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noch daß allen einzelnen Ausschnitten der Gemeinde, die deren bedürfen, jene gesonderte Pflege zu Theil geworden sey. Ja es ist vielleicht erlaubt, gerade das als einen Mangel in der bisherigen Thätigkeitsrichtung der innern Mission zu bezeich= nen, daß sie sich fast ausschließlich den unteren Lebensstufen und den niederen Schichten der Gesellschaft zugewendet, für die Evangelisirung der höheren Claffen dagegen noch wenig gethan, ja diese Aufgabe noch kaum auch nur in eine umfassendere Erwägung gezogen hat. Es versteht sich nun zwar von selbst, daß hiermit gegen Bestrebungen von so jungem Datum kein Vorwurf ausgesprochen werden soll. Wohl aber möchte es an der Zeit seyn, darauf aufmerksam zu machen, daß, wenn die missionirende Thätigkeit nicht alle Ausschnitte der Gemeinde zu gleicher Zeit in Angriff zu nehmen vermag, sondern nur einen nach dem andern, unter diesen Umständen die innere Mission der protestan= tischen Kirche weit bestimmter auf die gebildeten Classen der Gesellschaft hingewiesen ist, als sie bisher geglaubt hat, und als die innere Mission der römischen Kirche. Wir sehen die neuerdings aller Orten vor unsere Augen getretene Jesuitenmission überall an die großen Massen sich wenden, auf einen Effect unter den Massen abzielen. Es liegt offener als jemals in diesem Augenblick am Tage, daß das nicht darum geschieht, weil eine Seele aus dem großen Haufen gerade eben so viel werth ist, als eine Seele aus der gebildeten Gesellschaft, sondern es geschieht, weil die Massenbeherrschung der Schwerpunct des ganzen römischen Kirchensystems ist. Es gilt vor Allem, die Massen zum Gehorsam des Glaubens oder richtiger zum Glauben des Gehorsams zurückzuführen, um mit der Gläubigkeit dieser Massen dem Unglauben imponiren, derselben jede beliebige Richtung geben, ja sie nöthigenfalls zu jenem Grade von Gährung steigern zu können, der nicht nur ihre Seelen, sondern auch ihre Leiber, ihre Fäuste, unbedingt zur Disposition der Hierarchie zu stellen geeignet ist und dieser die

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Möglichkeit verstattet, an der Spige der Massen gegen Alle, welche es ihr gefällt, als Feinde der Kirche zu bezeichnen, eine drohende Frontstellung einzunehmen. Daß dem Pro\testantismus ein solches Verhältniß zu den Massen nicht eigen ist, bedarf keines weitern Beweises; auch nicht, daß es sich für ihn handelt um den wirklichen Gehorsam des Glau bens, nicht um den Glauben des Gehorsams. Eben darum aber, weil der protestantische Glaubensbegriff nicht den todten Gehorsam gegen die kirchliche Autorität, sondern die gewisse Erkenntniß" und das herzliche Vertrauen" auf Jesum Christum zu seinem Inhalt hat, darf er diesen Glauben nicht erzwingen, sondern kann ihn nur organisch erzeu gen lassen wollen durch die Wirkung des heiligen Geistes. Der heilige Geist aber wirkt zwar frei durch alle Classen der Gesellschaft hindurch, aber er nimmt zugleich die Classen, welche dazu am meisten vorbereitet, geeigenschaftet und durch ihre Stellung berufen sind, gern als die ersten in seinen Dienst zur Erweckung und freien Leitung der übrigen. In dieser Beziehung aber sollten, wie mir dünkt, gerade wir deutsche Protestanten einen geschichtlichen Fingers zeig nicht außer Acht lassen. So lebhaft nämlich der Antheil war, den im sechzehnten Jahrhundert Fürsten und Adel an der reformatorischen Bewegung nahmen, und so rasch und innig sich auch der gemeine Mann mit den evangelischen Ideen durchdrang, so ist doch bekanntlich der eigentliche Herd des protestantischen Glaubens und Kirchenthums weder in den obersten Spigen, noch in den unteren Schichten der damaligen bürgerlichen Gesellschaft zu suchen. Nicht nur die ersten Impulse zu jener Bewegung gingen von den mittleren Ständen, den städtischen Lebenskreisen, aus, sondern diese stellten sich auch allenthalben am frühesten und entschiedensten auf die Seite der Reformatoren und blieben fortdauernd die vornehmsten Tråger und Pfleger des neu ans Licht gestellten evangelischen Princips. Erst von hier aus theilte sich der Strom der evangelischen Ideen Theol. Stud. Jahrg. 1854.

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688 Hundesh., Weg z. Chr.— Nat. 2c. d. Humanitätsidee.

den anderen Ständen, den oberen wie den unteren, mit; von hier aus empfingen jene Ideen fortan ihre Entwickelung und Gestaltung. Es ist nun meine entschiedene Ueberzeugung, daß noch immer, wenigstens in Deutschland, der Protestantismus in dieser Region seinen eigentlichen Mittelpunct besit. Aber auch wer dieß leugnen oder weniger unbedingt behaupten wollte, wird in jedem Falle die Thatsache anerkennen müssen, daß noch bis auf diesen Tag in allen Dingen, welche das tiefere geistige Leben berühren, derselbe Mittelstand den übrigen Theilen der Nation ihre Richtung vorzeichnet. Man darf daher auch für jede verkehrte Richtung, welche die Nation einschlägt, ihn verantwortlich machen. Aber dafür ihn "hassen, in dem Grade haffen wie er gegenwärtig von manchen Seiten gehaßt wird, das darf man nicht. Denn der Haß ist ein schlechter Arzt, und doch handelt es sich um Heilung hier, wo der Hauptsitz der Ideenerzeugung, hier, wo der fruchtbarste Boden ist für jede Art von Ideenempfang. Was hier produ cirt, empfangen und verarbeitet worden ist, das dringt in feinen Resultaten vor nach oben, das theilt sich im mannichfaltigsten Niederschlag auch den unteren Classen mit, und darum auch die Kräfte der Heilung für das Ganze. Der sogenannte gebildete Mittelstand ist für das geistige Leben Deutschlands die eigentliche Schicksalsregion, und zwar im weitesten Umfange. Also für ihn die Hand an den Pflug! Hundeshagen.

2.

Petrus Paulus Vergerius, päpstlicher Nuntius, katholi= scher Bischof und Vorkämpfer des Evangeliums in einer Person. Mit XLIV Originalurkunden aus dem geheimen Archive zu Königsberg. Von Christian Heinrich Sirt, Pfarrer, d. 3. zu Nürnberg.

Unter diesem Titel wird in Kurzem eine reformationsge= schichtliche Monographie erscheinen, welche der Verfasser hiermit der wohlwollenden Beachtung des theologischen Publicums empfehlen möchte. Ohne zu befürchten, daß man feine Absicht mißverstehen könnte, schlägt er diesen Weg einer vorläufigen Ankündigung ein, da ihm im Interesse der Sache daran gelegen seyn muß, daß nicht bloß die gelehrten Forscher, welchen er durch seinen bescheidenen geschichtlichen Versuch als Handlanger zu dienen wünscht, sondern überhaupt alle diejenigen, welche ein Herz für die Geschichte der Reformation haben, auch die Gebildeten in der Gemeine, das Leben eines Mannes, welcher zu den kühnsten und feurigsten Geistern des sechzehnten Jahrhunderts gehört hat, nicht unberücksichtigt lassen mögen.

Unsere Kirche hat nur einen Vergerius gehabt, Vor seinem Uebertritt zu derselben von zwei Päpsten, Clemens VII. und Paul III., mit den wichtigsten Missionen betraut, hat er, um der Gemeinschaft am Evangelium theilhaftig zu werden, den Rang eines römischen Prälaten, die Ehren eines päpstlichen Nuntius, die Mitra eines katholischen Bischofs und vielleicht sogar die Anwartschaft auf den Purpur mit dem ungewissen Schicksale eines Erulanten vertauscht: eine Thatsache, die bis jetzt einzig in ihrer Art geblieben ist und feiner Zeit die größte Sensation in ganz Europa erregt hat.

Gleichwohl ist der Lebensgang und die Geistesentwicke lung dieses eminenten Mannes keineswegs schon so aufge=

hellt, als es im Interesse der evangelischen Wahrheit, deren Triumphe nicht verborgen bleiben dürfen, zu wünschen wäre. Jedermann weiß von ihm, Wenige kennen ihn. Denn nicht leicht sind über eine hervorragende Persönlichkeit so wunderliche und ungerechte Urtheile gefällt worden, als über Vergerius. Und zwar ist es nicht etwa bloß die katholische Geschichtschreibung, welche in dieser Weise von ihm Notiz genommen hat, sondern man hat auch von protestantischer Seite Manches ohne Prüfung hingenommen und nachgesprochen, wovon man hätte wissen sollen, daß es jeglicher Begründung entbehre. Selbst der ehrwürdige Seckendorf wiederholt die, wenn man genauer zusieht, in Nichts zerfallende Beschuldigung: „,Versatile ingenium Vergerio tribuitur, nec suspicione caruit, quod conciliationem religionis quovis modo moliretur et tandem ad vetera sacra redire cogitaret" a), eine Anklage, vor welcher ihn schon das Zeugniß der Beständigkeit håtte schüßen sollen, das ihm der lutherische Theologe Jakob Andrea in seiner Gedächtnißrede gegeben hat.

Andererseits kann man sich freilich auch nicht darüber wundern, daß dieser Mann so wenig verstanden worden ist; denn es ist allerdings sehr erschwert, sich ein selbständiges Urtheil über ihn zu bilden. Wer nicht wenigstens seine bedeutendsten Schriften gelesen hat, der kann ihn nicht kennen; denn sie sind es, in welchen sich seine scharf ausgeprägte Individualitat am treuesten abspiegelt. Aber gerade sie sind so außerordentlich selten, daß vielleicht nur die Wenigsten eine oder die andere von denselben jemals werden in Händen gehabt haben. On ne rencontre", sagt Bayle,,,presque aucun ouvrage de Vergerio dans le catalogue des plus nombreuses bibliothèques" b); ja schon Seckendorf (a. a. D.) klagt:,,Scripta Vergerii

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a) Hist. Luth. Lib. III. sect. 33. §. CXXIX. b) Dictionnaire (art. Verger. not. F.).

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