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blos Zufügung eines Leides. Nehmen wir ein Beispiel aus der neuesten Geschichte. Als Preussen in der Schlacht bei Sadowa Oesterreich besiegte, litt das französische Prestige durch Preussens neugewonnene Machtstellung in Europa. Für diese Leidzufügung, welche doch nicht Unrecht war, forderten die Franzosen Rache (revanche pour Sadowa). Ein Dienstbote mag, auch seiner eigenen Meinung nach, nicht mit Unrecht fortgejagt sein. Trotzdem wird er, wegen des ihm zugefügten Leides, vielleicht Rache an seiner Herrschaft nehmen.

Also jede Leidzufügung kann, auch wenn sie von dem Verletzten nicht als Unrecht empfunden wird, eine Reaktion bewirken, nämlich diejenige der Rache.

Wie aber, wenn die Schädigung dem Betroffenen Unrecht dünkt? In diesem Falle sind drei Reaktionen möglich.

1) Die reine, ungemischte Reaktion der Rache.

Die ungerechte Verletzung verletzt nicht blos den Egoismus, sondern auch das Gerechtigkeitsgefühl des Beschädigten. Daher empfindet er gewöhnlich nicht nur Rachgier, sondern fordert auch die Bestrafung des Schädigers. Zuweilen jedoch wird der Umstand, dass in seiner Person auch das Recht verletzt worden ist, ihm gleichgültig sein: er fühlt blos die Schädigung seines Egoismus, nur das egoistische Verlangen. nach Rache.

Insofern ungerechte Verletzungen verletzender wirken. mögen, als andere, kann das Unrechte an ihnen die Rachgier erhöhen.

2) Die reine, ungemischte Reaktion des Gerechtigkeitsgefühls.

Die Rachgier schweigt vielleicht. Blos die Schädigung des

Rechts empfindet der Verletzte; nur sein Gerechtigkeitsgefühl reagirt.

Aeusserlich betrachtet fordert man aus Gerechtigkeitsgefühl und aus Rache dasselbe: Vergeltung, Leid dessen, welcher uns Leid zugefügt hat. Innerlich betrachtet aber liegt das Verlangen nach Strafe an einer andern Stelle des menschlichen Gemüths, wie dasjenige nach Rache. Während Rachgier aus dem Hang entspringt, sich nichts bieten, sich nicht unterjochen zu lassen, stammt das Verlangen nach Strafe aus jenem mysteriösen Bewusstsein in uns, aus dem Gewissen, welches bei manchen Handlungen (auf hohen Kulturstufen bei Schädigungen, die Jemand uns oder andern Menschen zufügt) laut wird und den Ausspruch thut, dass denjenigen, welcher so gehandelt hat, Leid treffen solle; nicht, wie bei der Rache, unsers Vergnügens, unserer Schadenfreude wegen, sondern weil es sich, jener inneren Stimme nach, so gebührt, dass auf gerade diese und diese Handlungen Leid als Vergeltung, das ist Strafe folgt. Wie dies geheimnissvolle Bewusstsein in den. Menschen hineingekommen ist; warum es bei manchen Handlungen spricht, bei andern schweigt oder gar Lohn als deren. Vergeltung fordert, kann erst später (§ 26) dargethan werden. Aber soviel ist bereits klar, dass Rachsucht, eine Schwester des Neides, der Schadenfreude, und das Verlangen nach Strafe, eine Aeusserung des sittlichen Bewusstseins, an keinem Punkte mit einander zusammenhängen. Ihre specifische Verschiedenheit zeigt sich noch in Folgendem.

Rachgier setzt eine Verletzung voraus, und zwar unserer selbst oder eines der Unsrigen: denn nur so wird der Hang, sich nichts bieten zu lassen, irritirt. Verlangen nach Strafe hingegen kann auch dann eintreten, wenn nicht gerade

wir verletzt worden sind. Dass Jemand unsere Person zum Schauplatz einer strafwürdigen Handlung gemacht hat, ist dem Gerechtigkeitsgefühl vielmehr nebensächlich, gleichgültig. Es äussert sich genau so stark, wenn irgend ein anderer Mensch geschädigt worden ist. Denn dies Gefühl wurzelt eben nicht im Persönlichen, Selbstsüchtigen. Nicht wegen der Verletzung, die mir zugefügt ist, soll Strafe eintreten, sondern wegen der Verletzung des Rechts, der Moral. Diese sind aber in mir nicht mehr geschädigt, als in irgend einem andern Menschen. Ja, um das Verlangen nach Strafe zu wecken, bedarf es nicht nur nicht der Verletzung der eigenen Person, sondern überhaupt nicht derjenigen eines Menschen. Jenes mysteriöse sittliche Gefühl in uns, das Gerechtigkeitsgefühl, bezeichnet ausserdem noch manche Handlung als strafwürdig, zum Beispiel Gotteslästerung.

Also: das Verlangen nach Rache ist etwas Egoistisches, Persönliches; das Verlangen nach Strafe etwas Unpersönliches.

Sprachlich zeigt sich der persönliche, subjektive Charakter der Rache in der Verbalform sich rächen (Twoɛi odai, ulcisci), und der unpersönliche, objektive Charakter der Strafe in der Form: Jemanden strafen. Für mich, zu meinem Vergnügen verursache ich im ersteren Falle Schmerz: mich räche ich. Das Leid, welches ich aus Rache zufüge, kehrt seinem Zweck nach zu mir zurück. Das Leid dagegen, welches aus Gerechtigkeitsgefühl, als Strafe Jemandem auferlegt wird, ruht im Bestraften, wie in seinem letzten Ziel. Die Vergeltung der That ist Endpunkt, Endzweck, nicht wie bei der Rache Durchgangspunkt, Mittel.

3) Wir haben nun zwei Fälle erörtert: Man sieht entweder in der eigenen Verletzung nur diejenige des Rechts (reines Verlangen nach Strafe) oder in der Verletzung des

Rechts nur die eigene (reines Verlangen nach Rache). Ausserdem ist noch der dritte Fall denkbar, dass ein Gemisch aus beiden Reaktionen eintritt. Das Leid, welches man dem Verletzer wieder anthut, fliesst dann aus zwei Quellen; theils aus der Rachbegierde: man reagirt auf die eigene Verletzung; theils aus dem Gerechtigkeitsgefühl: man reagirt auf die Verletzung des Rechts; man fühlt sich berufen, abgesehen von dem Vergnügen, welches die Wiederleidzufügung gewährt, dem Verletzer Leid aufzuerlegen, im Namen der Gerechtigkeit, als die ihm sittlich gebührende Folge seiner That.

Damit sind alle Kombinationen erschöpft. Entweder die Leidzufügung wird nicht als Unrecht empfunden; dann ist nur Eine Reaktion denkbar, nämlich diejenige der Rache. Oder die Leidzufügung wird als Unrecht empfunden; dann sind drei Reaktionen möglich, nämlich blos Verlangen nach Rache oder blos Verlangen nach Strafe oder beide Verlangen

zusammen.

Die Rachgier ist also nicht auf das Gerechtigkeitsgefühl zurückzuführen. Sie sind koordinirte Grössen. Die Quelle der einen liegt weit ab von der Quelle der andern.

Demnach muss die Meinung der Rechtshistoriker, die Rache sei eine Offenbarung des Gerechtigkeitsgefühls, als Unsinn bezeichnet werden. Ebensogut könnte man den Neid, die Schadenfreude Aeusserungen des Rechts oder das Weisse eine Manifestation des Schwarzen nennen. Nicht das Rechtsgefühl (wie Berner meint) treibt den Verletzten zur Rache, sondern das Schmerzgefühl. Die Rache ist nicht, (wie Köstlin sagt) ,,Wiederherstellung des Rechts an dem Frevler", sondern Wiederherstellung des eigenen Machtbewusstseins durch Vernichtung des Thäters. Nicht ,,wegen einer schweren Rechts

kränkung übt das Individuum Privatrache aus" (wie Abegg meint), sondern wegen einer schweren Kränkung. Die Rache ist nicht eine,,Urform der Rechtspflege", sondern ein Zustand vor der Rechtspflege und es liegt in ihr keineswegs (wie Jarcke behauptet) ,,ein dunkles Bewusstsein des Menschen von der Nothwendigkeit, dass Unrecht aufgehoben und durch Strafe getilgt werden müsse." Von der Rache als von einer strafenden Tilgung des Unrechts wissen die Völker wohl nichts, welche aus Rache ihre Feinde fressen.

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Also: aus der Existenz der Rache auf den niedern Kulturstufen, aus dem Faktum, dass des Erschlagenen Sippe den Todtschläger wieder zu tödten versuchte, kann blos geschlossen. werden, dass sie die Tödtung als unlustvoll, nicht, dass sie dieselbe als Unrecht empfand. Nicht für schlecht galt es, Mitglieder einer andern Sippe zu tödten, sondern für rühmlich, ähnlich wie heute das Tödten im Kriege; und erst recht war das Wiedertödten, die Blutrache ruhmvoll. Somit, Leidzufügungen und Rache. Nicht: Unrecht und Strafe. Wie solche Leidzufügungen später den Charakter des Unrechts erworben haben und wie an die Stelle der Rache die Strafe getreten ist, soll untersucht werden. Erst aber müssen wir die auf den niedern Kulturstufen herrschende Rache, die Vorläuferin der Strafe, noch genauer betrachten.

§ 15.

Die Rache auf den niederen Kulturstufen.

a. Ein Schlag ruft einen Gegenschlag, der Gegenschlag einen Gegen-Gegenschlag hervor. Dies erklärt sich aus dem Wesen der Rache als eines Hanges, sich nicht unterkriegen zu lassen. Dementsprechend geht die Rache auch zwischen

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