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2. Alle diese Charakterzüge sind nun auch der deutschen Poesie des Mittelalters mit der eigentlich romantischen, d. h. romanischen, durchaus gemein, ja in gewisser Hinsicht besonders eigenthümlich. Der romantische Gesang der Franzosen, nach Deutschland übergeleitet, fand ja in deutschem Ernste und kraftvoller Gemüthlichkeit eine ergiebige Quelle neuer und höherer Leistungen. An Gunst und Förderung fehlte es hier selbst in den höchsten Kreisen nicht. Die Dichter folgten auf Einladung oder aus Neigung dem Hofe und Heere der Fürsten oder Grafen und ließen zwischen Waffenlärm und Festjubel ihren Gesang ertönen. So heißt denn auch die mittelalterliche deutsche Dichtung, besonders wegen ihres ritterlichen Charakters und als Minnegesang, romantisch.

3. Die Stellung der Frauen wurde im Christenthum eine ganz andere. Ein heiliges Sacrament verband die Gattin als ebenbürtige Gefährtin dem Manne zu unauflöslichem Bunde. Die gegenseitige Liebe sollte sich nach dem Vorbilde der Liebe Christi zur Kirche rein und ideal gestalten (Eph. 5, 22 ff.). Der Erlöser heißt im „Parzival" der wahrhaft Minnende (der wâre minnaere). An derselben Stelle wird aber auch des Ideales hehrster Weiblichkeit gedacht, welches der Christ in der Gottesmutter Maria schaute: Nun prüft, wie rein Jungfrauen sind:

Gott selber war der Jungfrau Kind. (Parz. 464 u. 466.) 1 Die zarte Milde und Gefühlsinnigkeit der christlichen Menschheit trug ihrerseits dazu bei, der geläuterten, ja verklärten Liebe in Leben und Poesie jene hervorragende Bedeutung zu verleihen. Die Weiblichkeit wurde zum bewunderten

1 Die Citate aus Wolframs Werken bezichen sich auf die von Lachmann eingeführte und allgemein angenommene Eintheilung in kleinere Abschnitte von je dreißig Versen.

Ideale von Reinheit, Unschuld, Zartheit und Schönheit. Wie wenig indessen die „Minne“ auf eine bloß natürliche Liebe zum weiblichen Geschlechte beschränkt war, geht schon daraus hervor, daß man, wie von Frauenminne, so auch von Gottes- und Marienminne, ja selbst von Herrenminne, d. h. Pietät gegen Lehensherren oder hochgestellte Gönner sprach. Freilich wiegt die gewöhnliche Bedeutung durchaus vor, und in diesem Sinne führen die Dichter das Wort fast ohne Unterlaß im Munde. Da übrigens die Ehrfurcht gegen die Frauen und eine gewisse bevorzugte Stellung derselben schon bei den heidnischen Germanen sich vorfindet, so kann es nicht gerade Wunder nehmen, wenn in der Jugend der neuern Menschheit die Liebe eine so umfassende Rolle spielte. In seiner Ausbildung durch Ritterthum und Poesie ist allerdings dieser Frauencult vielfach in äußere Galanterie und lächerliche Anbetung umgeschlagen, abgesehen von der bedenklichen sittlichen Schattenseite, welche er leider auch, und nur zu oft, gehabt hat.

Es ist unbeschreiblich entwürdigend, in welchem Grade Ulrich von Lichtenstein nach eigener Schilderung (im „Frauendienst") und die Helden der Sage nach der Darstellung der höfischen Dichter Sklaven der Minne waren. Ergötzliche Narreteien begegnen uns auch im „Parzival“ (Nr. 83 ff. 68; doch s. zwei gegensätzliche Bilder Nr. 60). Aber leider blieb man weder im Leben noch in der Dichtung dabei stehen. Wir begegnen oft einer schrankenlosen lasterhaften Freiheit. Gewiß trifft der Tadel vorzüglich die durch fremde Sitte vielfach verderbten Ritterkreise, wie auch gerade die höfischen Dichtungen am häufigsten der sündhaften Liebe das Wort reden. Gottfried von Straßburg geht darin am weitesten, indem er die freie Liebe geradezu verherrlicht. Es sind aber auch die andern lyrischen oder erzählenden Dichter

nicht immer sittlich und ungefährlich. Man kann es leider nur höchst bedenklich finden, wenn die mittelalterliche poetische Literatur rückhaltlos gepriesen oder wegen ihrer sittlichen Reinheit ohne Einschränkung empfohlen wird. Jene unverblümte Offenheit der Darstellung wirkt allerdings weniger verderblich, als die versteckte Lüsternheit, welche in der neuern Literatur viel gewöhnlicher ist. Es mochte auch immerhin ein gesundes, kräftiges Geschlecht weniger erregbar sein, als dieß heutzutage im Allgemeinen vorausgesetzt werden kann. Allein die erste Entschuldigung rechtfertigt doch gar Manches nicht, und die zweite gibt selbst zu, daß man unserer Jugend Vieles nicht mehr empfehlen darf. Schon das immerwährende Spielen mit Minne und Minnescenen ist wenigstens nicht gerade erhebend.

Auch Wolfram zeigt sich in Behandlung der Minne als Kind seiner Zeit. Er spricht zunächst in eigenem Namen seine Gedanken und Gefühle bei jeder Gelegenheit aus, in den lyrischen Gedichten sogar in einer Weise, die seinem Charakter als Mensch und Dichter wenig Ehre macht (vgl. Nr. 22). Ungeziemend ist es auch, wenn er in seinem Meisterwerke so oft um Liebe wirbt und es trot seines religiösen Inhaltes zu einem Liebesgedicht umgestaltet (Nr. 25, 38, 66 Ende, 96 Ende; vgl. jedoch Nr. 61). In seinen Personen tritt die Minne fast in allen erdenklichen Gestalten auf (vgl. Nr. 85). Die geistige Verklärung derselben reicht jedoch an Dante's Bild von Beatrice, wenn man diese wirklich als geschichtliche Person nimmt, nicht von ferne hinan. Wolfram steht, so unverkennbar auch an vielen Stellen sein Lebensernst und sein edler Charakter zur Erscheinung kommt, doch mitten im Strome einer leichtfertigen Ritterwelt und entwirft uns vielmehr ein Bild von den Menschen, wie sie sind, als wie sie sein sollten. Nichtsdestoweniger müssen

wir auch der hier berührten Seite seiner Dichtung unsere Aufmerksamkeit schenken, zumal des eigentlich Unsittlichen im „Parzival" nicht eben viel sich findet.

Zur richtigen Auffassung der mittelalterlichen „Minne“, insbesondere bei Wolfram, sind vornehmlich die folgenden Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Das sinnige, innige Angedenken der treuen, pflichtmäßigen Liebe, welches Parzival beim Anblick der Blutstropfen im Schnee sich selbst entrückt (Nr. 61), widerstreitet der Gottesminne nicht. Ebenso wenig Tadel verdient die aufkeimende (Nr. 23) oder die den Tod überdauernde (Nr. 44, 59, 74) Liebe Schionatulanders und Sigunens; auch von dieser mag der Dichter mit vollem Rechte singen (Nr. 23 Ende):

Hier auf Erden steht ihr Haus:

Zum Himmel gibt ihr Reinheit das Geleite.

Die Beimischung weicher Gefühlsseligkeit, welche uns an den erwähnten Stellen etwas widerwärtig ist, werden wir schon gerne nachsehen. Eine ganz andere Bewandtniß hat es mit dem oberflächlichen, entwürdigenden, vielfach lächerlichen Modedienst derjenigen Minne", welcher die „treue Liebe“ nicht gesellt ist (Nr. 61—85). Hier wird von nichts als Werben und Sehnen ohne Zweck und Ernst gesprochen; hier sehen wir nur Förmlichkeit und Galanterie, Schmeichelei und Eitelkeit; hier kniet der Nitter als demüthiger „Dienstmann" vor einem stolzen Weibe, oder stürzt sich nach ihrer Laune in die erste beste Todesgefahr. Diese phantastische Minne soll nun gar, nach der Darstellung der Dichter, als unbesiegbare Göttin die vornehme Gesellschaft beherrschen; sie soll endlich Leib und Seele kräftigen, indem sie hohen Muth verleiht und Seelenadel. Diese, in dem ältesten deutschen Minnegesang noch nicht ausgebildet, drang aus der

Provence und Nordfrankreich in die deutschen Ritterkreise ein. Ueberaus bedenklich wurde der Modedienst, wenn er von einem „verschwiegenen“ Ritter einer fremden, verhei= ratheten Dame geleistet wurde. Doch das konnte ja freilich bloße Tändelei sein. Eine dritte Gattung der Minnelieder aber, wie auch einige von Wolfram (Nr. 22), find in ihrem innersten Wesen lüstern und lasterhaft. Diese sind ein Frevel am Sittengesetz, ob sie nun wirkliche oder bloß phantastische Verhältnisse zur Voraussetzung haben.

4. Von nicht geringerer Bedeutung für die Poesie des Mittelalters war der Geist des Ritterthums. Dieser ging zum Theil mit dem Minnedienste Hand in Hand und hat ebenfalls eine geistliche und eine weltliche Seite. Die wesentlichsten und schönsten Züge des Nitterthums wurzelten im germanischen Geiste und im Christenthume. Die Waffenehre galt dem kühnen Freiheitssinn der germanischen Naturvölker über Alles. Der freie Mann erschien bewaffnet in der Volksversammlung, seinen neugewählten König erhob er auf den Schild, die Verleihung von Schild und Speer an waffenfähige Söhne war ein öffentlicher und feierlicher Akt. Die Anführung im Kriege übertrug man durch freie Wahl dem Tapfersten, nach Verdienst und nicht nach Geburt. Erholung im Frieden bot die Jagd als Vorspiel des Krieges, und selbst zu dem fröhlichen Gelage gesellte sich der Schwerttanz. Der Freie hatte auch das Recht der Selbsthülfe und nach Umständen selbst die Pflicht der Blutrache. Neben dem allgemeinen Heerbanne gab es Geleitschaften oder Waffenbruderschaften; die Treue gegen den Waffengenossen wurde unverbrüchlich gewahrt. Die Kriege gegen die Völker, auf welche die Germanen in ihrem Drange nach Westen und Süden stießen, und später die Kämpfe mit den Magyaren, Mauren und Sarazenen brachten die Waffen erst recht zu

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