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deln. Nach Fichte ist das erste Grundlaster, das eigentliche radicale Böse, die Trägheit, die der Endlichkeit, als solchen, anhaftet, ein Begriff, der sich in alter und neuer Philosophie vorfindet, und bei Fichte gerade wie bei Leibniz (§. 119). Das zweite Fichte'sche Grundlaster ist die Feigþeit; das dritte die Falschheit 1). Im Gegensaß von ihnen wären Fichte'sche Cardinaltugenden: Rüstigkeit, Muth, Wahrhaftigkeit. Erschöpfen diese Tugenden, als Allgemeinbegriffe, den Begriff des Sittlich - Guten? Lassen sie sich, schlechthin und ohne Weiteres, mit Beifall bezeichnen? Wer wollte die Rüstigkeit geradezu billigen? Vielmehr giebt es eine zweckmäßige und unzweckmäßige, eine passende und unpassende Rüstigkeit: es kommt auf die Verhältnisse und auf das Urtheil an, welches durch fie geweckt wird. Dasselbe gilt vom Muth, der ein besonnener und unbesonnener, ein zeitgemäßer und unzeitiger sein kann. Nicht weniger von der Wahrhaftigkeit. Oder ist ein Staat nicht berechtigt, Zurückhaltung von seinem Gesandten an einem fremden Ort zu fodern? Ist Wahrheit niemals in Gefahr, falsch verstanden zu werden und schief zu wirken? Sind Welt- und Lebensklugheit nicht unentbehrliche Dienerinnen eines ächt fittlichen Handelns? Ist der Mensch seiner Weisheit überall und unter allen Umständen so gewiß, daß er sie als ein untrügliches Heiligthum aller Welt aufdrängen dürfte? Auf der andern Seite wird Niemand, der einen Begriff vom Eittlich-Guten þat, unternehmen, der Trägheit, Feigheit und Lüge das Wort zu reden. Aber wie schwer ist es, nicht in Allgemeinbegriffen, sondern für einzelne, individuell gegebene Fälle, auf welche es dem fittlichen Menschen zulet allein ankommt, baare Trägheit, baare Feigheit, baare Lüge, herauszusondern und wie's dann nicht anders sein kann, schlechthin zu verwerfen. Beharrlichkeit, Regelmäßigkeit, Ordnung, die sein müssen, können leicht als Trägheit und bloße Gewöhnung erscheinen; völlige Unmöglichkeit, durch Widerstand irgendetwas auszurichten, oder wenn sonst eine fittliche Weisung ein gewisses Handeln verbietet, wird wol als Feigheit gedeutet; Zweifel an der Untrüglichkeit einer Lehre, nöthige Rücksicht für die öffentliche Gefittung und Denkweise,

Nespect vor der persönlichen Überzeugung eines Anderen, die nicht schonungslos darf umgestoßen werden, eigene Ungewißheit, oder auch der Vorsah, nicht zudringlich sein zu wollen, und dergl., dürften bald, in oberflächlicher Ansicht, für Falschheit gelten. Aus Allem geht hervor, daß ohne Verhältnisse zu beachten, ohne den Blick auf bestimmt vorgelegte Berhältnisse zu richten, über Moral nur in's Ungewisse hin gesprochen wird. Die Moral müßte, in Betreff des öffentlichen Urtheils, von der äußersten Unsicherheit gedrückt werden, wenn nicht die wichtigsten sittlichen Verhältnisse so evident, so allgemein und häufig wiederkehrend, so ausgearbeitet durch den öffentlichen Gebrauch wären, daß, wer sie anders nimmt und beurtheilt, auf absolute Verwerfung gefaßt sein kann.

1) Sitt. L. S. 260 fl.

§. 222. Obgleich bei Fichte sowohl der Freiheitsbe= griff als der Begriff des Sittengesehes im Dunkeln liegen geblieben (S. 204 fl.), so kann und soll darum nicht in Abrede gestellt werden, daß sich in Fichte's Sittenlehre eine tüchtige moralische Gesinnung ausspreche. Mit dem Sittlichen verhält es sich, wie mit der Kunst: es läßt sich von solchen, die dafür innig gestimmt find, leichter ein Handeln abbilden, als treffend in Begriffen lehren. So auch bei Fichte. Hier ist nur von der Moral als Wissenschaft die Rede. Weil es der Fichte'schen Sittenlehre an wissenschaftlich giltigen Principien gebricht, so trägt sie, wie gesund und kräftig sie ist, ein durchweg individuelles Gepräge, an welchem sogar der Einfluß der Zeitumstände, unter denen sie sich bildete, schwer zu verkennen sein möchte. Die Wissenschaft will sichere Begriffe und Grundsäße, in deren Ermangelung jeder vermeintliche Fortschritt nur ein Weiterschwanken ist, das wol am Ende schlimme Erzeugnisse abseßen kann.

Drittes Capitel.

Die Religionslehre.

§. 223. Jedes philosophische System der neueren Zeit hat, wenn es auch keine gründliche wissenschaftliche Würdi

gung und Widerlegung erführe, zwei mehr äußere, nichtsdestoweniger gefährliche Proben zu bestehen, kraft deren es über Kurz oder Lang nothwendig scheitern muß, sobald es, ihnen zu genügen, nicht im Stande ist: die Probe der Naturwissenschaft, und die Probe des positiven Christenthums. Denn wenngleich einem System, wie's nicht anders sein kann, gestattet wird, seine Begriffe, als ob fie vom Gegebenen unabhängig wären, selbstständig zu entwickeln; wenn zumal für solche Systeme, die nicht unmittelbar von der Erfahrung ausgehen, sondern einen anderwärtsher, aus einem vorgängigen System, entlehnten Faden von Be= griffen fortspinnen, jene Unabhängigkeit eine scheinbar mehr absolute Form annimmt: so müssen doch die Systeme zur Erfahrung zurückkehren. Natur ist die Mutter der Philosophie; sie entläßt ihr Kind, um es später, vielleicht groß geworden und mit mancherlei Gut bereichert, wieder in ihre Arme aufzunehmen: wehe ihm, wenn es aus der Art geschlagen! Ein minder gleichgiltiger Zuschauer für die Bewegungen der Philosophie ist die Religion. Wohl gehet fie, indem sie an den natürlichen Menschen sich wendet, auf jede mögliche Denkweise ein und schließt sich derselben sorgsam an; aber, selber schon im Besitz eines unveräußerlichen Guts und Namens, gleicht sie mehr einem, zwar milden, jedoch in der Hauptsache äußerst strengen Vater, der seinen Besitz und seine Würde nicht will geschmälert sehen. Der Heiligkeit und Wahrheit des Christenthums gegenüber hat sich bisher nichts behaupten können, was demselben schien Abbruch zu thun.

§. 224. Von eigentlicher Naturwissenschaft giebt es bei Fichte nichts. In Bezug auf Religion waren zeitig Bedenken entstanden. Fichte hatte die Grundsäge seines Zeitalters eingesogen, nach welchen man meinte, an die Stelle des Christenthums leicht etwas Besseres sehen zu dürfen. Der Gang seiner Untersuchungen förderte die Entfremdung; der Gottesbegriff mußte ein anderer werden (§. 45). Ist das Jch Princip alles Denkens und Erkennens, hat es nichts weiter, als sich selbst und was es segt; so schien allen Segungen, durch welche es selbst, seinem Gehalt und seiner Form

nach, der Christlichen Lehre zufolge, vermöge göttlicher Weisheit und Machtvollkommenheit, ein geseztes ist, Raum und Denkbarkeit benommen. Vier Begriffe waren es vornehmlich, welche Fichte'n in Widerstreit gegen das pofitive Christenthum brachten: die Begriffe der Substantialität, Causalität, Glückseligkeit und Moralität.

§. 225. Substanz ist bei Fichte eine Totalität bestimmter Bestimmbarkeit. Da nun das Jch die absolute Totalität oder absolute Substanz selber ist 1), so kann von keinen anderen Substanzen, außer dem Jch, die Rede sein, als von solchen, welche das schlechthin gesezte Ich, das nur sich seht, von sich ausschließt. Das Jch, nimmt von seinem eigenen Fleisch und Blut, und seht seine Kinder, Erscheinungen genannt, von sich ab und sich selber entgegen, um etwas für sich zu haben. Eine als Nichtich geseßte Substanz besteht daher, insofern sie dennoch eine Art von Totalität bildet, in der Vollständigkeit eines Verhältnisses, nicht aber einer Realität. Die Glieder des Verhältnisses, einzeln betrachtet, find die Accidenzen, ihre Totalität ist Substanz. Es giebt nichts Firirtes in der leßtern; sie ist lediglich ein Product der Einbildungskraft; diese, im Schweben zwischen Unbestimmtheit und Bestimmung (S. 192), hält Ein Accidenz so lange fest, bis es von einem anderen verdrängt und mit ihm verglichen ist: nach einer vollständigen Analyse der Substanz bleibt nichts übrig, als Accidenzen; jedes Accidenz hält und trägt sich selbst und sein Entgegengesettes 2). Dieser Begriff der Substanz ist der Kant'sche: freilich macht es stubig, sagt Kant, daß ein Ding ganz und gar aus Verhältnissen bestehen solle, aber ein solches Ding ist auch bloße Erscheinung 3); - freilich, fügen wir hinzu, ist ein solches Ding auch nur ein Widerspruch, den Fichte richtig ausdrückt, wenn er sagt: die Accidenzen haben keinen gemeinschaftlichen Träger und können ihn nicht haben, weil sie sich gegenseitig vernichten würden 4). Aber im höchsten Grade wunderbar bleibt es, daß die durchgreifende Bodenlosigkeit alles relativen Wissens, welche Fichte'n auf den absoluten Standpunct führte (§§. 34.37.184 fl.), gut und theuer genug dünkte, um den Erscheinungen in ih

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Taute's Religionsphilos.

rem Widerünn belassen zu bleiben, ungeachtet die Relationen des Wissens und deren Ungereimtheiten durch nichts Anderes, als die Erscheinungen selber, eingegeben find! So ist es von Jeher gegangen! (§§. 62.83).

1) W. L. S. 73. 2) ib. S. 156 fl.

S. 247 fl. 4) W. L. S. 162.

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3) Kr. d. r. V.

§. 226. Daß Gott keine erscheinende Substanz ist, versteht sich von selbst; und es bedurfte keines großen Aufhebens darüber, daß ein solcher Gottesbegriff unmöglich und widersprechend sei 1). Etwas ganz Anderes dagegen ist es, wenn Fichte den Begriff der Persönlichkeit und des Vewußtseins von Gott wegdenken will. Wenn Gott, meint Fichte, von der Welt verschieden sein, in derselben nach Begriffen wirken, der Begriffe überhaupt fähig, Persönlichkeit und Bewußtsein haben soll; so seien doch Persönlichkeit und Bewußtsein dasjenige, was wir an uns selbst finden, und mit diesen Namen bezeichnen; dieß könne indessen ohne Beschränkung und Endlichkeit nicht stattfinden, und man habe, wenn man daffelbe auf Gott übertrage, nicht eigentlich Gott gedacht, sondern nur sein eigenes Denken vervielfältigt; wir find endlich, und wie könnte das Endliche die Unendlichkeit umfassen und begreifen? 2). -Was und wie Viel von Endlichkeit und Unendlichkeit liegt wol in dem Begriff der Subject - Objectivität, welche der Begriff der Persönlichkeit und des Bewußtseins ist? Nichts! Beides, Endlichkeit, wie Unendlichkeit, ist dem Begriff gleich zufällig (§. 135). Größenbegriffe insbesondere beruhen auf Vergleichung, ohne welche keine GröBenbegriffe stattfinden. Soll von Schranken der Persönlich= keit die Rede sein, so müffen dieselben thatsächlich vorliegen. Es giebt Weniger und Mehr und Sehr-Viel umfassende Jche: warum wäre ein solches undenkbar, welches Alles umfaßt? Aber dieses All, welches umfaßt wird, sowie das allumfassende Ich selber, müßten gegeben sein, wenn eine eigentliche Erkenntniß von einer solchen Persönlichkeit gelten sollte (§. 85): der Subject-Objects - Begriff allein führt nicht darauf. Weil die Ichheit die höchste Form unsers Denkens und Thuns ist, und die Persönlichkeit sich dieser Form nicht überheben kann; so wird auch das höchste Ziel

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