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die fruchtbarsten Sujets der Geschichte, die lebendigsten Charaktere, alles Gefühl von einzelner Wahrheit und Bestimmtheit hinwegantikisirt. Die Nachwelt wird an solchen Schöngeistereien.... stehen und staunen, und nicht wissen, wie uns war, zu welcher Zeit wir lebten, und was uns denn auf den erbärmlichen Wahn brachte, zu einer anderen Zeit, unter einem anderen Volk und Himmelsstrich leben zu wollen und dabei die ganze Tafel der Natur und der Geschichte aufzugeben oder jämmerlich zu verderben.“

Denselben Anschauungen und Gedanken begegnen wir in Herder's Forschungen über Sprache, Religion und Geschichte; nur anders gestaltet und durchgeführt je nach der Verschiedenheit der Stoffe.

Erstens die Sprache.

Noch heut lesen wir mit Vergnügen und Belehrung in Herder's Fragmenten die feinen Bemerkungen, welche von den Eigenheiten der deutschen Sprache handeln; sie wurden die Losung des jungen Geschlechts und haben wesentlich dazu beigetragen, der deutschen Schreibart Leben und Frische, Seele und Leidenschaft, individuell persönliche Haltung und Färbung einzuhauchen. Was aber mehr als dies ist, Herder ist der bedeutendste Anreger der neueren Sprachwissenschaft. Wer einen so tiefen Einblick in Wesen und Ursprung der Dichtung hatte wie Herder, konnte sich unmöglich mit der herrschenden, eben jezt wieder von Hamann scharf betonten Annahme befreunden, daß die Sprache, welche doch Werkzeug und Inhalt und Form dieser Dichtung ist, aus göttlicher Eingebung stamme (Suphan 2, 67). „Die ganze Hypothese vom göttlichen Ursprung der Sprache ist wider die Analogie aller menschlichen Er= findungen, wider die Geschichte aller Weltbegebenheiten und wider alle Sprachphilosophie. Sie seht eine Sprache voraus, die durch Denken ausgebildet und zum Ideal der Vollkommenheit ausgedacht ist .... und bekleidet dies Kind des Eigensinns, das augenscheinlich ein späteres Geschöpf und ein Werk ganzer Jahrhunderte gewesen, mit den Strahlen des Clymps, damit es seine Blöße und Schande bedecke." Sowohl in den Fragmenten wie in der berühmten Preisschrift

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„Ueber den Ursprung der Sprache“ sprach Herder die klare Erkenntniß aus, daß, wer den Knoten lösen, nicht plump durchhauen wolle, vielmehr die Aufgabe habe, die Sprache als eine Entwicklung der Vernunft", als eine „Production menschlicher Seelenkräfte“ zu erklären; und Herder selbst entwarf sofort eine Lebensgeschichte der Sprache, welcher er im Gefühl, daß bei dem gänzlichen Mangel der erforderlichen Grundlagen ein solcher Entwurf noch sehr unzulänglich sein müsse, den bescheidenen Titel eines Romans gab. Schon hier bezeichnete Herder das lezte Ziel aller Sprachwissenschaft, wenn er sie als eine Entzifferung der menschlichen Seele aus ihrer Sprache betrachtete und sie eine Semiotik nannte, die wir vorerst nur dem Namen nach in den Registern der philosophischen Encyklopädien fänden; schon hier verlangte er zur Erreichung dieses hohen Zieles einen Mann von drei Köpfen, welcher Philosophie, Geschichte und Philologie verbinde. Im Laufe der Zeit aber vertiefte sich diese Erkenntniß zum durchgebildeten Ideal vergleichender Sprachforschung. Herder's Ideen zur Philosophie der Geschichte sprechen von einer allgemeinen Physiognomik der Völker aus ihren Sprachen, ja sie weisen bereits auf das Sanskrit als auf eine Protogäa, welche die Trümmer der alten Naturdenkmale zeige. „Der Kranz ist noch aufgesteckt", ruft Herder begeistert aus, und ein anderer Leibniz wird ihn zu seiner Zeit finden.“ Wenige Jahrzehnte nach diesen Worten erstand Wilhelm von Humboldt.

Zweitens die Religion.

Gebannt von dem dichterischen Zauber der Bibel war Herder Geistlicher geworden; aber es fällt schwer in's Gewicht, daß er schon in den ersten Jahren seines Predigerlebens diesem selbstgewählten Beruf sich innerlich fremd fühlte. Es klingt sehr untheologisch, wenn Herder als junger Prediger an Kant schreibt, aus keiner anderen Ursache habe er sein geistliches Amt angenommen, als weil er wisse und es täglich aus der Erfahrung mehr lerne, daß sich nach unserer Lage der bürgerlichen Verfassung von der Kanzel aus am besten Kultur und Menschenverstand unter den ehrwürdigen Theil der Menschen bringen lasse, den wir Volk nennen, und diese

menschliche Philosophie sei seine liebste Beschäftigung; und in einem Briefe an Nicolai vom 10. Januar 1769 spricht er sogar von den Falten und Runzeln, welche der geistliche Stand schlage. Als er jugendmuthig den inneren Kämpfen seines Rigaer Amtes entflohen. war, trug er, wie sein Reisetagebuch urkundlich bezeugt, sich weit mehr mit pädagogischen und staatsmännischen als mit theologischen Plänen; in der beabsichtigten Erziehungsanstalt, in deren Einrichtung sich jenes Tagebuch ausführlich ergeht, sollte der Religionsunterricht voll Philologie eines Michaelis und Ernesti und voll Philosophie eines Reimarus sein. Aber der tiefe Sinn Herder's für das Individuelle und Dichterische spannt die alten biblischen Vorstellungen nicht, wie der starre ungeschichtliche Sinn des Rationalismus, auf das Prokrustesbett, um sie wohl oder übel der zufälligen Tagesphilosophie anzupassen, sondern wahrt sie in reinster Thatsächlichkeit; einzig bestrebt, das Geheimniß ihres psychologischen und geschichtlichen. Ursprungs zu erforschen. Alle die mannichfachen Entwürfe der arbeitsvollen Rigaer Jahre, welche Herder unter dem Gesammtnamen einer Archäologie des Morgenlandes zusammenzufassen gedachte, sind wesentlich religionsgeschichtlich. Indem sie die Bibel ebenso wie alle anderen Religionsurkunden lediglich unter den Gesichtspunkt naturwüchsiger Volksdichtung und Mythologie stellen und die einzelnen Bücher derselben als „Localdichtungen“ und, wie Herder sich nicht auszusprechen scheute, als „Nationalmärchen“ bezeichnen, sind sie der erste wirksame Anfang jener scharfschneidigen Betrachtung der Religionsgeschichte als, menschlicher Mythenbildung, welche für unser Jahrhundert so wichtig geworden ist.

Daß Herder auf dem Rationalismus fußt, seine Thätigkeit aber darin sucht, die Frage nach dem Ursprung der Glaubensfähe tiefer zu beantworten als der Rationalismus, welcher keine andere Antwort kannte als die armselige Annahme bewußten Priestertrugs, erhellt aus dem Entwurf Ueber die verschiedenen Religionen“ (Lebensbild, Bd. 1, 3, a. S. 376), welcher ausführt, daß es nicht genug sei, den Irrthum religiöser Meinungen bemerkt und kalt widerlegt zu haben, daß vielmehr die weitere Aufgabe entstehe, seine

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Möglichkeit und Entstehungsart zu erklären. Es fehle der sogenann= ten natürlichen Theologie noch eine Geschichte der Religionen, welche alle Religionen zuerst als Phänomene der Natur betrachte. Ein zweiter Entwurf (1768) „Von Entstehung und Fortpflanzung der ersten Religionsbegriffe" (ebend. S. 382) legt die ersten Grundlinien dieser Naturgeschichte oder Phänomenologie des menschlichen Gottesbewußtseins. Es werden zwei Stufen unterschieden. Nach Hume's Vorgang wird die erste Stufe als die Religion der Furcht und des Aberglaubens bezeichnet; die barbarischen und unwissenden Völker, mit der Natur der Gegenstände unbekannt und darum bei jedem neuen Auftritt ein Raub der Verwunderung, der Furcht und des Entsegens, ersinnen sich eine Anzahl meist fürchterlicher oder die Furcht abwehrender Localgötter, ein Pantheon lebendiger Wesen, die für oder gegen die Menschen wirkten. Die zweite Stufe ist aus diejem Zeitalter der Wunder und Zeichen und Götterthaten und Götterbesänftigungen herausgetreten; sie richtet eine ruhigere Frage an den Ursprung der Dinge und will sich Rechenschaft geben, wie die Welt, wie die Menschen, wie einzelne Merkwürdigkeiten und Erfindungen, wie insonderheit die Nation, in welcher man lebt, mit ihrer Sprache und Sitte und Denkart entstanden sei. Diese zweite Stufe der Religion ist wesentlich Kosmogonie, eine Art von historischphysischer Philosophie; und die erste Quelle zur Beantwortung dieser Fragen war der Mund der Väter, die Lehre voriger Zeiten, die Tradition, die Mythe. Mit diesem Satz sind wir bei der Grundansicht Herder's vom Wesen der Religion angelangt. Herder sagt (S. 386): Natürlich, daß diese theologischen Traditionen auch so national sein mußten als etwas in der Welt; Jeder sprach aus dem Mund seiner Väter; er sah nach Maßgabe der Welt, die um ihn war; er machte sich Aufschlüsse von Dingen, die ihm als die merkwürdigsten vorlagen, und nach der Art, wie sie seinem Klima, seiner Nation, seiner bisherigen Leitung am besten konnten erklärt werden; er schloß nach seinem Interesse und nach Denkart und Sprache und Sitten seines Volks. Welt und Menschengeschlecht und Volk ward also nach Ideen seiner Zeit, seiner Nation, seiner

Kultur errichtet; im Kleinsten und im Größten national und local. Der Skandinavier baute sich seine Welt aus Riesen; der Jrokese machte Schildkröten und Fischotter, der Indianer Elephanten zu Maschinen dessen, was er sich erklären wollte; hier sind alle Alterthümer und Reisebeschreibungen voll von Sagen und Traditionen, von Localdichtungen und Nationalmärchen. Und überall wurden. diese uralten theologisch-philosophisch-historischen Nationaltraditionen in eine sinnliche bildervolle Sprache eingekleidet, die die Neugierde des Volts auf sich ziehen, seine Einbildungskraft füllen, seine Neigungen lenken, sein Ohr vergnügen konnte. Ja, sie wurden völlige Gedichte; denn zu einer Zeit, da kaum noch an eine Buchstabenund Schreibkunst zu denken war, sollte die Stimme der Ueberlieferung sie aufbehalten.“ Zulegt aber macht Herder die unmittelbare Anwendung dieser Anschauungsweise auf die älteste mosaische Urkunde. Die gewöhnliche Art, die mosaische Schöpfungsgeschichte als eine göttliche Offenbarung über den Hergang der Schöpfung zu betrachten, erscheint ihm nicht nur unhaltbar, sondern von Grund aus verderb= lich, da sie den menschlichen Geist mit hohlen Begriffen erfülle und dem wirklichen Naturforscher, der da kommt, die Wunder der Schöpfung Gottes zu entdecken, so oft Ketten und Dolche oder wenigstens Verläumdung und Verfolgung schmiedet. Mit hinreißendem Feingefühl schildert Herder, wie der alte Dichter das Aufgehen des Lichtes über der Finsterniß dem Aufgehen der Morgenröthe, daß uns in jeder Tagwerdung neu als Thatsache und als das große Wunder Gottes in der Natur erscheint, entlehnt hat, und wie dieser Schöpfungsgesang Gott darum als sechs Tage arbeitend und als am siebenten Tage ruhend darstellt, weil der Ausgang und Zweck des ganzen Stücks die Anordnung und Einweihung des Sabbaths war. Ganz in demselben Sinn faßte Herder die Geschichte der Sündfluth als ein Stück geschichtlicher Dichtung von einer Ueberschwemmung des Crients, und die Geschichte Mosis als Anfäße eines hebräischen Nationalepos. Am Schluß der Ode, welche Herder diesen Arbeiten vorauszuschicken beabsichtigte, nennt er sich selbst einen Himmelsstürmer.

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