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nach von dem Missfallen des sittlichen Bewusstseins verschieden.

Lassen wir nun zu den Affekten sittliche Urtheile hinzutreten. Mitleid werde von dem unbetheiligten Zuschauer für tadelnswerth gehalten, Grausamkeit für löblich, — Verbindungen, wie sie ja auf anderen Kulturstufen vorkommen. Dann würde er, wohlwollend gestimmt, insofern doch Antipathie gegen grausam Handelnde fühlen. Somit kann die Gemüthsbeschaffenheit zu eben der Handlung sagen: „du missfällst mir", zu welcher die Urtheilsgewohnheit sagt: ,,du gefällst mir". Man ist in Zwiespalt mit sich selbst. Dieser Fall dass Jemandem eine Handlung antipathisch ist und ihm gleichzeitig lobenswerth erscheint bildet ein Pendant zu dem oben (§ 27) erwähnten in dem Zeitalter, welchem Rache löblich ist, blickt derjenige, dessen Mitleid etwa nach vollbrachter Rache erwacht, mit gemischten Empfindungen auf das, was er gethan hat, zurück. Seinem jetzt dominirenden Affekt ist das Geschehene antipathisch, während sein Gewissen erklärt: du hast löblich gehandelt; du hast deine Pflicht gethan. Das eigene Ich verhält sich hier genau so zum früheren Ich, wie in dem anderen Falle zum fremden. Das Mitleid mag den Grausamen nicht leiden - gleichviel ob man selbst oder ob ein anderer grausam gehandelt hat das Gewissen rühmt ihn.

Ein Beispiel für den umgekehrten Fall dass die gemüthliche Anlage eines Menschen, zur Grausamkeit, zur Blutgier geneigt, mit solchen Handlungen sympathisirt, während seine Urtheilsgewohnheit eben die Handlungen verdammt entnehmen wir dem ,,Neuen Pitaval". Der Franzose Pieydagnelle war als Kind zu einem Metzger in die

Lehre gegeben. Das Schlachten der Thiere, das Hervorströmen des warmen Blutes ,,das Süsseste ist, wenn man fühlt, wie das Thier unter dem Messer zittert; das fliehende Leben schlängelt sich der Klinge entlang in die Hand hinein, die das tödtliche Werkzeug hält" erfüllten ihn mit Entzücken, und bald entwickelte sich in ihm eine leidenschaftliche Freude am Blutvergiessen überhaupt, eine lebhafte Sympathie mit Mördern. Gleichzeitig aber lernte er, von frommen Eltern erzogen, einen Theil der ihm so theuer gewordenen Handlungen verurtheilen. Das Schlachten der Thiere zwar blieb vom Tadel verschont, aber Menschen zu ermorden, so gern er es auch mochte, so sympathisch es ihm war, bei Mordthaten zuzusehen, sein Gewissen hatte sie von jeher aus dem Gesichtspunkt des Tadels zu betrachten gelernt. Somit war ihm die Handlungsweise sympathisch, welche ihm gleichzeitig tadelnswerth erschien.

Also: sympathisch ist eine Gemüthsbeschaffenheit mir dann, wenn sie, der meinigen ähnlich, harmonisch zu ihr stimmt; löblich erscheint sie mir, wenn meine Urtheilsgewohnheit den Begriff der Löblichkeit mit ihr verknüpft hat. Da somit Sympathie und Antipathie aus einer anderen Provinz unsers Innern sind, wie die sittlich lobenden und tadelnden Urtheile, so kann uns die nämliche Handlung sympathisch sein und doch tadelnswerth erscheinen.

Gewöhnlich sind dem Zögling der niederen Kulturstufe Handlungen wie Raub, Rache, Mord sympathisch und löblich.

Sympathisch: die Neigung, Blut zu vergiessen, Rachsucht, Grausamkeit werden auf den niederen Kulturstufen jeden Tag bethätigt. Durch Bethätigung werden sie stark. Sie pråvaliren durchaus über die mildherzigen Regungen, und

solche Gemüths beschaffenheit sympathisirt dann auch mit den blutigen, grausamen Thaten Anderer. Sie sieht lieber zu, wo man Kinder spiesst, als da, wo man Elende pflegt.

Löblich: Handlungen der Grausamkeit, der Rache sind von den Bedürfnissen jener Kulturstufe zu löblichen gestempelt, und diese Schätzung wird den Individuen Urtheilsgewohnheit.

Dem Zögling der hohen Kulturstufe sind solche Handlungen meistens antipathisch und tadelnswerth.

Antipathisch: hier ist das Gewöhnliche der Friede. Das Vergnügen am Blutvergiessen, die Freude, auf grausame Weise zu peinigen werden daher nicht so entwickelt, wie in unkultivirten Zeitaltern. Wir fühlen als unbetheiligte Zuschauer einer grausamen Handlung eher Mitleid, als Schadenfreude.

Tadelnswerth: unsere Urtheilsgewohnheit verdammt Grau

samkeit.

Aus dem Umstand also dass grausame Handlungen uns gewöhnlich antipathisch sind, kann unsere tadelnde Beurtheilung derselben nicht hergeleitet werden. Der sittliche Tadel ist nicht, wie manche Philosophen meinen, die Spitze der Antipathie. Besonders die schottischen Moralisten waren in diesem Irrthum befangen. Der Begriff der Sympathie lagerte wie ein Berg zwischen ihnen und der Wahrheit.

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Ueber den Ursprung des Mitleids.

Wann die Schätzung des Mitleids kreïrt worden ist, durch wen und aus welchen Motiven, haben wir erörtert

(§ 24). Desgleichen, wie dieselbe in den später geborenen Generationen sich bildet (§ 25-27). Auf welche Weise jedoch ist das Mitleid selbst zu erklären? Nach Schopenhauer kann es nur übersinnlich interpretirt werden. Im Mitleid, sagt derselbe, liegt mir das Wohl und Wehe des Andern unmittelbar am Herzen, in derselben Art, wie sonst allein das meinige: also ist jetzt der Unterschied zwischen ihm und mir kein absoluter mehr. Allerdings ist dieser Vorgang erstaunenswürdig, ja mysteriös. Er ist in Wahrheit das grosse Mysterium der Ethik, ihr Urphänomen und der Grenzstein, über welchen hinaus nur noch die metaphysische Spekulation einen Schritt wagen kann. Wir sehen in jenem Vorgang die Scheidewand, welche nach dem Lichte der Natur (wie alte Theologen die Vernunft nennen) Wesen von Wesen durchaus trennt, aufgehoben und das Nicht-Ich gewissermassen zum Ich geworden (Eth. p. 229).

Unterscheiden wir zwischen dem Phänomen und der Erklärung desselben. Mitleid, Schmerz darüber, dass Andere leiden, ist empirisch gegeben, ist eine Empfindungsthatsache. Behufs ihrer genaueren Beschreibung mag man hinzufügen, dass es uns im Mitleid so scheint, als wären wir Eins mit dem Bemitleideten, als wäre sein Schmerz der unsrige; gewissermassen wird das Nicht-Ich zum Ich.

Schopenhauers Deutung dieses Phänomens ist nicht empirisch gegeben. Nach ihr sind der Mitleidige und der Bemitleidete, metaphysisch betrachtet, wirklich nicht zwei Personen, sondern blos Eine; und dies transscendente EinsSein offenbart sich im Mitleid.

Diese Erklärung klärt: das Phänomen des Mitleids, eben noch dunkel, ist nun klar. Aber ist damit schon die Richtig

keit der Erklärung, die Wirklichkeit der All-Einheit bewiesen? Wer steht uns dafür, dass die Wurzel des Mitleids gerade im All-Einen, dass sie nicht in irgend etwas Anderem zu suchen ist? Jedes Phänomen lässt verschiedene Deutungen zu; jede Wirkung kann verschiedene Ursachen haben. Dieser harmlose Satz genügt, um alle Metaphysik, wenn nicht zu vernichten, doch zu erschüttern. Das fürchterliche Vielleicht censirt ihre Systeme, auch dasjenige Schopenhauer's. So lange nicht die Wirklichkeit der Identität nachgewiesen, nicht dargethan worden ist, dass thatsächlich gerade sie dem Mitleid zu Grunde liegt, ist diese Deutung blos Vermuthung. Das Reich des Möglichen ist unendlich. Nun kann ja aber die Realität des All-Einen nie dargethan werden. Es ist die Eigenthümlichkeit metaphysischer Hypostasen, blos ein Gedankending zu sein. Man denkt es sich so. Ob es sich wirklich so verhält, weiss das? wer kann das wissen ? 85

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wer

In dieser Reflexion haben wir einen Standpunkt eingenommen, der nicht einmal zulässig ist. Wir haben so gethan, als wären metaphysische Annahmen Etwas. Indessen sie sind weniger, als nichts: ein scheinbares Etwas. Das beweist die Erkenntnisstheorie und die Geschichte der Wissenschaften. Die Erkenntnisstheorie: mag nun das Räumliche, Zeitliche, Kausale, wie die englischen Philosophen meinen, ein Produkt der Erfahrung sein, oder mag es, wie Kant

Kant, Kritik der reinen Vernunft p. 585 (Kirchm.): Wie können zwei Personen einen Streit über eine Sache führen, deren Realität keiner von beiden in einer wirklichen oder auch nur möglichen Erfahrung darstellen kann, über deren Idee er allein brütet, um aus ihr etwas mehr, als Idee, nämlich die Wirklichkeit des Gegenstandes selbst herauszubringen?

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