ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

er zählen darf (hist. of Greece II, p. 123). Grote spricht dann von der praktischen Nullität jenes Kollektivsouverains, welcher, später Staat genannt, im historischen Griechenland die centrale und höchste Quelle der Verpflichtung wurde, im Homerischen Griechenland aber noch im Hintergrund steht, ein Keim, von welchem erst für die Zukunft etwas zu erwarten ist.1

Allgemein sagt Morgan: In der civilisirten Gesellschaft übernimmt der Staat die Protektion der Personen und des Eigenthums. Da man gewohnt ist, ihn als Beschützer der persönlichen Rechte anzusehen, so hat eine entsprechende Lockerung der Familienbande stattgefunden. Aber auf gentiler Gesellschaftsstufe wurzelt die Sicherheit des Individuums in seiner Gens. Dieselbe nimmt den Platz ein, welchen nachher der Staat innehat (Anc. soc. p. 76).

Diese Rache des Verletzten oder seiner Gens ist den Rechtshistorikern eine Art Strafe, eine grobe Manifestation des Rechts, eine Aeusserung des Gerechtigkeitsgefühls. Privatrache, meint Abegg, ist die ursprünglich roheste Gestalt der Gerechtigkeit. Sie ist eine Hauptform der Strafe, ein natürliches Strafrecht (Unters. aus d. Geb. d. Strafr. p. 123, 256). Bei den alten Preussen, sagt Voigt, wurde Mord mit Blutrache bestraft (Gesch. Preuss. I, p. 520). Ebenso Du Boys: Blutrache, diese primitive und grobe Manifestation des Rechts (hist. du droit crim. des peuples mod. I pr.). Und Wilda: Rache, die erste und roheste Offenbarung des Rechtsgefühls (Strafr. d. Germ. p. 149). Giesebrecht sagt von den

S. auch Wachsmuth, Hell. Alterth. II, p. 21: Die öffentliche Rechtspflege kümmerte nicht, was unter den einzelnen Mitgliedern des Staates vorfiel.

Wenden: Das Recht waltete, aber in Gestalt der Rache (Wend. Gesch. I, p. 53). Aehnlich Köstlin: Die unmittelbare Reaktion des Beleidigten gegen den Beleidiger ist die erste und unmittelbarste Evolution des Strafrechts (Mord und Todtschl. p. 24).

Diese Auffassung ist wichtig. War jene Rache Strafe, Aeusserung des Gerechtigkeitsgefühls, dann müssen die Gewaltthätigkeiten, gegen welche so reagirt wurde, als Unrecht, als ein Objekt des tadelnden Gewissens empfunden worden. sein. Denn offenbar kann das Gerechtigkeitsgefühl eines Menschen nur laut werden, wenn er meint, ihm sei Unrecht geschehen. Demnach bedeutet die Auffassung jener Rache als Strafe, dass damals bereits ein Gemeindegewissen vorhanden war; dass, wie gesagt, die Beraubungen, Tödtungen der Geschlechter unter einander schon für Unrecht gehalten wurden.

Die Rechtshistoriker sagen dies ausdrücklich. Selbsthülfe und Rache, meint Ihering, sind die Reaktion gegen zugefügtes Unrecht (Geist d. rom. Rechts I, p. 118). Rache ist die „Aufhebung“ des Unrechts nach Abegg (Unters. p. 124), Rein (Krim. d. Röm. p. 24), Jarcke (Deuts. Strafr. p. 21).5 Ist dem so? Uns wird doch einstimmig berichtet, dass Gewaltthätigkeiten, welche zwischen den Geschlechtern vorfielen eben diejenigen, welche Rache erzeugten keineswegs als Unrecht angesehen wurden. Aber wie verhält es sich mit der Rache? Beweist sie nicht durch ihre Existenz (durch den Umstand also, dass Räuber, Mörder wieder beraubt, wieder erschlagen wurden), dass Raub und Mord doch für

[ocr errors]

5 Auch Kant definirt die Rache als Hass aus dem erlittenen Unrecht (Anthrop. p. 188 Kirchm.).

Unrecht galten? Worin besteht das Wesen der Rache? Liegt ihre Quelle im Felde des Moralischen oder ausserhalb desselben?

Diese Fragen erheischen eingehende Beantwortung: denn Verständniss und Geschichte der Strafe setzen Verständniss der Rache voraus.

§ 14.

Rachsucht und Gerechtigkeitsgefühl.

Der Verletzer hat an seinem Opfer ein plus von Macht oder Kraft bewiesen. Den Verletzten wurmt das ihm aufgezwungene Gefühl der Inferiorität. Er will nicht weniger, sondern ebensoviel oder mehr sein, als der andere. Es ist ein Hang der menschlichen Natur, von Seinesgleichen sich nicht ducken, nicht unterjochen zu lassen, eher andere unterjochen zu wollen, auch wenn kein Nutzen mit solchem Machtbeweise verknüpft ist.

Aeusserungen dieses Triebes sind, neben der Rachsucht, Ehrgeiz, Herrschsucht, Ruhmbegierde und Arten des Neides, des Hasses, der Schadenfreude.

Neid, zum Beispiel, geht nicht immer auf dasjenige, was ein Anderer mehr hat, sondern ebenso oft darauf, dass er mehr hat, mehr ist, als wir. Dieser Neid verwandelt sich in Schadenfreude, wenn der Andere sein beneidetes Gut verliert: nun ist er nicht mehr, ist wohl gar weniger, als wir. Manchmal sucht man, um sich diese Schadenfreude zu bereiten, das beneidete Gut zu vernichten, wenn auch der eigene Nutzen nichts dadurch gewinnt.

Die Schadenfreude, welche in dem Vergnügen besteht mehr zu sein, als Andere, tritt sogar nicht blos bei dem Un

glück vorher Beneideter ein, sondern oft auch bei dem uns gleichgültiger Personen: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Ja, wie La Rochefoucauld meint, finden wir selbst in dem Unglück unserer besten Freunde stets etwas, was uns nicht missfällt.

Wenn nun selbst bei dem Unglück unserer Freunde das Vergnügen, sich mehr zu fühlen, als sie, leise anklingt; bei dem uns gleichgültiger Personen als Spott sich äussern kann und bei dem Unglück vorher Beneideter in Jubel ausbricht, ja, wenn wir zuweilen das Unglück des Beneideten verursachen, gleichsam Rache dafür nehmend, dass er, wenn auch indirekt, durch seine Superiorität uns verletzt hat, wie vielmehr wird man danach lechzen, denjenigen, welcher uns direkt verletzt, verwundet, mit geistigen oder körperlichen Waffen geschlagen hat, wieder zu verletzen, wieder zu schlagen, um so das Gefühl der Inferiorität, zu welchem er uns verurtheilen wollte, los zu werden und statt dessen uns ebensoviel oder mehr zu fühlen, als er.

Die Süssigkeit der Rache ist somit etwas wesentlich Negatives, nämlich Aufhebung des Schmerzgefühls der Inferiorität. Dem Verletzten, sagt Publius Syrus, ist der Schmerz des Feindes Medikament für seinen Schmerz (laeso doloris remedium inimici dolor).

Um den Genuss der Rache, welcher nach Homer um vieles süsser ist als herabträufelnder Honig, zu verstärken, wühlen wilde Völkerschaften in den Wunden ihrer Feinde, trinken ihr Blut, fressen sie, wobei das Gefühl, sie zu be

"Klemm, Kulturgesch. d. Menschh. I, p. 274: Glühende Rachsucht, der Wunsch, den Gegner ganz und spurlos zu vernichten, verbunden mit Hunger, dies scheinen mir die wesentlichen Ursachen des Menschenfressens zu sein. — Williams, Fiji and the Fij. p. 209: revenge

herrschen, sie unter zu haben, von besonderer Stärke sein

muss.

Angenommen, dieser Hang, ebensoviel oder mehr sein zu wollen, als Andere, wäre nicht in der menschlichen Natur: dann würde eine Art des Neides und der Schadenfreude fortfallen und die Rache ganz. Unser Neid geht, wie gesagt, entweder darauf, dass der Andere ein ,,Prae" vor uns hat; oder wir sind auf irgend ein nützliches, angenehmes Gut neidisch, welches der Andere hat und wir haben möchten, abgesehen davon, dass der Besitz dieses Gutes ihn vor uns auszeichnet. Im ersteren Falle sind wir auf den Besitzer neidisch, im letztern auf das Besessene. Jener Neid würde fortfallen, der leztere bleiben. Analoge Einbusse würde die Schadenfreude erleiden. Der Schaden Anderer könnte uns nicht mehr insofern freuen, als sie nun weniger haben, nun schlechter daran sind, als wir, sondern nur insofern, als ihr Verlust uns an das Nützliche oder Angenehme unsers Besitzes erinnert. Die Rache, wie gesagt, würde ganz fehlen. Man würde nur das Leid empfinden, aber nicht die Beleidigung, nur den Schaden, aber nicht die Demüthigung. Dem entsprechend würde man blos den Schaden repariren, das Verlorene wieder erlangen wollen, aber nicht den Schädiger zu unterjochen, zu verletzen trachten, weil er uns unterjocht, verletzt hatte.

Nun existirt aber jener Hang und mit ihm beide Arten. des Neides, der Schadenfreude und die Rachgier.

Die Analyse der Rache lehrt somit, dass dieselbe nicht nothwendig Zufügung eines Unrechts voraussetzt, sondern

is undoubtely the main cause of cannibalisme in Fiji. Gerland, Aust d. Naturv. p. 69. Der Grund des Kannibalismus ist ursprünglich Hass und Rachedurst.

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »