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und sich eine Strecke weit tragen zu lassen. In Westfalen, Hessen und im Schaumburgischen gibt es kein Dorf, wo sich nicht jemand fände, dem dies schon begegnet sein soll. Der Name scheint auf das plattdeutsche böxen - Hosen - zurückzuführen und einen Wolf zu bezeichnen, der Hosen trägt, also einen männlichen Werwolf.

Nicht immer ist der Werwolf ein verwandelter lebender Mensch, sondern ein dem Grabe in Wolfsgestalt entstiegener Leichnam. Der Werwolf hat im Grabe keine Ruhe und erwacht wenige Tage nach der Bestattung. Dann wühlt er sich, nachdem er das Fleisch von den eigenen Händen und Füßen abgefressen hat, um Mitternacht aus dem Grabe hervor, fällt in die Herden und raubt das Vieh, oder steigt in die Häuser, legt sich zu den Schlafenden und saugt ihnen das warme Herzblut aus; nur eine kleine Bißwunde auf der linken Seite der Brust zeigt die Ursache ihres Todes an. In diesen Sagen ist deutlich die Vorstellung von der Verwandlungsfähigkeit der Seele mit dem unheimlichen Glauben an den blutsaugenden Alp verbunden.

3. Die Seele in Menschengestalt.

Die ursprüngliche Vorstellung, daß eine entkörperte Seele mit dem Schlafenden in Verkehr tritt, mußte zu der Überzeugung führen, daß der Verstorbene in Menschengestalt wieder erscheinen könnte, um zu ermuntern oder zu quälen, zu warnen oder zu benachrichtigen, oder um die Erfüllung seiner eigenen Wünsche zu fordern. Diesen Zusammenhang von Seelenglauben und Traumleben bestätigt die Sprache selbst. Ahd. troc, as. gidrog = dämonisches Wesen, wurde ursprünglich nur von Toten gebraucht, die im Traume erschienen; das Wort Traum hatte anfangs nur die Bedeutung Totentraum. Zugrunde liegt die idg. Wurzel dhreugh,,schädigen"; der Draug (urgerm. draugaz) ist also das Unheilstiftende Wesen. Der Zustand aber, in dem die Seele von den Unholden heimgesucht wurde, hieß urgerm. draugwmós ,,Traum". Später überwiegt mhd. gespenste (ahd. gispanst) ,,Verlockung, teuflisches Trugbild", ein Verbalabstraktum zu

spanan,,locken" (lit. spéndžiu ,,Fallstricke legen"). Die ursprüngliche Konstruktion des Verbums,,träumen" zeigt noch deutlich den Glauben an die Wirklichkeit der Traumwelt: Die Person, von der nach unserer Anschauungsweise geträumt wird, galt im Altertum als die erzeugende Ursache des Traumes; man sagte nicht bloß unpersönlich,,mich träumte“, sondern der Mann hat mich geträumt": offenbar wird das Traumbild noch als ruhestörende, beängstigende Erscheinung gedacht. Schon im ahd. wurde die Passivität des Traumzustandes minder lebhaft empfunden: es hieß „mir troumte"; und als endlich das aufgeklärte Bewußtsein die völlige Subjektivität der Traumerscheinungen erkannte, sagte man stolz: ich habe geträumt.

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Im allgemeinen gilt das Wiedererscheinen als ein Unglück oder eine Strafe, nicht nur unheimlich und störend für die Lebenden, sondern auch als Qual für die Toten. Die Wiedergänger erscheinen in menschlicher Gestalt, grau, schattenhaft schwebend, meist im Leichengewande. Selbstmörder haben im Grabe keine Ruhe; Meineidige, Scheidengänger (Grenzsteinverrücker), Geizige, Wucherer, Hartherzige, Ungetreue und die, die mit einer nicht gesühnten und nicht selbstbekannten Sünde gestorben sind, müssen als Spukgeister erscheinen. Ein vergrabener Schatz läßt dem Toten keine Ruhe, bis er gehoben ist. Eine unvollendete Arbeit, ein nicht erfülltes Versprechen treibt ihn auf die Oberwelt zurück.

Ein Kind hat von der Mutter zwei Heller bekommen, um sie einem armen Manne zu geben, aber für sich behalten und in die Dielenritzen versteckt. Nach seinem Tode kommt es alle Mittage gegangen und sieht ängstlich nach den beiden Hellern, bis sie endlich von den Eltern gefunden und den Armen gegeben werden (K. H. M. Nr. 154). Doch behalten die Seelen auch nach dem Tode ihre menschliche Beschäftigung bei: die Geister der Gefallenen kämpfen über den Schlachtfeldern weiter, z. B. über den katalaunischen Gefilden die Hunnen und die Westgoten. Der Geist der toten Mutter kehrt wieder, um sich der vernachlässigten Kinder gegen die böse Stiefmutter anzunehmen; Mutterliebe ist stärker als der Tod (K. H. M. Nr. 11; 13). Aber es stört auch die Ruhe des Toten, wenn er zuviel beklagt und beweint wird. In der rührenden thüringischen Sage vom Tränenkrüglein bittet das Kind die Mutter, vom Weinen abzustehen. Im Märchen kann das Kind vor den Tränen der Mutter im Sarge nicht einschlafen :

das Totenhemdchen wird nicht trocken vor all den Tränen, die darauf fallen (K. H. M. Nr. 109).

Dem milden, versöhnenden Glauben, daß die Liebe auch die Pforten des Todes und der Hölle überwindet, steht die finstere, grausige Anschauung gegenüber, daß die Tränen der Braut, die über das Ableben des Geliebten in den Volksliedern meist unaufgeklärt ist, den Verstorbenen aus dem Grabe locken: er holt die Braut auf seinem Rosse und führt sie im gespenstischen Ritte in sein Totenreich. Das ist der volkstümliche Hintergrund von Bürgers Lenore.

Wie die ahd. Glossen ,,necromantia = hellirûna" oder ,,dohot-(dôt) rûna, d. i. Höllenzauber, Totenzauber" und,,mortiferi cantus seu spani, d. i. Lockung" zeigen, kannten die Deutschen Zaubergesänge, die den Toten aus dem Grabe zurückrufen konnten, um die Zukunft zu offenbaren oder durch Zauber Böses zu wirken. Noch heute kann man durch Zauberkunst die Seelen der Toten beschwören und herbeirufen, daß sie sichtbar erscheinen oder hörbar antworten müssen. Der Kundige geht des Nachts auf den Kirchhof, ruft den jüngst beerdigten Toten und legt ihm Fragen vor, meist über geschehene Diebstähle und verborgene Schätze.

Umgekehrt kannte die Vorzeit ein mit Runenzauber verbundenes Totenlied, den sisu (Geflüster), das den Geist des Verstorbenen an der Rückkehr auf die Erde verhindern sollte. Diese leise mit gedämpfter Stimme gesungenen Zauberlieder, die den Geist des Toten bannen sollten, waren mit Tanz und Opfer verbunden und wurden teils bei der Leichen wache, teils bei der Bestattung selbst angewandt. Der Indiculus (Nr. 2), eine Instruktion für Königsboten und Missionare von ca. 800, verbietet diese Totenlieder, dâdsisas, und Abt Regino von Prüm († 915) schilt sie,,Teufelsgesänge". Noch heute glaubt man, die plagenden Spukgeister bemeistern und in wüste Örter tragen und bannen zu können. Schon im 13 Jhd. zieht, wie noch heute, der Beschwörende einen Kreis auf dem Boden, steht selbst mitten im Kreise und zwingt die armen Seelen zum Erscheinen, um sie dann auf einen sumpfigen Ort zu bringen (Münch. Nachtsegen). Das Ziehen des Kreises

war ursprünglich eine rechtssymbolische Handlung. Der Schläfer denkt den Kreis um sich und sein Haus gezogen, zum Schutze vor dem nächtlichen, quälenden Gesindel.

4. Der Aufenthaltsort der Seelen.

Nachdem die Seele oder der Geist beim Tode den Körper verlassen hat, hält er sich in der Nähe des Grabes auf, wandelt auf der Erde oder fliegt in der Luft umher oder zieht in das eigentliche Geisterreich. Unter den Boden, unter die Schwelle grub man den Toten ein, um dem Hause einen Schutzgeist zu sichern. Der beliebteste Sammelplatz der Seelen ist der Altar des Hauses, d. h. der Herd, die uralte Begräbnisstelle. Norddeutsche Bauern erinnern sich noch, daß an den Ufern des sumpfigen Drömling der Eintrittsort in das Land der abgeschiedenen Seelen war. Das Schauspiel der in die Unterwelt versinkenden Sonne rief den Glauben hervor, daß das Seelenheim im fernen Westen gelegen wäre. England, die Gegend des Sonnenunterganges, galt dem germanischen Altertum als das Land der Toten. Procop, der Geschichtsschreiber des gotischen Krieges, hat im 6. Jhd. einen ausführlichen Bericht aufgezeichnet (IV, 20):

An der Küste, die Britannien gegenüberliegt, befindet sich eine große Anzahl von Dörfern, deren Bewohner von Fischfang, Ackerbau und Schifffahrt nach Britannien leben. Sie sind den Franken untertan, zahlen aber keinen Tribut, da sie von alters her die beschwerliche Pflicht haben, abwechselnd die Seelen der Verstorbenen überzusetzen. Vor Mitternacht merken sie, wie es an ihre Türen klopft, und hören die Stimme eines Unsichtbaren, der sie an die Arbeit ruft. Sogleich stehen sie auf, ohne sich zu besinnen, und begeben sich an den Strand, durch eine unbekannte Gewalt angetrieben. Dort finden sie Kähne vor, zur Abfahrt bereit, aber ganz menschenleer. Es sind das nicht ihre eigenen, sondern fremde Fahrzeuge. Sie steigen hinein und greifen zu den Rudern. Dann fühlen sie, wie die Schiffe durch die Menge der Mitfahrenden so schwer belastet werden, daß sie bis an die Deckbalken und die Rudereinschnitte im Wasser liegen und kaum einen Finger breit daraus hervorragen; aber zu sehen ist niemand. In einer Stunde schon sind sie am anderen Ufer, während ihre eigenen Boote die Überfahrt nicht unter einer Nacht und einem Tage machen. Am jenseitigen Strande entleert sich das Schiff und wird so leicht, daß nur noch der Riel die Wellen berührt. Sie sehen niemand auf der Reise, niemand bei der Landung, aber hören eine Stimme, die von jedem

neu Ankommenden Namen, Stand und Herkunft ausruft; bei Frauen wird der Name dessen ausgerufen, dem sie im Leben angehörten. Bis ins 13. Jhd. war die Erinnerung an ein britannisches Totenreich in Deutschland lebendig.

Deutsche Sagen wiederholen noch heute das Thema, wie die Mare aus Engeland über das Meer herüberkomme; da hört die von Heimweh Erfüllte von England her die Glocken klingen, noch einmal will sie ihre Mutter sehen, sie schmeichelt dem Manne den Urlaub ab und verschwindet, oft mit dem Rufe:,,wie klingen die Glocken in Engeland!" Da aber die Seelen des heidnischen Volksglaubens in christlicher Zeit häufig in Engel übergingen, ist es nicht ausgeschlossen, daß das himmlische Totenreich als Engelland bezeichnet wurde.

Eine besonders von den Seelen heimgesuchte Stelle sind, wie bei den Indern, Griechen und Römern, auch die Kreuzwege, vermutlich alte verlassene Begräbnisplätze. Sie sind daher der Sitz des mannigfachsten Zaubers. Schon Eligius verbietet das Lichtanzünden an Kreuzwegen.

Floh der Lebenshauch aus dem erstarrten Körper, so schwebte er in die Luft empor, und die Seele flog mit dem wütenden Heere einher. War der Sturm als die Vereinigung von Seelen gedacht, so mußte den Geistern, während der Wind ruhte, ein bestimmter Ruheort zugeschrieben werden. Aus den Bergen bricht der Wind hervor, im Berge verweilte der Windgott Wodan, so wurden die Berge zum Seelenheim. Der Indiculus (Nr. 7) verbietet die Opfer auf Steinen, Felsen und Bergen; denn in Bergen und Höhlen hausten die Seelen der Verstorbenen und kamen zu bestimmten Zeiten daraus hervor. Der Rattenfänger von Hameln lockt die Seelen der Kinder zu den Unterirdischen in den Koppenberg. In den Venus- und Hollenbergen verschwindet die wilde Jagd, und oft hört man das Heulen und Wimmern der Seelen aus dem Berge. Bei Worms wurde einst einige Tage hindurch eine große bewaffnete Menge von Rittern gesehen, die aus einem Berge herauszeg und wieder dorthin zurückkehrte. Endlich näherte sich einer von den Bewohnern ängstlich dem

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