mit Recht über manche fast unbegreifliche Nachgiebigkeiten, wie z. B. über die Umbeugung der Tragik Othello's und Hamlet's zu heiterem Ausgang, die allerdings enthüllen, daß für Schröder die Stimmungen und Wendungen des bürgerlichen Rührstücks noch ungebührlich maßgebend waren, so ist doch nicht zu vergessen, daß es dieselbe Zeit war, in welcher Männer wie Heufeld, Stephanie, Weiße, Engel,

Brömel, Großmann, Schink und so manche andere handwerksmäßige Routiniers aus Shakespeare's Tragödien und Komödien abgeschmackte Rührspiele und grobe Possen zurechtschnitten, und daß Schröder dem Dichter fast bei jeder Vorstellung mehr von seinen Schäzen zurückgab; Schröder's Bearbeitungen, wie sie im Druck vorliegen, sind weder was sie bei den ersten Vorstellungen waren noch was sie bei den lezten wurden. Und soll man mit Denen rechten, die die künstlerische Nothwendigkeit besonderer Bühneneinrichtung in Abrede stellen? Es ist leicht zu sagen, ein Publicum, das Shakespeare verkürzt sehen wollte, sei überhaupt nicht werth, eines seiner Stücke zu sehen; das unumstößliche Kunstgesez ist, daß die Uebertragung in ein anderes Darstellungsmaterial auch eingreifende Veränderungen des künstlerischen Stils, daß die Uebertragung von den Einrichtungen der Shakespeare'schen Bühne auf die heutigen Bühneneinrichtungen auch eine veränderte Scenirung, namentlich eine strengere Ausscheidung alles Unwesentlichen und eine festere Einheit des Orts verlangt. Bereichert durch bessere Ueberseyungen und durch erweiterte Bühnenerfahrungen sind wir jetzt glücklicherweise im Stande, die Bearbei= tungen Schröder's zu überschreiten; den Grundsaß solcher Bearbei= tung aber hat Schröder für immer gezeigt. Nicht durch willkürliches Hinzuthun, sondern nur durch Kürzung und Zusammendrängung darf Shakespeare für die Bühne eingerichtet werden.

An Shakespeare war Schröder groß geworden, an Shakespeare bildete sich eine neue Schule.

Brockmann, Reineke, Borchers, welche unmittelbar neben Schröder standen und mit ihm in der Kunst dramatischer Charakterzeichnung wetteiferten, gehören neben Schröder zu den geehrtesten Namen der deutschen Schauspielergeschichte.

Und bald kamen Solche, die in der Auffassung und Darstellung Shakespeare'scher Gestalten Schröder hie und da sogar überragten, So groß Schröder war, es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß ihm. als Shakespearedarsteller zuweilen noch eine gewisse altväterische Enge, noch eine gewisse dem Rührstück entnommene Kleinbürgerlichkeit anhaftete. Es fehlte ihm, dem unübertroffenen Meister lebens

warmer Charakterzeichnung, dem innigen Vertrauten der Natur, offenbar jenes lezte unsagbare Etwas idealen Hauchs, das in Wahrheit erst den hohen Stil macht. Wie wäre dies auch innerhalb der Wieland'schen Uebersetzung möglich gewesen? Wir wissen, wie schwer später die Schauspieler den Weg in das Versdrama fanden. Fleck besiegte auch diese lezte Schranke.

Fleck, am 10. Juni 1757 zu Breslau geboren, hatte sich als Mitglied der Schröder'schen Gesellschaft in Hamburg unter Schröder's unmittelbarstem Einfluß gebildet; von 1783-1801 war er der Glanz der Bühne in Berlin. Besonders durch Tied's begeisterte Schilderungen ist Fleck ein unvergängliches Andenken gesichert. „In jenen Schauspielen, die Fleck's Sinn zusagten“, erzählt Tieck im Phantasus (Schriften 1828, Bd. 5, S. 466), „floß ihm der ganze Strom der hellsten und edelsten Poesie entgegen, umfing und trug ihn in das Land der Wunder; als Vision trat Alles auf ihn zu; und diese Poesie und Begeisterung schufen, ihn tief bewegend, durch ihn so große und erhabene Dinge, wie wir schwerlich je wieder sehen werden. . . . . Der Tragiker, für den Shakespeare dichtete, muß nach meiner Einsicht viel von Fleck's Vortrag und Darstellung gehabt haben, denn diese wunderbaren Uebergänge, diese Interjectionen, dieses Anhalten und dann der stürzende Strom der Rede, so wie jene zwischengeworfenen naiven, ja an das Komische grenzenden. Naturlaute und Nebengedanken gab er so natürlich wahr, daß wir grade diese Sonderbarkeit des Pathos zuerst verstanden. Sah man ihn in einer dieser großen Dichtungen auftreten, so umleuchtete ihn etwas Ueberirdisches, ein unsichtbares Grauen ging mit ihm und jeder Ton seines Lear, jeder Blick ging durch unser Herz. In der Rolle des Lear zog ich ihn dem großen Schröder vor, denn er nahm sie poetischer und dem Dichter angemessener, indem er nicht so sichtbar auf das Entstehen und die Entwicklung des Wahnsinns hinarbeitete, obgleich er diesen in seiner ganzen furchtbaren Erhabenheit erscheinen ließ. Wer damals seinen Othello sah, hat auch etwas Großes erlebt. Im Macbeth mag ihn Schröder übertroffen haben, denn den ersten Akt gab er nicht bedeutend genug, und den

zweiten schwach, selbst ungewiß, aber vom dritten war er undergleichlich und groß im fünften. Sein Shylock (obgleich nach einer ganz schlechten Bearbeitung) war grauenhaft und gespenstig, aber nie gemein, sondern durchaus edel; sein Laertes im Hamlet entsprach wohl nicht der Absicht des Dichters, er hätte den Geist übernehmen sollen. Viele der Schiller'schen Charaktere waren ganz für ihn gedichtet. Wallenstein hat ihn später auch denen bekannt gemacht, die früher das Theater nicht wichtig finden wollten. Leicester dagegen wurde durch ihn undeutlich, dieser schwankende Charakter war seinem starken Naturell nicht angemessen; Fiesco gab er nur stellenweise vortrefflich, vom Ferdinand in Kabale den Schluß des zweiten Aktes so, daß die Erinnerung davon nie erlöschen kann; aber der Triumph seiner Größe war wohl, so groß er auch in vielem sein mochte, der Räuber Moor. Dieses Titanen-artige Geschöpf einer jungen und kühnen Imagination erhielt durch ihn solche furchtbare Wahrheit, die Wildheit wurde mit so rührender Zartheit gemischt, daß ohne Zweifel der Dichter bei diesem Anblick selbst über seine Schöpfung hätte erstaunen müssen. Hier konnte der Künstler alle seine Töne, alle Furie, alle Verzweiflung geltend machen, und entseßte sich der Zuhörer über dies ungeheure Gefühl, das im Ton und Körper dieses Jünglings die ganze volle Kraft antraf, so erstarrte er, wenn in der furchtbaren Rede an die Räuber nach Erkennung seines Vaters noch gewaltiger dieser Mensch raset, ihn aber nun das Gefühl des Ungeheuersten niederwirft, er die Stimme verliert, schluchzt, in Lachen ausbricht über seine Schwäche, sich knirschend aufrafft, und nun noch Donnertöne ausstößt, wie sie vorher noch nicht gehört waren. Alles, was Hamlet von der Gewalt sagt, die ein Schauspieler, der selbst das Entseßlichste erlebt hätte, über die Gemüther haben müßte, alle jene dort geschilderten Wir= kungen treten in dieser Scene und buchstäblich ein. Und in den Dramaturgischen Blättern (Bd. 2, S. 46) sezt Tieck hinzu: „Fleck hob auf eine wahrhaft wunderbare Weise vornehmlich auch den Humor heraus, ohne welchen Shakespeare keinen einzigen seiner tragischen Charaktere gelassen hat. Diese sonderbare Kühnheit, die

Hettner, Literaturgeschichte. III. 3. 1.

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den meisten Schauspielern abgeht, weil sie es ohne Beruf freilich nicht wagen dürfen, einen Anklang des Komischen mit dem Ernst zu verbinden und selbst in die Töne der Verzweiflung und des tiefften Schmerzes eine gewisse Kindlichkeit, Naivetät, wunderlichen Widerspruch mit sich selbst hineinzuwerfen, dieses seltsame Talent war Fleck's Größe und ihm ohne Anstrengung das natürlichste. Es ist nicht zu beschreiben, was durch diese Gabe sein Macbeth in vielen Stellen und ebenso sein Othello oder Lear gewannen. Alle jene sonderbaren Reden und Uebertreibungen, die ja auch oft genug die englische schwache Kritik angemerkt und bedauert hat, wurden durch Fled's poetische Kraft ebenso viele Schönheiten. Das erschütterte eben, was Manchem im Dichter dürftig oder überflüssig erschien.“

Es war wieder ächte Poesie der Leidenschaft in der deutschen Schauspielkunst.

Um so seltsamer und überraschender erscheint die Bahn, welche die gleichzeitige dramatische Dichtung einschlug.

In Goethe's Pult ruhten die ersten Entwürfe des Egmont und der Iphigenie, die Anfänge des Tasso. Und vor Allem bezeugten die gewaltigen Jugenddramen Schiller's, die eben jetzt in die Oeffentlichkeit traten, daß, falls die Sterne günstig seien, der deutschen dramatischen Dichtung noch eine große Zukunft bevorstehe. Aber das schnell verzehrende Bühnenbedürfniß drängte das deutsche Drama, insoweit es nicht blos Lesedrama, sondern wirkliches Bühnendrama war, auf Wege, die von den höchsten Kunstzielen weit ablagen.

Zuerst das wilde Gerassel lärmender Ritterstücke, die in Nachahmung des Goethe'schen Göz überall aufschoffen. Nach dem kühnen Wagniß Schröder's, nicht blos Goethe's Göz, sondern auch die Rohheiten und Zügellosigkeiten der Lenz'schen und Klinger'schen Stücke auf die Bühne zu bringen, fanden sie auf allen Bühnen sogleich den willigsten Eingang.

Manche dieser Dramen sind von achtungswerthem Verdienst. Törring's Agnes Bernauerin (1780) und Babo's Otto von Wittelsbach (1782) haben feften dramatischen Griff, ihr Bau ist bühnen

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