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ten, welches ohne gegen das Neue sich zu verschließen, eine größere Achtung vor dem Bestehenden und durch die Ers fahrung Bewährten vor uns voraus hat. Diesen Nußen soll der vorliegenden Darstellung die Berücksichtigung von Wiese's Briefen über die englische Erziehung bringen; und wie diese interessante Schrift auch sonst schon in theologischen Zeitschriften besprochen worden ist, so werden auch diese Zeilen hoffentlich durch sich selbst ihre Berechtigung nachweisen, unter theologischen Studien eine Stelle zu suchen; denn das Bewußseyn der neuesten Pädagogik von der Nothwendigkeit der Berücksichtigung 'des thatsächlich Gege= benen und insbesondere der unumgänglichen geschichtlichen Voraussetzungen ist zugleich ein Bewußtseyn von ihrer nahen Verwandtschaft mit der christlichen Theologie.

Die Einseitigkeit und Schwäche der zu Ende des vorigen Jahrhunderts aufgetretenen pädagogischen Bewegung bestånde also darin, daß sie, von der Begierde nach Verwirklichung ihrer neuen Principien getrieben, die besonnene Beachtung des Gegebenen verschmähte; ihre Stärke und ihr Verdienst dagegen beruht in der energischen Verkündigung des Grundsages, daß, unabhängig von aller pádagogischen Tradition, naturgemäß und nicht nach alter Gewohnheit, sondern nach bestimmter Methode und in allezeit klarem Bewußtseyn der Grundsäße derselben zu erziehen sey. Gewiß ein vortrefflicher Grundfah, durch welchen in der That, um mit Pestalozzi zu reden, Kopf und Herz von Hunderten für eine solide Begründung des Erziehungsgeschäftes in Bewegung gefeßt und der Anstoß zur Begründung einer pådagogischen Wissenschaft erst gegeben worden ist. Was ist aber natur gemäß? Bei der bestimmten Art und Weise, wie jene Pådagogen diese Frage beantworteten, wirkte eben ihre Schwä che, ihr Mangel an Aufmerksamkeit und ruhig beobachtendem Sinne für das thatsächlich Gegebene nachtheilig ein, und eben darum hat die fortschreitende Entwickelung der

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Pädagogik der Natur der Sache gemäß auf eine Umgestaltung dessen hingedrångt, was sie als naturgemäße Erziehung bezeichnet hatten. Rousseau, der lauteste Verkün der der naturgemäßen Erziehung, suchte, nachdem er seinen Zögling vollkommen naturwidrig von der menschlichen Gefellschaft ganz losgerissen hatte, die Natur des Menschen lediglich in dem Streben des isolirten Individuums nach finnlichem Wohlergehen. Basedow führte zwar den Zögling wieder in die Gesellschaft zurück, behielt aber die einseitige Richtung auf das materiell Nüßliche bei: das Streben nach dem, was das sinnliche Wohlseyn des Einzelnen und der Gesellschaft fördert, das war ihm das Naturgemäße, wie denn Campe, die aus Basedow's Schule hervorgegangene furchtbare Waschfrau“, das große Wort gelassen aussprechen konnte, daß der Erfinder einer brauchbaren Spinnmaschine ein größerer Mann sey, als der Dichter der Ilias und Odyssee. Dieser egoistischen Pädagogik seiner Vorgänger war Pestalozzi mit seinem großen, wärmen Herzen freilich nicht fähig; er suchte die wahre Natur des Menschen nicht in sinnlicher Selbstsucht, sondern in einem Idealmenschen, welchen die Erziehung durch Geltendmachung des göttlichen Geseßes in dem Zöglinge hervorbilden sollte, und wenn er fordert, daß der Unterricht von der unmittel baren Anschauung ausgehe, so beweist dieß, daß er auch nicht gemeint war, die Kinder vor Allem zu jener berechnenden Verständigkeit zu erziehen, auf welche die pådagogischen Nüglichkeitstheorien Rousseau's und Basedow's nothwendig hinführten. Die Art aber, wie er bei seinem Anschauungsunterrichte das Kind mit der Betrachtung des eignen Leibes beginnen ließ, wie er die lebendigen Anschauungen sofort als Grundlage verständiger Reflexion vers wendete und sie in die abstracten Begriffe von Wort, Form und Zahl einzwångte, zeigt, daß er seine eigene, so stark be: tonte Forderung, die Grundsätze der Erziehung nicht zu machen, sondern sie der kindlichen Natur abzulauschen, selbst

nicht gehörig befolgt, sondern der kindlichen Natur allzu sehr die des gereiften männlichen Geistes substituirte, und so wird man auch ihm nicht Unrecht thun, wenn man sagt, daß jene Pädagogen die naturgemäße På dago= gik in der Bemühung fanden, die Zöglinge als vereinzelte Individuen zu verständiger Betrachtung und Benukung des sinnlich Wahrnehmbaren zu erziehen. Aus dieser allgemeinen Richtung gingen nun die folgenden einzelnen Erscheinungen hervor.

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Zunächst ein einseitiger Intellectualismus beim Unterrichte. Zwar hatte Rousseau verlangt, daß die Belehrung des Kindes an dessen sinnlich wahrnehmbarer nächster Umgebung anknüpfe; Basedow hatte in seinem Elementarwerke, dem Führer einer ganzen Legion von Bilderbüchern, seinen ganzen Unterricht auf die Bilder gegründet, welche er der Betrachtung der Kinder darbot, und durch Pestalozzi ist Anschauungsunterricht" das didaktische Lofungswort geworden. Aber troß alle dem ließ man die unmittelbare Anschauung des Kindes nicht unbefangen genug walten; an den Eingang zum kindlichen Geiste wurde der reflectirende Verstand als ein mákelnder Grenzwächter ge= sezt; nur was er bis ins Kleinste untersucht hatte, sollte hinein, nur was er begreifen konnte, follte darin bleiben; ob es weitern Werth habe für des Menschen Wesen und Wirken, darnach wurde nicht gefragt. Hiermit war nun eine Forderung aufgestellt, welcher einerseits der kindliche Geist nicht genügen konnte, und bei welcher doch andererseits auch die Bemühung der Lehrer sich nicht begnügen follte. Das Kind kann ihr nicht genügen, weil es eben der verständigen Reflexion des månnlich gereiften Geistes noch nicht fähig ist. Der Unterricht thut in formeller Beziehung an ihm seine Pflicht, wenn er seine geistige Kraft nur übt, und diese wird geübt, wenn seine zerstreute Aufmerksamkeit genöthigt wird, an einem bestimmten Gegens

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stande zu haften, sein Gedächtniß angehalten, das durch unmittelbare Anschauung Aufgenommene festzuhalten. Dabei genügt es, um den Unterricht vor äußerem Gedächtnißwerke zu bewahren, wenn das Kind nur von der festzuhaltenden Thatsache selbst eine bestimmte Vorstellung sich machen und sie sich somit innerlich aneignen kann; diese Thatsache in ihrem Grunde und im inneren Zusammenhange ihrer einzelnen Momente zu begreifen, das ist über die kindliche Kraft. So würde es freilich nicht passend seyn, ein acht- bis zehnjähriges Kind etwa die „Sprüche des Confucius von Schiller auswendig lernen zu lassen; es wäre das für den kindlichen Geist ein vollkommen todtes Pfund; dagegen würde ihn das Mädchen aus der Fremde" sehr wohl beschäftigen und anregen, wenn er auch noch nicht im Stande ist, die volle Bedeutung dieses Gedichtes zu begreifen. Ebenso wäre es reines Lippenwerk, wenn ein solches Kind den Bibelspruch auffagte": ,,Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort"; an dem schönen paulinischen Ausspryche aber: Ich lebe, aber doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir", könnte auch der kindliche Geist schon innigen Antheil nehmen, obwohl die Erfahrungen eines ganzen gottses ligen Lebens nicht ausreichen, um dieses Wort in seiner ganzen Tiefe zu erschöpfen. Gerade dadurch, daß auf diese Weise das Gelernte,,neben dem Verständlichen einen stachelnden Zusatz von noch nicht verständlichen Dingen enthalt", wird es für den kindlichen Geist ein wahrhaft leben= diges Eigenthum, welches das Nachdenken fortwährend beschäftigt und immer aufs Neue reizt, auch in das zuerst mehr nur außerlich Aufgenommene eine immer tiefere Einficht selbständig zu erwerben. Wo dagegen der Lehrer in die unbefangene Anschauung des Kindes gleich seine verständige Reflexion mischt und bei weiterer Betrachtung des Gegenstandes das Nachdenken der Kinder nach seinen bestimmten Absichten leitet, ihnen gleichsam vordenkt, da wird

die Eigenthümlichkeit der Auffassung gestört, und was man zu Stande bringen will, die Selbständigkeit des Denkens, kommt gerade nicht zu Stande; die verständigen Reflerionen, zu deren Aeußerung das Kind angehalten wird, die aber doch einmal über seine Spháre hinaus sind, sind eben darum gar häufig nur nachgesprochen, nicht einmal dem Lehrer nachgedacht, geschweige selbständig gefunden, abge= sehen davon, daß einmal diese Erziehung zu verfrühtem Aburtheilen über Dinge, deren eigentliches Wesen denn doch so gar offen nicht vor Augen liegt, überhaupt zu einer oberflächlichen Betrachtungsweise verleitet, welche jedes tiefere Eingehen scheut, ja hochmüthig sich darüber hinwegseht, getreu jener Eigenthümlichkeit, die Lichtenberg der deutschen Jugend vorzugsweise beilegt und wornach diese die Nase eher rümpfen als pugen lernt, und daß ferner der Zögling, dem die Einbildung beigebracht wird, es brauche Alles nur aus seinem Geiste entwickelt zu werden, die gehörige Achtung für das objectiv Gegebene nothwendig verlieren muß. An der naiven Oberflächlichkeit und Gedankenlosigkeit, mit welcher das große Publicum der Gegen= wart über tiefer gehende Fragen abzusprechen gewohnt ist, haben die gründliche Sokratik“ und die,,Denkübungen" der neueren Pädagogik sicher einen nicht geringen Antheil.

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Die Verirrungen eines einseitigen Intellectualismus, welche im Vorhergehenden im Allgemeinen charakterisirt worden find, sind besonders deutlich hervorgetreten bei der Behandlung zweier Unterrichtsgegenstände, der Muttersprache und der Religion. Man hat den Zöglingen der Volksschule eine ins Einzelne eingehende Theorie des einfachen und zusammengesetten Sazes und die Regeln über die da mit zusammenhängenden Modificationen der Redetheile in Declination und Conjugation vorgetragen, und zwar nicht bloß, um den vorhandenen Sprachstoff zu verstehen, sondern um nach solchen rein formellen Recepten den Sprach= stoff selbst erst zu construiren; man hat ihnen und noch

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