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Zweiter Abschnitt.

Das Ideal der Humanität.

Erstes Kapitel.

1. Kant.

Es waren stolze Worte, mit welchen sich Kant als zweiund= zwanzigjähriger Jüngling in die deutsche Wissenschaft eingeführt hatte. Wer etwas erreichen wolle, sagte er in seiner ersten Schrift, müsse ein gewisses edles Vertrauen in seine Kräfte segen; solche Zuversicht belebe alle unsere Bemühungen und ertheile ihnen einen Schwung, der der Untersuchung der Wahrheit sehr förderlich sei. Er seinerseits habe sich die Bahn, welche er halten wolle, schon vorgezeichnet; er werde seinen Lauf antreten und nichts jolle ihn hindern, denselben fortzusehen.

Kant hat diese kühne Forderung an seine Zukunft großartig eingelöst.

Indem er die Herrschende Aufklärungsbildung über sich selbst aufklärte und die philosophischen Lehrmeinungen mit festem und scharfem Sinn zwang, ihm über ihre Herkunft und Daseinsberechtigung rückhaltslos Rede zu stehen, ist er der Begründer einer neuen Anschauungsweise geworden, die bis auf den heutigen Tag noch lebendig fortwirkt, ja deren unzerstörliche Triebkraft, wie Kant siegesgewiß voraussagte, sich erst in Jahrhunderten in ihrer vollen und ganzen Herrlichkeit entfalten wird.

Bisher war die Philosophie eine lediglich dogmatische gewesen; d. h. sie hatte, gleichviel unter welcher Gestalt sie auftrat, für ihre Behauptungen immer den Werth vollgiltiger Münze beansprucht, ohne jemals die Nothwendigkeit zu fühlen, daß das Organ der Philosophie, das menschliche Erkenntnißvermögen, vor Allem sich selbst erst über seine Brauchbarkeit und Zuverlässigkeit ausweisen müsse. Und auch Hume, welcher vor Kurzem die Menschheit aus dem dogmatischen Schlummer geweckt und der gedankenlosen Zuversicht in die Allgewalt des menschlichen Denkens die gewichtigsten Zweifel entgegengestellt hatte, war doch nur auf halbem Wege stehen geblieben; er hatte, nach Kant's Ausdruck, kein Licht in diese Art von Erkenntniß gebracht, sondern nur einen Funken geschlagen, bei welchem man wohl ein Licht hätte anzünden können, wenn er einen empfänglichen Zunder getroffen hätte. Die entscheidende That Kant's war, daß durch ihn die dogmatische Philosophie kritische Philosophie ward. Durch seine tiefgehenden Untersuchungen über die Quellen, den Umfang und die Grenzen der menschlichen Erkenntnißfähigkeit, wurde die philosophirende Vernunft eines großen Theils ihrer hochfliegenden und anmaßlichen Ansprüche entsegt und auf das bescheidenere, aber, richtig verstanden, der menschlichen Entwicklung nur um so förderlichere Maß ihrer wirklichen Machtverhältnisse zurückgeführt.

Schon früh hatten sich in Kant die Keime dieser großen That geregt. Die wuchtvollen Einwürfe Hume's hatten ihm in die tiefste Seele gegriffen. Schritt vor Schritt haben wir im zweiten Buche an der Hand seiner Jugendschriften verfolgt, wie rastlos und tief die Frage nach der Möglichkeit und dem Umfang des menschlichen Erkennens in ihm gährte und wühlte, und in wie heißem und ernstem Kampf er bestrebt war, nachdem er die kritiklose Vertrauensseligkeit der bisherigen Philosophie als eitel und haltlos erkannt hatte, nicht bei dem unbefriedigenden Zweifel stehen zu bleiben, sondern diesen selbst wieder zu überwinden. Namentlich die klassischen „Träume eines Geisterschers" (1766) geben von diesem unermüdlich und unerschrocken vordringenden Forschungseifer ein ebenso rührendes

wie durch ihre seine Ironie höchst anziehendes Zeugniß. Aber erst in der Kritik der reinen Vernunft", welche 1781 erschien, fanden diese weitgreifenden und langjährigen Untersuchungen ihren lezten Abschluß.

Der Zweck und das Ergebniß dieses gewaltigen Buches wird von Kant selbst einmal in einem Briefe an seinen Freund und Schüler Tieftrunk in einem einzigen Sag ausgesprochen. Dieser Saz (Werke, herausgegeben von Rosenkranz und Schubert, Bd. 11, S. . 186) lautet: „Gegenstände der Sinne können wir nie anders erkennen als blos, wie sie uns erscheinen, nicht nach dem, was sie an sich selbst sind; ingleichen übersinnliche Gegenstände sind für uns keine Gegenstände unseres theoretischen Erkenntnisses.“

Alle menschliche Erkenntnißfähigkeit einzig und allein auf die Grenzen der sinnlichen Erfahrungswelt einschränkend, ist diese Er= kenntnißlehre zugleich die kritische Prüfung und Vernichtung aller Lehren und Begriffe vom Uebersinnlichen, welche diese Grenzen unberechtigt überschreiten.

Eine größere Umwälzung war in der Geschichte des philosophischen Denkens noch niemals gesehen worden.

Wir haben die Aufgabe, dem Gang dieser kritischen Untersuchungen genau nachzugehen.

Lediglich aus dem Stande der damaligen Physiologie ist es zu erklären, daß grade die ersten grundlegenden Untersuchungen über die Quellen und Bedingungen des menschlichen Denkens am schwächsten, ja vor der heutigen Naturwissenschaft schlechterdings unhaltbar sind. Statt physiologischer Forschung nur ein verunglückter Vermittlungsversuch zwischen Locke und Leibniz. Wie bei Locke, so auch bei Kant die Unterscheidung zweier Erkenntnißstämme, der Sinnlichkeit einerseits und des die Sinneswahrnehmungen verarbeitenden Verstandes andererseits. Zugleich aber, um vor dem schreckhaften Einwurf Hume's, daß das denkende Verknüpfen der sinnlichen Einzeleindrücke nicht die Gewähr innerer Nothwendigkeit und bindender Allgemeinheit in sich trage, sondern nur ein willfürlich gewohnheitsmäßiges sei, einen rettenden Ausweg zu finden, das

Zurückgreifen auf die Leibniz'sche Annahme gewisser angeborener, uns ursprünglich innewohnender, von aller Erfahrung unabhängiger, sogenannter apriorischer Ideen und Denkformen. Mit einem wahrscheinlich von Kant selbst entlehnten Bild sagt Hippel in seinen Lebensläufen: wer kann Fische ohne Nez oder Hamen fangen? Als solche reine, apriorische, nicht in den Dingen, sondern nur in uns selbst liegende Anschauungsformen der Sinnlichkeit bezeichnet Kant Raum und Zeit; und ihnen sollen in gleicher Weise in unserer Verstandesthätigkeit die sogenannten Stammbegriffe oder Kategorien entsprechen, deren Kant nach Maßgabe der logischen Urtheilsformen zwölf aufzählt. Aber es ist eine durchaus unerwiesene, von Kant niemals näher untersuchte, in ihm nur aus Furcht vor Hume ent= standene Annahme, daß Nothwendigkeit und Allgemeinheit sich auf dem Boden der Erfahrung nicht gewinnen lassen, daß Erfahrung uns zwar jage, was sei, aber nicht, daß es nothwendigerweise so und nicht anders sein müsse. Und es ist ebenso wenig erwiesen, daß es solche ursprünglich angeborene Anschauungen und Denkformen gebe, daß nicht auch die Begriffe von Raum und Zeit und die sogenannten Kategorien sich erst erfahrungsmäßig in uns entwickeln, daß sie etwas anderes seien als die vom Hergang der Sinnes- und Denkthätigkeit abgezogenen Verallgemeinerungen des Thatsächlichen und Erfahrungsmäßigen.

Jedoch durch diesen zopfigen Unterbau wird die Festigkeit und mächtige Kühnheit des Baues selbst nicht beeinträchtigt. Kant verstand, um mit Herbart zu reden, auch mit schlechten Messern trefflich zu schneiden.

Die Hauptsäge, welche die Kritik der reinen Vernunft eröffnen. find: Vermittelst der Sinnlichkeit werden uns Gegenstände gegeben, sie allein liefern uns Anschauungen; alles Denken muß sich unmittelbar oder mittelbar zulezt auf Anschauungen, mithin bei uns auf Sinnlichkeit beziehen, weil uns auf andere Weise kein Gegenstand gegeben werden kann. Durch den Verstand aber werden diese Anschauungen gedacht, und von ihm entspringen Begriffe. Ohne Sinnlichkeit kein Gegenstand, ohne Verstand kein Denken.

Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.

Obgleich also Kant jogenannte apriorische Denkformen annimmt, wird er doch nicht müde, wiederholt und immer auf's nachdrücklichste einzuschärfen, daß nichtsdestoweniger, da der Gegenstand einem Begriff nicht anders als in der Anschauung gegeben werden könne, der Verstand mit seinen aprioristischen Grundsäßen immer nur auf einen rein erfahrungsmäßigen, empirischen Gebrauch angewiesen sei. Begriffe ohne empirische Anschauungen seien ohne Giltigkeit, seien ein bloßes Spiel der Einbildungskraft oder des Verstandes. Auch die Vorstellungen der Mathematik würden gar nichts bedeuten, könnten wir nicht immer an Erscheinungen, an empirischen Gegenständen ihre Bedeutung darlegen; und ebensowenig könne man die Kategorien verstehen, ohne sich sofort zu den Bedingungen der Sinnlichkeit herabzulassen. Kant schließt alle diese Erörterungen mit dem Sah, die wissenschaftliche Zergliederung des Verstandes habe demnach das wichtige Ergebniß, daß der Verstand, da dasjenige, was nicht Erscheinung sei, kein Gegenstand der Erfahrung sein könne, die Schranken der Sinnlichkeit, innerhalb deren uns allein Gegenstände gegeben würden, niemals überschreiten könne; der stolze Name einer Ontologie, welche sich anmaße, von Dingen überhaupt Erkenntnisse a priori in einer systematischen Doctrin zu geben, müsse dem bescheidenen einer bloßen Zergliederung des reinen Verstandes Platz machen (Kritik der reinen Vernunft. Werke 2, 204). Ein Denken aus reinen Begriffen giebt es nicht, sondern es giebt nur Erfahrungswissen. Das Denken ist gleich dem Riesen Antäus nur insoweit seiner Kraft gewiß, als es mit den Füßen die Mutter Erde berührt.

Und ferner: Ist das Denken schlechterdings nichts anderes als die zusammenfassende Gestaltung und Durchdringung unserer Sinneseindrücke, so folgt, daß auch dieses Erfahrungswissen, als ganz und gar von der Beschaffenheit unserer Sinne abhängig, in sich selbst wieder ein sehr beschränktes und unzulängliches ist. An unsere Sinne gebunden, erkennen wir die Dinge nur, wie sie uns kraft

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