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eigentlich geisterhafte Wesen zu sehen. Die Kobolde, Nixen, Unterirdischen gehören zweifellos zu den Geistern und Naturdämonen, aber die in den Bergen wohnenden Zwerge des mittleren und südlichen Deutschland besitzen ein weit mehr körperhaftes Wesen und nähern sich so den Zwergen der Heldensage. Ihre Urbilder stammen nicht aus der Luft, noch aus den Wolken, noch aus dem Wasser, sondern von der Erde selbst; es ist für die Ethnologen heute eine feststehende Tatsache, daß in Mitteleuropa in vorgeschichtlicher Zeit Zwerge gewohnt haben. Nur durch die Zurückführung der Zwerge auf jene vorgeschichtliche Bevölkerung erklären sich ihre Beziehungen zum „Menschengeschlecht“, d. h. zu den später einwandernden und sie bedrängenden größeren Rassen, die vielleicht schon Arier waren. Wer von diesen Zwergen nicht getötet wurde oder sich in die Schlupfwinkel schwer zugänglicher Gebirge retten konnte, wurde unterjocht und dienstbar gemacht, und sie wurden mit der Zeit willige, fleißige, treu ergebene Diener, die gerade durch ihr kleines, aber flinkes Wesen zur Bebauung des Ackers wie zu Handwerksarbeiten geeignet waren, besonders aber als kunstfertige Schmiede scheue Bewunderung erregten; es steht fest, daß die Arier zur Zeit ihrer Einwanderung in Europa in der Steinzeit lebten und keine Kenntnis der Metalle und der Schmiedekunst besaßen (s. u. Feuergott). Der stete Kampf aber mit den um ihr Land und ihre Freiheit ringenden Zwergen, die zuletzt auch aus ihren tiefen Wäldern und verschwiegenen Bergen vertrieben wurden, rief, zumal bei der hinterlistigen Kriegsführung mit all ihren Greueln, zu denen auch der oft erwähnte Frauenraub gehört, Abscheu gemischt mit Furcht hervor. In der Sage und Poesie lebt die seltsame Erscheinung des fremdartigen Zwergvolkes weiter, seine eigenartigen, dem Germanen so ganz widersprechenden Gewohnheiten, Sitten und Handlungsweisen, zumal im Kampfe, die Heimtücke und Rachsucht, aber auch die sklavische Unterwürfigkeit und hündische Treue. So versteht man die Klage der Zwerge über den Verlust des Landes, dessen Herren sie einst waren, über das Vordringen einer ihnen fremden Kultur und Religion, das sie zur Aus

wanderung zwinge, über die Schlechtigkeit des Menschengeschlechtes, das dafür noch werde zu büßen haben und schon durch Verkürzung des Lebens büße. Nur die Ethnologie erklärt also die wesentlichsten Züge in dem sagenhaften Bilde der Zwerge: ihre Herkunft, ihre Gestalt, ihre Wohnungsart, ihr Verhältnis zu den ,,Menschen", ihre Beschäftigung und die ihnen zugeschriebenen übernatürlichen Gaben. Aber mit diesen Gestalten der Gegenwart und Wirklichkeit verschmolzen die Seelen- und Naturgeister, die die Arier mitbrachten; erst so entstand in Süddeutschland das typische Zwergbild, das uns die Sage überliefert, und es erhielt neue Farbe und frisches Leben, als sie die miẞgestalteten Hunnen und Avaren kennen lernten. Attila wird ganz wie ein Zwerg geschildert, und das Nibelungenlied spricht von ,,wilden Zwergen", die mit den Hunnen verbunden waren. So ist die deutsche Zwergsage nicht aus einer, sondern aus zwei Quellen geflossen: in der Sage des norddeutschen Tieflandes überwiegt die geisterhafte Natur der Zwerge, in den Berggegenden die natürliche, menschliche.

Noch eine andere, hierher gehörende Sagengruppe läßt sich vielleicht aus denselben ethnologischen Verhältnissen erklären. Gegen die stärkeren Eindringlinge suchte sich die Urbevölkerung durch Anlegen von Hecken und Verhauen zu verteidigen. Aber erbarmungslos zertrat deren Fuß der Blumen bunte Pracht und raubte mit roher Gewalt die schönen Töchter des Landes, wenn ihnen nicht die List ihrer Hüter zuvorkam und ihnen Spott und Schaden bereitete. So dringt im Märchen vom Dornröschen der Prinz durch die Hecke und gewinnt die Braut (K. H. M. Nr. 50; die „natursymbolische" Deutung s. u. Mythen und Märchen); und aus denselben Schutzhecken gegen feindliche Überfälle können die durch die ritterliche Dichtung des Mittelalters bekannten Rosengärten stammen, der bei Worms, wo Gibich König ist, und der bei Meran, wo Laurin herrscht: ihre bisherige Deutung als alte Elfen- und Totenreiche hat nie recht befriedigt.

Pytheas von Massilia hat seltsame Kunde erfahren von den Eieressern, den Öonen, von denen noch Caesar hörte

(b. g. 410), von den Pferdefüßlern, den Hippopoden, von den Ganzohren, Panotiern, deren große Ohren den ganzen Körper bedecken und eine andere Bekleidung überflüssig machen. Es ist möglich, daß dieser Bericht eine märchenhafte Entstellung einer Mantel- und Kapuzentracht ist, wie sie Seeanwohnern zum Schutze gegen Regen und Wind nötig sein mochte. Aber bei den Pferdefüßlern ist man versucht, an die ganze oder halbe Roßgestalt des Nixes zu denken (S. 104). Gegen Plattfüßler und Langohren muß Herzog Ernst kämpfen: ihre Ohren reichen bis über die Knöchel herab und sind so breit, daß sie sich ganz darein hüllen können; sie bedürfen keiner Rüstung, da die Ohrenhaut hiebund stichfest ist (4824 ff). Vielleicht hat Pytheas Kunde von den deutschen Zwergsagen erhalten. Wenn selbst ein so verständiger Beurteiler wie Tacitus mythische Namen für wirkliche Volksstämme ansieht und sogar deren geographische Lage angibt, um wieviel verzeihlicher wäre ein solcher Irrtum bei dem Entdecker unserer Ahnen! Da noch heute Sage und Märchen vom Nix in Roßgestalt und vom Zwerg Langohr erzählen, könnten wir beide über 2400 Jahre zurück verfolgen und hätten in diesem Berichte des Pytheas die älteste direkte Erwähnung unserer Mythologie.

In der Schweiz glaubt man, das Echo rühre von den Zwergen her. Als Dietrich mit Ecke streitet, geben Berg und Tal Stimme und Antwort von sich, d. h. die in ihnen hausenden Zwerge. Große Schätze von Gold, Silber und Edelsteinen scharren sie in ihren Höhlen zusammen und bewachen sie sorgfältig (D. S. Nr. 30, 36, 160; K. H. M. Nr. 53).

Ruodlieb hat einem Zwerge vor der Höhle eine Falle gelegt; der ist hineingeraten, und die Hände sind ihm festgeschnürt; schreiend springt er hin und her, um fortzukommen, bis er endlich ermüdet und atemlos niedersinkt und wehmütig seinen Besieger um Schonung bittet: „Schenke mir Armen das Leben, ich melde dir etwas, das dir sicherlich angenehm ist. Wenn du mich nicht tötest und mir die Hände frei machst, zeige ich dir einen Schatz, den zwei Könige haben, Immunch und sein Sohn Hartunch; diese wirst du im Kampfe besiegen und töten. Dann bleibt nur des Königs Tochter, die schöne Heriburg übrig als Herrscherin über das ganze Reich. Es ist dir beschieden, sie zu gewinnen, aber nur mit großem Blutvergießen,

wenn du nicht meinem Ratschlage folgst, den ich dir geben werde, wenn du mich befreit hast". Auch im N. L. (468) wird Alberich gefesselt, und auch er bittet wie der Zwerg im Ruodlieb um Schonung (467). Wie Ruodlieb ein Schwert erhält (S. 114), so geben Schilbung (der Zitternde, Bebende, an. skjalfa) und Nibelung Siegfried zum Lohne für die Teilung des Nibelungenhortes König Niblungs Schwert (93). Alberich hütet den Schatz wie der Zwerg, den Ruodlieb fängt. Es ist soviel des Gesteines und Goldes, daß hundert Leiterwagen ihn nicht forttragen können, und hätte man die ganze Welt damit erkauft, er wäre dennoch nicht vermindert, denn der Wunsch lag darunter, ein golden Rütelein (1063/4). Auch nach dem Seyfriedsliede hüten Niblings Söhne, Eugels Brüder, ihres Vaters Schatz. Siegfried ladet ihn auf sein Rok und versenkt ihn heimlich im Rheine. Auf dem ersten Abenteuer, das jung Dietrich besteht, sieht er beim Verfolgen einer Hirschkuh einen Zwerg laufen; ehe er noch seine Höhle erreichen konnte, packt ihn Dietrich und schwingt ihn zu sich in den Sattel. Es ist Alberich, der berüchtigte Dieb und der listigste aller Zwerge. Als Lösegeld verspricht er Nagelring, das beste aller Schwerter, und als Dietrich mißtrauisch schwankt, schwört ihm Alberich einen heiligen Eid (Thidreks. 16). Einen goldenen Ring und ein Schwert erhält der Graf von Hoia von einem Zwerge, weil er ihm seinen Saal einräumt, in dem die Zwerge Hochzeit halten (D. S. Nr. 35, vgl. Nr. 303). Hochberühmt sind die Zwerge als Waffenschmiede. Alberich ist nicht nur der Dieb, sondern auch der Fertiger des Schwertes, das Ruodlieb zufällt. Er gibt dem Ortnit Schwert, Panzer und Helm, er schmiedet mit drei andern Zwergen zusammen das Schwert Eckesahs und Nagelring (Thidreks. 16). Alberich oder Euglin verschafft Siegfried das Schwert Balmung, sogenannt, weil es aus der Höhle (balma) stammt, oder „Sohn des Glanzes" (got. balms-Glanz). Wade bringt seinen Sohn Wieland zu dem berühmten Schmiede Mime in Niedersachsen, damit er dort schmieden lerne. Auch Siegfried befindet sich dort und tut den Schmiedgesellen manches Böse, schlägt und prügelt sie. Das Schwert, das Wittich, Wielands Sohn, führt, ist dem Meister zu Ehren Mimung genannt. Nach drei Jahren bringt Wade seinen Sohn zu zwei Zwergen im Berge Ballofa (Balve in Westfalen) und zahlt ihnen dafür, daß sie ihn zwölf Monate lang in die Lehre nähmen, eine Mark Goldes. Aber nach Ablauf des Jahres wünschen sie Wieland zu behalten und geben das Gold zurück: wenn jedoch Wade nach Jahresfrist nicht am bestimmten Tage zurückkäme, sei ihnen Wielands Leben verfallen. Wade läßt sein Schwert im buschigen Moore zurück, damit sein Sohn im Falle der Not sich seines Lebens wehren könne. Als er dann noch vor dem abgemachten Tage wiederkehrt, findet er den Berg verschlossen und legt sich schlafen. Infolge starken Regens und eines Erdbebens löst sich oben von dem Berge eine Klippe, stürzt mit einem Strome von Wasser, Bäumen, Steinen, Schutt und Erde auf Wade herab und tötet ihn. Um den Zwergen zu entgehen, reißt Wieland das Schwert heraus,

erschlägt sie, nimmt all' ihr Schmiedezeug und all' das Gold und Silber, bepackt sein Roß mit dem Schatze und verläßt Westfalen (Thidreks. 57 ff.). Im Arthusromane des Strickers „Daniel“ besitzt der Zwerg Juran ein wunderbares Schwert, dem keine Rüstung widerstehen kann. Seine Waffe, die sogar einmal mit der sagengemäßen Bezeichnung „sahs" benannt wird, schneidet Stein wie Holz: er haut in einen Fels ein solches Loch, daß man da durchreiten kann; wenn sich ein Mann auch in zwölf Halsberge kleidet, so ist er doch nicht dagegen geschützt. Er läßt sich mit Daniel in einen Zweikampf ein, dessen Preis in der Liebe einer Frau bestehen soll, darf aber sein Zauberschwert dabei nicht benutzen. Ein Kreis wird für den Kampf beschrieben, das Schwert wird weit außerhalb desselben niedergelegt, und bald zerbricht dem Zwerge sein Schwert. Daniel setzt dem kleinen Herrn fürchterlich zu, kann ihm aber weder Helm noch Halsberg verschneiden. Da springt Juran nach dem beiseite gelegten Schwerte, Daniel aber überholt ihn mit seinen langen Beinen und faßt es zuerst. Vergeblich sucht der Zwerg es ihm zu entreißen, mit seiner eigenen Waffe wird ihm der Kopf abgehauen. Wie Daniels versagt auch Dietleibs Schwert vor Laurins in Drachenblut gehärtetem Panzer (185, 1373). Der drollige Wettlauf zwischen Daniel und Juran erinnert an den Alberichs und Siegfrieds, die wie die wilden Leuen an den Berg rennen, bis Siegfried seinem Gegner die Tarnkappe abgewinnt (N. L. 97, 98).

Die Zwerge sind nicht nur geschickt und klug, sondern auch heilkundig.

Kriemhild ist auf dem Drachenstein durch die dem Ungeheuer entströmende Glut ohnmächtig geworden, auch Siegfried ist die Farbe entwichen und kohlschwarz sein Mund. Da gibt Eugel Kriemhild eine Wurzel in den Mund, und sogleich ist sie genesen. Ein anderer Zwerg heilt Helfrichs Wunden, die er von Dietrich empfangen hat, mit einer Wurzel (Eckenl.). Baldung, Alberichs Sohn, gibt dem Berner eine Wurzel, die den Zauber aufhebt, durch den Dietrichs Gegner, ein wilder Mann, unverwundbar ist. Er erzählt ihm, daß der wilde Mann den hohlen Berg in Besitz nehmen wolle, darinnen tausend Zwerge wohnten, und daß er jeden Zwerg töte, der vor den Berg käme. Sneewittchen wird durch die Zwerge vor Krankheit und Tod gerettet (K. H. M. Nr. 53).

Die Gestalt des Zwergkönigs, der dem kleinen Volke vorsteht, braucht nicht erst aus der Zeit der Völkerwanderung zu stammen, sondern kann sehr wohl auf Erinnerungen an die vor den einwandernden Deutschen ansässige Zwergbevölkerung beruhen, die natürlich gleichfalls ein Oberhaupt gehabt haben muß.

Der jungfräulichen Königin Virginal, die im Tiroler Hochgebirge thront, dienen viele edle Jungfrauen und Zwerge; sie benutzt den Zwerg

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