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Unbedenklich sagen wir: nein, wir dürfen, wir sollen es nicht. Die evangelische Kirche hat nie eine neue, sie hat nur die alte gereinigte christliche Kirche seyn wollen, Und selbst die reformirte, welche anfangs, um das ReinBiblische herzustellen, den historischen Bestand über den Haufen geworfen hatte, selbst sie ist, zumal in deutschen Landen, zu der Einsicht gekommen, daß der von ihr eingeschlas gene Weg nicht zum wahren Ziele führe, und hat mit der Zeit viel von dem Abgeworfenen wieder aufgenommen. Nicht, von der kirchlichen Entwickelung und historischen Ueberlieferung sich loszusagen, ist Sinn und Wille der evan= gelischen Kirche, sondern das will sie: den unnüßen, störenden Ballast, welcher sich mit der Zeit angehängt hat, ab= thun und das unwahre, Falsche, welches mit der Zeit eingedrungen ist, tilgen und so die Kirche in ihrer apostolis schen Lauterkeit, obwohl mit bestimmterer, reicherer Ausgestaltung, wieder herstellen.

Hieraus ergeben sich uns die richtigen Grundsåße für die Erneuerung und Fortbildung unseres Gottesdienstes.

Fürs Erste ist das klar: wir dürfen nicht nach seibstgemachten Ideen und Schematen verfahren wollen. Die Kirche ist ja nicht ein bloßes Gedankending, sondern eine historische Wirklichkeit, ein großes Gemeinleben, welches seine geschichtlichen Anfänge und Fortgånge hat.

Fürs Zweite kann es jedoch nicht genügen, an dem ge= genwärtigen Bestande unseres Gottesdienstes nur da und dort einen Mangel beseitigen oder eine Verbesserung anbringen zu wollen. Wir haben ja gesehen, wie dieser Bestand nicht etwa ein im Wesentlichen richtiger und nur, wie alles Menschliche, mit einzelnen Mångeln behafteter sey, sondern wie eigentlich unter dem Einfluß theils negativer Unionstendenzen, theils kirchlicher Erschlaffung in eine falsche Bahn eingelenkt worden. Da können ein paar Verbesserungen wenig helfen, am wenigsten

wird ein klares, harmonisches Ganzes auf diesem Wege zu Stande kommen, Sondern da gilt es, der evangelischen Principien sich wieder bewußt zu werden und aus ihnen heraus einen Gottesdienst zu gestalten, worin die Wahrheit, Kraft und Fülle unseres evangelischen Glaubens, nicht seine Abschwachung, Entleerung und Entartung, ihren Ausdruck

hat.

Aber auch dadurch würden wir, fürs Dritte, unsern Zweck nicht erreichen, daß wir, auf das ReformationsJahrhundert zurückgehend, den damals bestandenen Gottesdienst unverändert für jeşt restauriren wollten. Denn die Reformation hat die Idee des evangelischen Gottesdienstes noch keineswegs zur vollen Verwirklichung gebracht. Es war dieß nicht die Aufgabe jener Zeit. Damals galt es, nur erst das evangelische Centrum festzustellen, nur erst wieder die reine Lehre des Evange= liums auf den Leuchter zu stecken und bei seinem Lichte die schreiendsten Mißbräuche zu beseitigen. Im Uebrigen traf man vorläufig, wie in Verfassung, so im Cultus (man lese Luther's Worte zur „deutschen Messe"), die nöthig= sten Einrichtungen, um für die dringendsten Bedürfnisse des kirchlichen Lebens eine wohnbare Hütte zu haben. Aber der gründlichere Ausbau blieb den folgenden Zeiten vorbehalten. Selbst die Idee des christlichen Gottesdienstes hat die evangelische Kirche zunächst nur im Gegensatz gegen den katholischen Irrthum aufgefaßt, wenn sie der katholischen Werkverdienstlichkeit des Gottesdienstes den Zweck der geistlichen Volkserziehung und fpåter den der Erbauung gegenüberstellte. Denn so berechtigt und nothwendig diese Entgegenstellung ist, so ist damit doch nur ein secundăres Moment und noch nicht die innerste Bedeutung des Gottesdienstes ausgesprochen, wie wir in unserm theoretischen Theile gezeigt haben. Was aber die Ausführung anlangt, so ist, wie aus unserer geschichtlichen Darlegung erhellt, die lutherische Kirche ohne wirklich festes Princip, die reformirte

nach unhistorischen, abstracten Principien verfahren, die uni renden Richtungen aber haben beides, principlos gemengt und nach schiefen Principien geändert.

Eben so wenig aber wäre es endlich auch der richtige Weg, wenn wir, noch weiter zurückgehend, entweder den Gottesdienst der alten Kirche oder selbst den der apostolischen 3eit für unsere Zeit wieder herstellen wollten. Denn was jenen anlangt: so große Vorzüge er nach vielen Seiten hat, so ist doch seine Gestalt in mannichfacher Weise zu sehr durch die damaligen kirchlichen Verhältnisse und Volkseigenthümlichkeiten bedingt, als daß er unserer Zeit, welche andere Bedürfnisse und eine andere Aufgabe hat, völlig entsprechen könnte. Was aber das Andere, die Wiederherstellung des Gottesdienstes der apostolischen Zeit, betrifft, so wäre dieselbe einmal gar nicht möglich, weil wir uns kein vollständig klares Bild von dem damaligen gottesdienstlichen Bestande zu machen im Stande sind, und die reformirte Kirche ist im Irrthum, wenn sie meint, ihr Gottesdienst sey eine getreue Wiederherstellung des zur apostolischen Zeit bestandenen. Sodann aber wáre es auch ein verfehltes Thun, theils weil derselbe ebenfalls gar vielfach durch die damaligen ganz anderen Verhältnisse der Zeit, der Dertlichkeit und Volksthümlichkeit bedingt war, theils und insonderheit aber, weil es eben überhaupt zunächst bloß Keime waren, welche ihrer Entfaltung, Anfånge, welche ihrer Fortbildung warteten.

Das wahre evangelische Verfahren ist vielmehr dieses:

1) daß wir uns in den lebendigen Zusammenhang mit der ganzen geschichtlichen Entwickelung des christlichen Cultus von Anfang an bis zur Reformation und von da bis auf unsere Zeiten stellen; denn die Kirche ist ein Baum des Heilslebens, welcher durch die ganze Geschichte hin sein Wachsthum entfaltet, Blüthen treibend und Früchte bringend; und

2) daß wir aber auch an diese ganze Entwickelung den Maßstab des Wortes Gottes im Evangelium anlegen;

denn die Kirche ist ein Baum, welcher wurzelnd emporwächst und seinen Lebenssaft zieht aus dem Heile, das uns Christus erworben hat.

Aus der apostolischen Zeit lernen wir die Idee und keimliche Urgestalt des christlichen Gottesdienstes kennen. Diese Grundgedanken und Grundformen desselben für unsere evangelische Kirche festzuhalten und, so weit etwa davon abgewichen worden, dahin wieder einzulenken, muß unser erstes Bestreben seyn. Die folgende Entwickelung sodann in der alten, griechischen und römischen Kirche zeigt uns, wie jene Keime sich entfalteten, wie aber auch eine Ueberwucherung der Formen Plah griff und mannichfacher Irrthum sich ansette. Jene Entwickelung der Keime, so weit sie gesund und wesentlich ist, ist von uns aufzunehmen, diese Auswüchse in Form und Inhalt aber find auszuscheiden. Die Reformation sodann gibt uns die evangelischen Principien an die Hand, wornach solches zu geschehen habe. Von diesen sollen wir uns leiten lasfen. Zugleich aber ist von uns darauf zu achten, wie die evangelische Kirche damals selbst den Maßstab des Wortes Gottes an den überlieferten Bestand zur Tilgung des FalschChriftlichen wirklich angelegt und den Gottesdienst in eigenthümlicher Weise fortgebildet hat, — so jedoch, daß wir da, wo die evangelischen Principien von ihr falsch oder einseitig angewandt worden, uns dadurch nicht als gebunden an= sehen dürfen. Von der Entwickelung unserer Kirche bis in die Gegenwart endlich haben wir zu lernen, welche Seiten des gottesdienstlichen Lebens vorzugsweise in der Indis vidualität unserer Kirche und unseres Volksthums wurzeln; und ihnen müssen wir auch forthin neben der Wiederaufnahme weggeworfener Güter treue Pflege angedeihen lassen.

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Es sind mithin bei Erneuerung und Fortbildung des Gottesdienstes drei Momente zugleich zu berücksichtiTheol. Stud. Jahrg. 1854.

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gen: das biblische, historische und individuelle. Die Fortbildung muß erstlich geschehen in Einheit mit den biblischen Principien wie des Heils, so speciell des christlichen Gottesdienstes; sie muß fürs Zweite die geschichtlich herausgebildeten Formen des christlichen Gottesdienstes, so weit sie wesentliche Bedeutung haben und im Einklang mit der Schrift stehen, aufnehmen und fortführen; sie muß aber drittens auch nach der Eigenthümlichkeit wie der evangelischen Kirche überhaupt, so speciell des deutschen Wesens und unserer Zeit, ja, wo sich das Bedürfniß in Bezug auf Einzelnes klar herausstellt, selbst nach der Eigenthümlichkeit unseres engeren Vaterlandes geschehen.

Indem wir nun zur Anwendung dieser Grundfåße fortgehen und unsern Blick zuerst auf den wesent lichen Inhalt des christlichen Gottesdienstes richten, so sehen wir durch die ganze Geschichte desselben die Idee sich hindurchziehen und nach Verwirklichung ringen, daß die gottesdienstliche Feier sich nicht in der bloßen Verkündigung des Wortes abschließe, sondern ihren eigentlichen Ziel und Höhepunct im Sacrament, im heiligen Abendmahl habe. In der apostolischen Zeit finden wir es darin angedeutet, ja klar genug bereits ausgesprochen, daß der Morgenversammlung zu Gebet und Betrachtung des Wortes eine abendliche Gemeinschaft beim Brodbrechen entsprach und jener ihren Abschluß, ihre höhere Weihe gab. Die alte Kirche hat diese tief-christliche Idee zur vollen Darstellung gebracht in der Vereinigung der Katechumenen- und Glåubigen-Messe zu Einem gottesdienstlichen Ganzen, worin sich Wort und Sacrament in lebendiger Wechselbeziehung und Ergänzung folgen. In der griechischen und römischen Kirche ist diese Sitte festgehalten worden, obwohl nicht ohne Umdeutung des Begriffes vom Abendmahl und ohne Hinausdrångung der Verkündigung des Wortes aus dem Hauptgottesdienste. Die lutherische Kirche, der christlichen Tradition folgend, hat die alte christliche Sitte der Vereinigung

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