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Möge doch meinem Sinne nie

Zeus, des Weltalls Lenker, ein mächtiger Feind sein!

Sei ich nimmer lässig, den Göttern zu nah'n mit Opfern der Stiere am Strand

Meines Vaters, an des Okeanos rastlos strömender Fluth!

Frevle doch nie mein Mund!
Hafte dieß mir fest im Sinn und mög' es nie entschwinden!

213. Halten wir einen Augenblick inne, um Geist und Bedeutung der ersten Hälfte unserer Tragödie etwas schärfer in's Auge zu fassen. Der Held ist im Gegensatz zu Göthe's "Fragment" (Nr. 204 und 205) durchaus menschlich wahr und ächt tragisch geschildert. Die Schwäche des Titanen gegen Zeus' Allmacht tritt im ersten Augenblicke lebhaft vor unsern Blick, indem Kraft und Gewalt im Dienste des obersten Nichters den Prometheus gefangen herbeiführen, und Hephästos ihn ohne Mühe an den Felsen schmiedet. Während der ganzen Handlung steht nun der Angekettete als die verkörperte menschliche Ohnmacht vor dem Zuschauer; daß er in der That nicht ein Mensch, sondern selbst ein gestürzter Gott ist, welcher die Sache der Menschheit vertritt, kann den Eindruck nur erhöhen. Prometheus gesteht offen die Größe seiner Leiden, seinen tiefen Seelenschmerz und seine Ohnmacht ein. Dieselbe Sprache vernehmen wir aus dem Munde des Hephästos, Okeanos und seiner Töchter. Prometheus wird aber dadurch auch zu einer ächt tragischen Gestalt; denn seine Rolle ist sicher ge= eignet, die Empfindungen der Furcht und des Mitleids in hohem Grade zu erregen, letzteres um so mehr, als sein Frevel durch die uneigennützigste Menschenliebe fast entschuldigt wird. Soweit Göthe ihn geschildert hat, erscheint er dagegen als frecher Gotteslästerer, erleidet keinerlei Strafe und trost dem Himmel nicht so fast aus Liebe zu den Menschen, die er erst bildet, als aus keckem Unabhängigkeitsgefühl, was

alles ein tragisches Interesse nicht aufkommen läßt. Aeschylos ist auch sehr besorgt, die Frechheit des Empörers wenigstens im ersten Theile der Tragödie zu verhüllen, um den wohlthuenden, ästhetischen Eindruck nicht durch zu große Schroffheit unmöglich zu machen und die sittliche Wirkung nicht aufzuheben. Prometheus klagt Anfangs, ohne zu lästern; er beugt sich der Strafe, statt nuglosen Widerstand zu versuchen; er schweigt nicht aus stolzer Selbstgenügsamkeit, sondern weil der Kummer an seinem Herzen nagt 1. Am tiefsten fühlt er die schnöde Vergeltung, die ihm für alles Göttern und Menschen erwiesene Gute zu Theil wird. Er schmäht Zeus noch nicht wegen offener Ungerechtigkeit, sondern betont mehr die Unbilligkeit, das Mißtrauen und die Nauheit, die für ihn, einen fast ebenbürtigen Gott, so tiefe Schmach herbeiführen. Er weiß, daß die Stunde seiner Befreiung kommen wird, aber gesteht, daß nur Zeus' freier Wille ihn erlösen kann 2; er troht nur insoweit, als er seine Freilassung zur Bedingung eines Dienstes macht, durch welchen er freiwillig und gern3 ihm die Fortdauer der Herrschaft sichern wird. Das Schicksal muß sich ja erfüllen und selbst die gestörte Ordnung herstellen. Prometheus erwartet nur, daß Zeus auch sein gutes Recht, oder vielmehr das gute Recht der Menschen endlich gezwungen, aber doch auch mit freier Zustimmung, anerkennen werde. Reue über seinen Fehler zeigt er darum nicht; nein, wie er frei, ganz frei gefehlt*,

1

Μή τοι χλιδῇ δοκεῖτε μηδ' αὐθαδίᾳ
Σιγάν με συννοίᾳ δὲ δάπτομαι κέαρ,

Ὁρῶν ἐμαυτὸν ὧδε προσσελούμενον (ν. 436 88.).

2 Οὐδ ̓ ἔστιν ἄθλου τέρμα σου προκείμενον;

Οὐκ ἄλλο γ' οὐδὲν, πλὴν ὅταν κείνῳ δοκῇ (ν. 257 Β.).

3 σπεύδων σπεύδοντι (ν. 192).

4 ἑκὼν ἑκὼν ἥμαρτον (ν. 266).

so verharrt er auch mit bestimmtem Bewußtsein auf seinem Willen, nicht gerade der Oberherrschaft des Götterkönigs zu trogen, aber doch die Sache der Menschen geschüßt zu sehen. Einigermaßen dunkel bleibt, inwiefern seine Voraussicht der Zukunft sich bewähren wird. Er sagt selbst, daß er nicht geahnt, in welches Leid ihn seine kühne That stürzen werde, so klar er auch sonst alle Umstände derselben durchschaute; vom Chore eines Frevels angeklagt, erwiedert er:

Ich wußte Alles ganz genau.

Mit Willen, ja mit Willen fehlt' ich; sei's gesagt!
Den Menschen helfend half ich mir zu schwerer Pein.
Doch wahrlich dacht' ich nicht, durch solche Züchtigung
Gebrochen, hinzuwelken an dem Felsenhang

In dieser öden, nachbarlosen Bergeshöh'.

Ein anderes Mal verbessert er sich selbst:

Wann denn wird wohl je

Mir das Ziel der Qualen erscheinen?

Und doch, was sag' ich? Alles weiß ich ja voraus,
Was kommt, ganz klar, und unerwartet wird mir nie
Ein lebel nah'n. Das vorbestimmte Schicksalsloos,
Ich muß es tragen, wie ich kann; erkenn' ich doch,

Wie unbezwingbar waltet die Nothwendigkeit.

Die Unabänderlichkeit des Schicksals, aber auch die sichere Aussicht auf seine Erlösung ist ihm klar; diese Ueberzeugung spricht er wiederholt aus, und auch Hephästos sagt gleich Anfangs: „Dein Retter ist noch nicht geboren“ (V. 27). Prometheus gibt weiter zu verstehen, daß er nicht minder die Art seiner Befreiung kenne, aber sein Geheimniß bewahren müsse, um sein Glück nicht zu verscherzen, und da er sich durchaus nicht leidenschaftlich erregt zeigt, so nehmen wir unwillkürlich seine Worte als sichere Wahrheit hin. Er weiß also um sein endliches Schicksal, ohne darum immer alles Einzelne vorauszuseh'n.

214. Die Verhältnisse ändern sich mit dem Auftreten der Jo, so daß die zweite Hälfte der Tragödie ein wesentlich verschiedenes Gepräge erhält. Eine neue, uralte Mythe wird herangezogen, um eine zweite (scheinbare ?) Gewaltthat des Götterkönigs gegen die Menschheit darzustellen. Das muß auf den Menschenfreund Prometheus verhängnißvoll wirken. Er spricht nun sein Geheimniß vom einstigen Sturze des Zeus mit sichtlichem Hohne so deutlich aus, daß der Götterbote Hermes mit gemessenem Befehle vollständiger Enthüllung erscheint. Prometheus troßt, zornentflammt, und wird in den Schlund des Tartarus versenkt. So gewinnt der Dichter den Vortheil einer beständigen Steigerung der götterfeindlichen Stimmung des Helden und zugleich jenen anderen, daß erst am Schluß der übermenschliche Trotz, welcher immer etwas Verlegendes hat, auf kurze Zeit zur Erscheinung kommt. Dieser verleßende Eindruck aber wird abermals gemildert durch die Menschenliebe des Titanen, die ihn zum Aeußersten treibt, und durch die furchtbare Züchtigung, welche den Frevler augenblicklich erfaßt.

Die unschöne Fabel der Jo ist folgende: Zeus liebt die anmuthige Jungfrau und lockt sie durch Traumgebilde aus dem Vaterhause. Sie widersteht, bis sie auf des Gottes Geheiß vom Vater verstoßen wird. Die Götterkönigin Hera verfolgt die in eine Kuh Verwandelte durch alle Länder der Erde. In Aegypten findet sie endlich Ruhe und empfängt durch Zeus' Berührung einen Sohn, welcher Stifter eines berühmten Stammes wird. Er ist auch Ahnherr des Herakles, welcher dereinst Prometheus befreit. - Prometheus erkennt schon an den Klagerufen die Unglückliche, welche sich ihm naht. Er gibt sich ihr zu erkennen, will aber den Grund seiner Qualen nicht wiederum nennen; er sagt jedoch der Jo, welche ihre bisherigen Leiden eingehend erzählt, ebenso aus

führlich ihre langen Frrfahrten durch drei Welttheile voraus. Der Dichter will offenbar die ganze Aufmerksamkeit des Zuhörers auf diese unabsehbare Reihe von Mühsalen richten, welche Zeus einem Menschenkinde bereitet. Daß der Grund seines Zornes den Heiden nicht ohne Weiteres für unwürdig und abscheulich galt, muß freilich zu ihrer Schande eingestanden werden. So bleibt denn für unsern Dichter, oder vielmehr dessen heidnische Leser, nur die unbefugte Härte, mit welcher das Widerstreben der Unschuldigen geahndet wird. Diese aber sticht grell ab gegen die zarte Rücksicht, welche dem Prometheus kaum gestattet, ihr die traurige Enthüllung zu machen:

Jo: Berichte außerdem noch mir Unseligen,

zu welcher Zeit ein Ende meine Jrrfahrt nimmt.
Pr.: Mehr als die Kunde frommt dir, glaub's, Unwissenheit.
Jo: Nein, hehle nichts von dem, was mir zu leiden bleibt.
Pr.: Nicht ja aus Mißgunst weigr' ich die Gefälligkeit.
Jo: Warum denn stehst du an, mir Alles kundzuthun ?
Pr.: Es ist kein Neid; nur, dich zu kränken, trag' ich Scheu.
Jo: Sei weiter nicht, als mir es lieb, für mich besorgt.
Pr.: Weil du es willst, so muß ich reden; höre denn.

Es kann nun nicht auffallen, wenn der Menschenfreund, nachdem in vierfacher Rede die Leiden der Jo als Sinnbild aller Trübsale der über die weite Erde zerstreuten Menschheit vergegenwärtigt sind und der erwartete Befreier in bestimmterer Gestalt als Nachkomme der Jo aufgetreten ist, in folgende Lästerung gegen den göttlichen Urheber alles Uebels ausbricht:

Ja, Zeus wird einstens seinen stolzen Sinn fürwahr
Noch beugen müssen; denn es droht ein Ehebund,
Zu dem er schreitet, ihn aus eig'nem Reich,
Vom Thron in's Nichts hinabzustoßen. Kronos' Fluch,
Des Vaters, wird dann bis zum leßten Wort erfüllt,

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