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die Lebhaftigkeit der Bilder, Handlungen und Fictionen, die sich uns darstellen als wären wir Zuschauer und die wir mit bewunderndem Enthusiasmus dem gegenwärtigen Gotte zuschreiben, diese Hiße, diese Stärke, diese anhaltende Kraft, dieser überwältigende Strom der Begeisterung, der uns wider unseren Willen zwingt, an Allem gleichen Antheil zu nehmen, das ist die Wirkung des Genies!... Die Kraft, die ich in Bezug auf uns Trug oder Illusion nenne, diese Kraft, die Natur wie gegenwärtig in der Seele abzubilden, ist in Beziehung auf den Dichter diejenige entschiedene und hervorstechende Eigenschaft, die wir uns unter dem Namen des poetischen Genies auch da denken, wo wir uns von unseren Begriffen nicht immer Rechenschaft zu geben wissen. Sie kann weder durch Kunst noch durch Fleiß erreicht werden, sie ist einigen und zwar den wenigsten Geistern eigenthümlich, furz, sie ist das Genie. Dies ist keine Definition, aber es ist Erfahrung, es ist Gefühl." Es ist bekannt, wie diese Anschauungsweise auch auf die letzten Schriften Klopstock's, mit welchem Gerstenberg in Kopenhagen aufs innigste verbunden war, befruchtend zurückwirkte.

Nach drei verschiedenen Richtungen suchten die Schleswiger Merkwürdigkeiten den Fortgang der deutschen Literatur in diesem Sinn zu leiten und zu beleben.

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Die ersten Briefe, besonders der zweite, vierte und fünfte weisen bei Gelegenheit Spenser's auf Ariost. Es geschah auf Grund der mächtigen Einwirkung Meinhard's, dessen „Versuche über den Charakter und die Werke der besten italienischen Dichter" auch Lessing gebührend zu schäßen wußte. Die in den Jahren 1771 und 1772 erscheinenden Briefe über den Werth einiger deutscher Dichter" von Mauvillon und Unzer stellten dasselbe Ziel auf, und schon erklangen in Wieland's kleineren Dichtungen die Töne, deren künstlerische Zusammenfassung und Vertiefung später der Oberon wurde. Ja, im zweiundzwanzigsten und dreiundzwanzigsten Brief wird bereits die Herrlichkeit Don Quixote's gepriesen. Doch verhallten grade diese Worte Gerstenberg's zunächst fast spurlos. Für solche spielende Heiterkeit war das junge Geschlecht zu unruhig und leidenschaftlich.

Nur Heinse wußte, welche Poesie in Ariost's muthwilliger Lebensfrische liege.

Macpherson's Ossian, gegen dessen Aechtheit Gerstenberg von Anbeginn mißtrauischer war als die meisten seiner Zeitgenossen, und die altenglische Balladensammlung Percy's führen auf das Wesen und die Vorzüge volksthümlicher Dichtung. Mit wärmster Begei= sterung und mit sachkundigem Eifer sind der achte, elfte und zwölfte Brief darauf gerichtet, die altdänischen Volkslieder (Kiämpe- Viser), die Edda und die bis dahin nur wenig beachtete nordische Göttersage hervorzuziehen und jenen englischen Dichtungen an die Seite zu stellen.

Aus diesen Stimmungen entsprang Gerstenberg's Gedicht eines Skalden", das mit ergreifendem Schwung die Empfindungen eines aus dem Todesschlaf erwachenden alten nordischen Sängers schildert und diesen Sänger in der Sprachweise und in den Anschauungen der alten nordischen Mythologie sprechen läßt. Es ist ausdrücklich bezeugt (vergl. Jördens' Lerikon deutscher Dichter und Prosaisten Bd. 6. S. 174), daß es dieses Gedicht war, welches die Bardendichtung Klopstock's und das gesammte Bardenwesen hervorrief. Gerstenberg aber ist nie eingegangen auf die kindischen Uebertreibungen der Nachahmer.

Jedoch das weitaus Bedeutendste und Wirksamste war der im vierzehnten bis achtzehnten Brief enthaltene „Versuch über Shakespeare's Werke und Genie". Gerstenberg hat diese Abhandlung auch in den dritten Band seiner „Vermischten Schriften“ aufge= nommen; leider sehr verändert.

Ausgehend von einer scharf tadelnden Beurtheilung der Wieland'schen Shakespeareübersehung, brachte diese Abhandlung Betrach= tungen über Shakespeare's Art und Kunst, wie sie, da Lessing's Dramaturgie damals noch nicht geschrieben war, in Deutschland bisher nicht gehört worden.

Es ist überaus fein und durchaus im Geist Lessing's, wenn Gerstenberg im fünfzehnten Brief durch die Zusammenstellung von Shakespeare's Othello und von Young's Tragödie „die Rache (The Revenge)", die dem Othello nachgebildet ist, vor Allem die Kunst

Shakespeare's bis in die geheimsten Tiefen der Leidenschaft hinabzusteigen, lebendig vor Augen stellt. Bezeichnend setzt er hinzu: „Ich glaube aber zugleich, daß dies Talent nicht sein größtes noch vor= ragendes sei. und eben dies ist es, was ich, wenn ich einen Commentar über Shakespeare's Genie schreiben sollte, am meisten bewundern würde, daß nämlich jede einzelne Fähigkeit des menschlichen Geistes, die schon insbesondere Genie des Dichters heißen kann, bei ihm mit allen übrigen in gleichem Grade vermischt und in Ein großes Ganze zusammengewachsen sei. Er hat Alles, den bilderreichen Geist der Natur in Ruhe und der Natur in Bewegung, den lyrischen Geist der Oper, den Geist der komischen Situation, sogar den Geist der Groteske; und das Sonderbarste ist, daß Niemand sagen kann, diesen hat er mehr und jenen weniger."

Und es ist überaus fein und durchaus im Geist Lessing's, wenn Gerstenberg im sechszehnten Brief den damals noch immer landläufigen Vorwurf, daß Shakespeare in seiner Sprache bald zu schwülstig übertrieben bald zu spielerisch spißfindig sei, durch die einfache Bemerkung zurückweist, daß das Genie des Dichters eben kein höheres Lob gekannt habe, als „die Natur eines jeden Gegenstandes nach den kleinsten Unterscheidungszeichen zu treffen". Die Natürlichkeit Shakespeare's sei nicht blos Natur, sondern sogar schöne Natur, vorausgesezt nämlich, daß man unter dieser schönen Natur nicht die sogenannte schöne Natur des geltenden französirten Geschmacks verstehe, die aus Furcht, ausschweifend oder arm zu scheinen, in goldenen Fesseln daherschreite, sondern vielmehr die zwangsfreie Natur, welcher auch die Griechen in ihren Kunstschöpfungen gerecht geworden, und von welcher Shakespeare selbst einmal sage, über jener Kunst, die, wie es heiße, über die Natur hinaus erfinde, gebe es eine Kunst, die von der Natur selbst erfunden sei.

Trotz alledem liegt die folgenschwere Bedeutung dieser Abhand= lung mehr noch in ihren Schiefheiten und Einseitigkeiten als in ihren Vorzügen. Hier ist der Ausgang aller jener mannichfachen. Irrwege, welche wir im Drama der Sturm- und Drangperiode zu beklagen haben.

Hettner, Literaturgeschichte. III. 3. 1.

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Weil die Verkennung und die schulmeisterliche Bekrittelung der Größe Shakespeare's hauptsächlich daher stammte, daß man für die Beurtheilung Shakespeare's immer nur den Maßstab der alten Dramatik hatte, wie diese von den französischen Kunstlehrern betrachtet zu werden pflegte, meinte Gerstenberg die Zulässigkeit dieses Vergleichs überhaupt ablehnen zu müssen. Das Drama Shakespeare's und das Drama der Alten seien nicht verschiedene Arten einer und derselben Gattung, sondern seien in ihrem tiefsten und innersten Wesen verschieden. Gerstenberg spricht diesen Grundgedanken seiner Abhandlung im vierzehnten Brief folgendermaßen aus: „Eine der vornehmsten Ursachen, warum Shakespeare selten, vielleicht niemals, aus dem rechten Gesichtspunkt beurtheilt worden, ist ohne Zweifel der übel angewandte Begriff, den wir vom Drama der Griechen haben. Die wesentlichste Hauptabsicht einer griechischen Tragödie war, wie Sie wissen, Leidenschaften zu erregen, einer griechischen Komödie, menschliche Handlungen von einer Seite zu zeigen, von der sie zum Lachen reizten. . . . Ist dies wahr, so werden Sie mir bald einräumen müssen, daß Shakespeare's Tragödien keine Tragödien, seine Komödien keine Komödien sind noch sein können. Ich verlange nichts mehr. Wie nun? Shakespearen die Erregung der Leidenschaften, die erste und wichtigste Eigenschaft eines Theaterscribenten streitig zu machen? Was bleibt ihm übrig? Der Mensch! Die Welt! Alles! Aber merken Sie Sich, daß ich ihm die Erregung der Leidenschaften nicht streitig mache, sondern sie nur einer höheren Absicht unterordne, welche ich durch die Zeichnung der Sitten, durch die sorgfältige und treue Nachahmung wahrer und erdichteter Charaktere, durch das kühne und leicht entworfene Bild des idealischen und animalischen Lebens andeute. Weg mit der Classification des Dramas! Nennen Sie diese plays mit Wieland oder mit der Gottsched'schen Schule Haupt- und Staatsaktionen, mit den brittischen Kunstrichtern history, tragedy, tragicomedy, comedy, wie Sie wollen; ich nenne sie lebendige Bilder der sittlichen Natur.“ Gerstenberg stand nicht an, unerschrocken auszusprechen, was aus dieser Anschauung unumgänglich für die Betrachtung der Shake

speare'schen Kompositionsweise folgte. Zwar sei es Unrecht, fährt Gerstenberg im achtzehnten Brief fort, immer nur von dem Gigantischen, von der Regellosigkeit und, wie er sich ausdrückt, von der bis zum Ekel verschrieenen Wildheit Shakespeare's zu sprechen, nicht blos Lear, Macbeth, Hamlet, Richard III, Romeo und Julie, Othello, sondern auch Richard II, Julius Cäsar, und Antonius und Cleopatra, ja selbst die sogenannten englischen Historien, die man durchaus nicht mit unseren plumpen Haupt- und Staatsaktionen auf gleiche Linie stellen dürfe, seien als ein „gewisses Ganzes“ zu betrachten, „das Anfang, Mittel und Ende, Verhältniß, Absichten, contrastirte Charaktere und contrastirte Gruppen habe“; aber straffer dramatischer Plan im Sinn und nach Maßgabe der Alten, feste Einheit der Handlung sei nur in den lustigen Weibern von Windsor und in der Komödie der Irrungen.

Kein Kundiger konnte sich über die Tragweite dieser Ansichten täuschen. Es handelte sich um eine Lebensfrage der höchsten Art. Shakespeare als größten neueren Dramatiker preisen und seine Dramen doch auf den schwankenden und gestaltlosen Begriff er= greifender Seelengemälde herabdrücken, ohne feste einheitliche dramatische Handlung, das hieß, die unerschütterlichsten Grundfesten. aller Dramatik erschüttern, das hieß, das Drama der Gegenwart in verderbliche Bahnen lenken.

Noch stand Lessing in vollster Kraft. Und Lessing hätte schweigen sollen? Er, der es in den Literaturbriefen als die eigenste Größe Shakespeare's gerühmt hatte, daß Shakespeare, so sonderbare und ihm eigene Wege er wähle, den Zweck der Tragödie fast immer, Corneille ihn fast niemals erreiche, daß Shakespeare in allem Wesentlichen, Corneille aber nur im Mechanischen dem Drama der Alten gleiche?

Lessing, wie alle großen Menschen fremde Verdienste gern an= erkénnend, war Gerstenberg freundlich gesinnt. Er kleidete seine Entgegnung in die mildeste Form. Aber wie es sich auf Gerstenberg bezieht, wenn er im fünfzehnten Stück der Dramaturgie sagt, man hätte von Wieland's Uebersetzungsfehlern kein solches Aufheben

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