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Dreister und weitgreifender war bereits Großmann, mit seinem Lustspiel Nicht mehr als sechs Schüsseln". Es war ein immer wieder gern gesehenes Zugstück; in Berlin erlebte es sogleich in den ersten vierzehn Tagen zehn Vorstellungen. Auch hier geht das Grundmotiv zunächst gegen den Adel; ein vermögender bürgerlicher Hofrath wird von seinen herabgekommenen und verlumpten adlichen Verwandten ausgebeutelt und troßdem hochmüthig mißhandelt. Bald aber erweitert sich die lose zusammengefügte Handlung zu allerlei Zwischenscenen, die auf Maitressenwirthschaft, Camarilla, Gewalt= thätigkeit und Bestechlichkeit der Beamten, die grellsten Streiflichter werfen. Es sind die Anschauungen und Stimmungen, die in allen späteren Stücken dieser Art ständig wiederkehren. Und auch darin zeigt sich dieses Lustspiel als das maßgebende Urbild aller Nachahmungen und Variationen, daß die Opposition vor dem Thron selbst stehen bleibt; im Zeitalter des aufgeklärten Despotismus glaubte man, vom schlecht unterrichteten König sei an den besser zu unterrichtenden zu appelliren.

Iffland wurde der eigentliche Meister dieser dramatisirten Sittenund Familiengemälde. Sein erstes Schauspiel „Verbrechen aus Ehrsucht", das er 1784 in Mannheim auf die Bühne brachte, gewann sogleich den weitgreifenden Erfolg, den Iffland vorher im Trauer- und Schauspiel vergebens erstrebt hatte. Wie sein schauspielerisches Talent sich vorzugsweise in bürgerlichen Charakteren und in sein komischen Rollen bewegte, so kam auch sein dichterisches Schaffen erst in diesen Werken niederen Stils zur Geltung. Und trotz aller Schwächen dürfen wir über die sogenannte Iffländerei nicht vornehm den Stab brechen. Einzelne seiner Stücke, wie vor Allem „Die Jäger" (1785), „Die Spieler“ (1796), und „Die Hagestolzen" (1791) (vorausgesezt, daß die ersten Akte gehörig zujammengedrängt werden,) sind auch heut noch von Wirkung. Aber auch bei Iffland derselbe satirische Zug; sogar noch tiefer und grollender. Insbesondere Iffland's Dramen hat Goethe vor Augen, wenn er im dreizehnten Buch von Wahrheit und Dichtung rügt, daß das Drama dieser Zeit mit schadenfrohem Behagen die theatra

lischen Bösewichter immer nur aus den höheren Ständen gewählt habe; man habe Kammerjunker oder wenigstens Geheimsekretär sein müssen, um sich einer solchen Auszeichnung würdig zu machen; zu den allergottlosesten Schaubildern aber habe man die obersten Chargen und Stellen des Hof- und Civiletats erkoren.

Es ist ein treffliches Wort, das diese ganze Erscheinung auf ihren lehten Grund zurückführt, wenn Goethe nach Böttiger's Bericht (vgl. Literar. Zustände und Zeitgenossen Bd. 1, S. 97) ein anderes Mal sagte, Iffland habe ganz im Sinn Rousseau's immer nur Natur und Kultur in schneidenden Gegensah gestellt; Kultur sei ihm nur die Quelle sittlicher Verderbniß, die Rückkehr seiner Menschen zur Sittlichkeit sei Rückkehr zum Naturzustand. Das sei aber ein ganz falscher Gesichtspunkt; das Geschäft des Schauspielers bestehe nicht darin, die Kultur zu verunglimpfen, sondern zu zeigen, wie die Kultur gereinigt, veredelt und liebenswürdig gemacht werden könne. Jedoch vergißt Goethe nicht, ausdrücklich hinzuzufügen, die Schuld sei nicht Iffland's, seine Beobachtungen seien richtig, seine Copien treu; die Schuld sei vielmehr die Schuld der Zeit, die nur allzu oft eine Frage ächter Kultur gewesen.

Mehr als je standen Leben und Bühne im engsten Zusammenhang. Mit Recht sagt Eduard Devrient in der Geschichte der deutschen Schauspielkunst: „Den Hochmuth, den Aberwiz und die Infamie, vor denen man sich am Tage bücken mußte, gab man Abends vor den Theaterlampen dem Spott und der Verachtung preis; der Schauspieler war der Sachwalter der Unterdrückten, der Richter und Rächer.“

Wo sind die harmlosen Zeiten der Rabener'schen Satire? Zu verwundern ist nur die Sorglosigkeit der gegen die historischen Schauspiele so strengen Theaterpolizei. Selbst das Wiener Burgtheater, sonst jeder freieren Regung ängstlich verschlossen, nahm an Iffland kein Aergerniß.

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Noch Lessing klagte über den Mangel an deutschen Romanen. Seit dem Anfang der siebziger Jahre dagegen mußte man bereits über die maßloseste Ueberfluthung der Romanliteratur klagen. Im Jahre 1796 berechnete die Neue Allgemeine deutsche Bibliothek, daß seit 1773 mehr als sechstausend Romane in Deutschland gedruckt worden.

Keiner dieser Romane reicht in Gehalt und Kunstform an Goethe's Werther, selbst nicht an Jacobi's Allwill und Woldemar oder an Heinse's Ardinghello. Das Meiste fällt in das niedere Bereich der flachsten, zum Theil sogar schmuzigsten Unterhaltungsliteratur.

Und doch ist es leicht, auch diese Ueberproduction in verschiedene Gruppen zu sondern und dieselben auf die maßgebenden Stimmungen und Richtungen der allgemeinen Zeit- und Literaturverhältnisse zurückzuführen.

Ein zahlloser Troß von Nachahmern, die das Hohe und Große ihrer Vorbilder geistlos copiren, oft auf das allerärgerlichste trüben und verzerren.

Zuerst Sterne's mächtiger Einfluß. Goethe hat in Wahrheit und Dichtung wiederholt auf Sterne hingewiesen. Ganz übereinstimmend sagt Ramler in einem Briefe vom 14. November 1775, vor Kurzem habe Jeder klagen wollen wie Young, jezt wolle Jeder scherzen wie Sterne. Diese springende Humoristik war so recht die Kunstform der springenden Gemüthswillkür, der feffellose Ausdruck aller zufälligsten persönlichen Leidenschaften und Eigenheiten. Wie man im Drama shakespearisirte, so sternisirte man im Roman; und hier wie dort blieb man weit zurück hinter dem Vorbild. Der

Humor gedeiht nur, wo er auf der Grundlage eines durchgebildeten reinen und liebenswürdigen Gemüths ruht.

Vor Allem rief Sterne's berühmter Roman „Tristram Shandy“ zur Nachahmung. Aber hatte Sterne in der Darlegung des Lebens und der Meinungen" seiner Helden zugleich die hinreißendste Kraft der Charaktergestaltung entfaltet, so glauben die deutschen Nachahmer sich dieser Charaktergestaltung gänzlich entschlagen zu können; sie schen in Sterne's Manier nur den Freipaß einerseits für die Carricatur und andererseits für die trockenste Lehrhaftigkeit, wie sie aus den Anschauungen und Gewohnheiten der Dichtung des Aufklärungszeitalters noch immer herüberwirkte. Nicolai, der sich mit seinem Sebaldus Nothanker (1773 f.) selbst in die Reihe der deutschen Sternianer stellte, spricht in der Vorrede dieses Romans das eigenste Geheimniß dieser Manier aus, wenn er sagt, man solle sich nicht wundern, daß er mehr nur Meinungen als Geschichte und Handlung. darstelle; Sebaldus kenne die Welt nicht, die Speculation sei seine Welt, jede Meinung sei ihm so wichtig wie kaum manchem Anderen eine Handlung. Nur Merck, der seine Kritiker, giebt im ersten Bande des Deutschen Merkur von 1776 den deutschen Dichtern zu bedenken, ob es nicht im Vortheil des Lesers liege, wenn sie statt Meinungen lieber Leben, statt der überall aufgehängten Tafeln cigener Inspiration lieber eine pragmatische Geschichte des Helden, statt der Monologe lieber ein möglichst episches Märchen liefern wollten.

Wezel's Tobias Knaut (1773 f.) und Gottwald Müller's Siegfried von Liedenberg (1779) schildern nur Carricaturen; die Reflerionen, mit denen sie einzelne Zeitrichtungen, namentlich die weinerliche Empfindelei, bekämpfen, sind dürftig und platt; die Atmosphäre, die wir athmen, ist eng und philisterhaft.

Am bedeutendsten unter diesen sternisirenden Romanen sind Hippel's „Lebensläufe nach aufsteigender Linic“ (1776 ff.). Doch kostet es dem heutigen Leser große Mühe, sich durch dies wunderliche weitschweifige Buch hindurchzuwinden, und es war ein ver= dienstvolles Werk, daß A. von Oettingen zur Jubelfeier des hundert

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sten Jahres es für die Gegenwart bearbeitet" erscheinen ließ. E ist ein Gemisch rührendster Herzensergießungen und trockener philosophischer Ausführungen, ein Neben- und Durcheinander unzusammen= hängender Einfälle und Gedankenblize. Nichtsdestoweniger ist es durchaus gerechtfertigt, daß dies Buch sich in ehrendem Andenken erhalten hat. Ein tiefer gebildeter Geist spricht zu uns über die höchsten menschlichen Bildungskämpfe. Die seit 1793 erschienenen „Kreuz- und Querzüge des Ritters A bis 3“ sind unbedeutender. Es ist überraschend, daß grade Ostpreußen, das Land der klaren Verstandesschärfe, die Geburtsstätte Kant's, reich an Menschen ist, die ihr ganzes Leben hindurch an dem unversöhnten Zwiespalt zwischen den unabweislichen Forderungen ihrer Verstandesbildung und dem unbeugjamen Troz phantastischer Gefühlsschwelgerei ringen und kranken. Man denke an Hamann und neuerdings an Bogumil Golz. Hippel, 1741 zu Gerdauen geboren und seit seiner Universitätszeit fast ununterbrochen bis zu seinem Todesjahr 1796 in Königsberg lebend, gehörte zu dieser seltsamen Menschenart. Sein Leben und Wirken war voll der unenträthselbarsten Charakterwidersprüche; vor der Welt war er blos praktischer Geschäftsmann und hielt seine literarische Arbeit sorgfältig geheim; in seinem Denken und Empfinden wollte er das Unmögliche möglich machen und Pietist und Kantianer zugleich sein. Was bleibt in so verwickelter Gemüthsverfassung anderes als der kühne Saltomortale des Humors? Aber auch der Humor ist bei Hippel nur Wollen, nur Anjaß. Zum ächten und großen Humoristen fehlt ihm die hinreißende Liebenswürdigkeit und Gemüthstiefe, fehlt ihm die plastische Phantasie, selbst in dem bescheidenen Maß, das Jean Paul zum Dichter macht.

Auch Nachahmungen von Sterne's empfindsamer Reise wucherten üppig. Am bekanntesten geworden ist August von Thümmel's Reije in die mittäglichen Provinzen von Frankreich“ (1791 ff.), eine arge Vergröberung der scherzenden Anmuth Sterne's in Wieland'sche und Voltaire'sche Frivolität.

Die zweite Gruppe bilden die Nachahmer des Goethe'schen Werther.

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