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meint, die Erfahrung ermöglichen: darin stimmen Alle überein, dass die Erkenntniss in die Formen des Raums, der Zeit, der Kausalität gebannt ist. Die Geschichte der Wissenschaften sie besteht, dies illustrirend, darin, übernatürliche Deutungen durch natürliche zu ersetzen. Uebernatürliche sind provisorisch.

Es wäre also geboten, die Erklärung der Phänomene aufzuschieben, welche auf natürliche Weise noch nicht erklärbar sind. Die Enthaltsamkeit indessen, Phänomene als Probleme stehen zu lassen, scheint etwas Uebermenschliches zu sein. Der horror vacui, wenn ich so sagen darf, der horror vor dem leeren Platz der Ursache ist so gross, dass man diesen Platz lieber durch einen Popanz, ja durch ein blosses Wort besetzen, als ihn leer lassen will.

Die Philosophie befindet sich eben noch im metaphysischen, also provisorischen Stadium. Sie ist die Summe der fehlgeschlagenen Versuche, ihre Phänomene (schön und hässlich, gut und böse, die Phänomene des Denkens, des Empfindens) zu erklären. Philosophie ist in diesem Sinn Geschichte der Philosophie ein Kirchhof. Ihr Geschichtsschreiber Todtengråber. Wenn einst die natürlichen Ursachen ihrer Phänomene festgestellt sein werden, wird die Philosophie ebenso wenig Geschichte der Philosophie sein, wie Physik Geschichte der Physik ist. Es wird dann ein Handbuch der Philosophie geben, wie es jetzt ein Handbuch der Physik giebt.

Was wir nun über den Ursprung des Mitleids zu sagen haben, ist wenig mehr, als eine Suspension unseres Urtheils. Mitleid, überhaupt die selbstlose, bis zur Aufopferung gehende Theilnahme am Schicksale Anderer scheint eine Er

weiterung des Elterninstinkts zu sein. Wie aber ist dieser entstanden? Das wissen wir noch nicht.se Dass er jedoch, einmal da, grosse Stärke erlangen musste, ergiebt sich aus der Theorie der natürlichen Auslese. Eine Mutter nämlich, welche verhältnissmässig wenig kinderliebend ist, wird verhältnissmässig wenig Nachkommen, als Erben ihrer Gemüthsbeschaffenheit, hinterlassen: ihre Kinder haben ungünstige Lebensbedingungen; sie sind in Gefahr, umzukommen. Hingegen, je kinderliebender eine Mutter ist, desto besser werden die Kinder gepflegt, desto mehr Aussicht haben gerade sie, lebendig zu bleiben und den auf sie vererbten Grad der Kinderliebe auf ihre eigenen Nachkommen weiter zu vererben. In jeder Generation findet eben eine Auslese statt. Immer hat die verhältnissmässig grössere Kinderliebe die Wahrscheinlichkeit für sich, mehr Erben und Vererber ihrer selbst zu hinterlassen, als die geringere Kinderliebe. Somit hat sich in jeder folgenden Generation die Zahl der weniger kinderliebenden Eltern verringert, die Zahl der mehr kinderliebenden vergrössert.$7

In der Liebe der Eltern zum Kinde liegt ja der Fall nun vor, dass der eine Mensch Schmerz darüber fühlt, dass ein anderer leidet; dass er des Andern Schmerz als den seinigen fühlt, ein Nicht-Ich ihm gewissermassen zum Ich wird. Ver

86 Einen Versuch, seine Herkunft zu erklären, macht Herbert Spencer, data of Eth. ch. XII.

87 Spencer, data of Ethics p. 204: Ist der Mangel an unegoistischen Handlungen so gross, dass die Nachkommenschaft zu Grunde geht, oder sich doch nur ungenügend entwickelt, so verschwinden ja auf diese Weise die zukünftigen Generationen, welche nicht hinlänglich unegoistisch sind. Der durchschnittliche Egoismus nimmt also ab. Jede Species reinigt sich fortwährend von den zu egoistischen Individuen.

möge hinzukommender Gewohnheit aber können sich solche Regungen, zwar ungleich schwächer, auch dann einstellen, wenn der Leidende nicht das Kind des Mitleid Fühlenden ist. Die Empfindungen, welche man durch die Ausdrücke Mitleid, Barmherzigkeit, Wohlwollen, Nächstenliebe bezeichnet, wären somit ein Abglanz, eine Reminiscenz gleichsam an den Elterninstinkt.88

Aber wie? Liegt nicht in der Regung des Wohlwollens, in der Empfindung der Nächstenliebe noch mehr, etwas Erhabeneres, was mit dieser Erklärung sich nicht deckt? Nein. Aber woher scheint es uns denn so? Weil sich unsere lobende, das Mitleid erhebende Urtheilsgewohnheit hineinmischt.

Hätte Schopenhauer schärfer, als er es gethan hat, zwischen dem Mitleid selbst und der Schätzung desselben unterschieden; hätte er eingesehen, dass das Lob des Mitleids, das er in sich vorfand, eine Denkgewohnheit war; dass es vom Mitleid selbst abtrennbar, auf andern Kulturstufen wirklich nicht

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Spencer, ib.: Nur da, wo der Unegoismus innerhalb der Familie zur vollen Entwickelung gelangt ist, sind die Bedingungen für die Entfaltung unegoistischer Beziehungen innerhalb der Gemeinde gegeben. Stämme, in welchen die Ehe noch nicht existirt oder die ehelichen Beziehungen vorübergehende sind, und Stämme, in welchen Polyandrie, auf einem anderen Wege, Unbestimmtheit der Verwandtschaft mit sich bringt, sind zu einer höheren Organisation unfähig. Nur, wo Monogamie durch-. aus allgemein geworden; nur wo, infolge dessen, die Knüpfung der Verwandtschaftsbande eine ganz enge ist; nur wo der Familiensinn sehr gepflegt wird, hat sich Gemeinsinn gezeigt. Man braucht sich nur an die zusammengesetzten Formen der Arischen Familie zu erinnern, wie Henri Maine u. A. sie beschrieben haben, um einzusehen, dass das Familiengefühl, sich erst auf die Gens und den Stamm erstreckend, dann auf die Gesellschaft, welche aus verwandten Stämmen gebildet wird, schliesslich der allgemeinen Nächstenliebe den Weg bahnt.

damit verbunden ist; dass es spät erst in der Geschichte der Menschheit, aus historisch-psychologisch nachweisbaren Gründen, dem Mitleid angehängt wurde: dann wäre Schopenhauer's Ethik anders ausgefallen, ja seine Philosophie überhaupt. Denn die Deutung, welche er dem Mitleid und unserer Schätzung desselben giebt, ist die Säule seiner Metaphysik.

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Moralische Urtheile auf den niederen Kulturstufen.

Die Kulturstufe, von welcher wir in dem historischen Theil dieser Schrift ausgingen, entbehrt nicht aller moralischen Urtheile. Vielmehr finden sich dort theils Ansätze zu unseren sittlichen Urtheilen (in vereinzelten Fällen gilt die Verletzung Anderer schon für tadelnswerth, zum Beispiel dann, wenn der Beschädigte Gastfreund des Thäters ist oder zu der nämlichen Sippe gehört), theils solche Schätzungen, welche den unsrigen entgegengesetzt sind, zum Beispiel die Schätzung der Rache, des Raubes.

Wie entstehen dieselben? Ebenso wie die unsrigen: durch Gewohnheit im einzelnen Menschen, nachdem das Bedürfniss, vereint mit anthropomorph-religiösen Vorstellungen, sie in der Gattung geschaffen hat.

Wen ein Zeitalter bildet, welches Raub und Mord nur in einigen Fällen für tadelnswerth hält, dem wird gerade die Unterscheidung geläufig.

Dass, historisch betrachtet, auch diese Urtheile in den Bedürfnissen der Kulturstufe wurzeln, hat einen der Gewissheit sich nähernden Grad von Wahrscheinlichkeit. Schrittweise zwar lässt ihre Entstehungsgeschichte sich nicht ver

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folgen. Sie gehört der prähistorischen Zeit an. Wer will jedoch leugnen, dass, zum Beispiel, die Schätzung der Gastfreundschaft bei den unkultivirten Völkern deshalb eine so hohe ist, weil dieselben ihrer in besonders hohem Maasse bedürfen? Man bewundert die Gastfreundschaft alter Zeiten, bemerkt Tyge Rothe, und erwägt nicht, dass, wer damals aus seiner Heimath wanderte, kein Nachtlager oder Herberge fand, wenn es ihm nicht als Gast geboten ward, und also ein jeder leisten musste, dessen er sich selbst wollte zu erfreuen haben (Wirk. d. Christenth. I, p. 62). — Der Gegensatz zwischen der Barbarei des Zeitalters und seiner eben darum so ausgebildeten Gastfreundschaft war, wie es scheint, besonders gross bei den Ranen. Helmod erzählt, dass dieselben raubten und stahlen, um ihre Gastfreunde zu befriedigen. Andererseits wird von ihnen berichtet, dass sie an sinnreichen Qualen ihrer Kriegsgefangenen sich weideten, und nur von Beutezügen und Räubereien lebten (Chronik d. Slaven I, p. 82. Anonym. vita Ott. ed. Jasch p. 287). Von den Germanen sagt Pomponius Mela: als Recht gilt ihnen die Kraft, so dass sie nicht einmal der Räuberei sich schämen. Nur gegen ihre Gastfreunde sind sie gütig und mild gegen Schutzflehende (III, 3). Das Nämliche wird von den Beduinen wie von den Südseeinsulanern berichtet (Gibbon V, p. 188. Erskine, West. Pacif.). Das Bedürfniss kreïrt, die Gottheit sanktionirt die Schätzung. So im griechischen Alterthum. Der Fremdling, bemerkt Nägelsbach, ist, wo er hinkommt, schutzlos. Weil aber solche Schutzlosigkeit allen menschlichen Verkehr aufheben würde, so tritt als Schirmvogt der Fremdlinge Zeus ein. Das heilige Gefühl frommer Scheu, auf welche der Fremdling Anspruch hat, wird audos genannt.

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