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sie dem Toten mit ins Grab. Der toten Mutter gibt man Kamm, Schere, Fingerhut, Zwirn und Nadel und ein Stückchen Leinwand, Bettchen, Häubchen und Windeln des Kindes, und wenn ihr dieses selbst in den Sarg folgt, diesem Puppen und Spielzeug mit, damit die Mutter nur ja nichts zu holen habe. Aber neben diesen negativ vorbeugenden Mitteln gab es auch positiv abwehrende. Man erschwerte dem Toten nicht nur den Weg oder die Zurechtfindung, sondern man übte noch besondere Gebräuche und Vorsichtsmaßregeln, um den geisterhaften Angriff abzuwehren. Da die Zeit der schwärmenden Geister besonders die Nacht ist, zündete man

Feuer an, um die feindlichen Gespenster abzuhalten. Brennende Lichter schützen gegen Gepenster, gegen den Alp und gegen die Hexen; bei Kranken und neugeborenen Kindern müssen Kerzen brennen. Ebenso vertrieb man die Geister durch Lärm, wie z. B. noch heute in China bei Seuchen und Landplagen. Schießen und anderes starkes Lärmen, wie Knallen mit den Peitschen, auch Glockengeläute ist allgemein ein Mittel gegen böse Geister, besonders gegen Hexen. Durch Schießen am Pfingsttage vertreibt man die Unholde von den Feldern. Am Polterabend begann ein fürchterliches Lärmen in dem Hause, das die Brautleute beziehen sollten. Alle Fensterläden wurden geschlossen, jede Öffnung zugekeilt, nur die Haustüre weit offen gelassen. Dann wurde oben unterm Dache mit schrecklichem Lärmen und Poltern begonnen, vom Speicher pflanzte es sich durch alle Räume bis in den Keller fort, dann die Kellertreppe hinauf, zur Haustüre hinaus. Der „Polterabend" bezweckte also eine Reinigung des neu zu beziehenden Hauses von bösen Geistern und lehrt aufs deutlichste, mit welchen sinnlichen Mitteln man gegen diese vorgehen mußte. Noch heute werden auf den Weihnachtsmärkten „Brummtöpfe“ und „Waldteufel“ feilgeboten, die kein Mensch mehr zu etwas Nützlichem zu verwenden weiß. Aber zweifellos hat man mit diesen einmal die Geister von den Häusern fortgescheucht, und das Ding, mit dem man den Teufel wieder in den Wald trieb, hieß darum auch der Waldteufel". Ihm entspricht genau das

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Schwirrholz, mit dem manche wilden Völker noch heute lästigen Geisterbesuch fernzuhalten suchen. Und was soll die Rute, die heute zur Weihnachtszeit eine so große Rolle spielt? Schwerlich würden Kinder sie sich gewünscht haben, wenn diese zu ihrer Züchtigung gedient hätte. Früher erhielt das Kind grüne Zweige und Reiser mit den Martins- und Nikolausgeschenken, erst das 16. Jhd. legte der Rute pädagogischen Sinn unter, und noch heute droht man, höchst unpädagogisch, den Kindern zur Zeit der heiligsten Freude mit der Rute Knecht Ruprechts. Es ist ein idg. Glaube, daß die Berührung mit einer Rute unter gewissen Feierlichkeiten Krankheiten des Viehs vertreibt und die feindlichen Geister von Haus und Herd, Feld und Flur verscheucht. Aber die Rute, die ursprünglich nur abwehrt, wird später in der Hand des Hirten zur Lebensrute, die feindlichen Zauber abwendet und Wachstum hervorbringt, und auf dem Acker sogar ein Symbol der Fruchtbarkeit. Nr. 22 des Indiculus (de tempestatibus et cornibus et cocleis) handelt von Instrumenten, Hörnern und Muscheln, mit denen man Lärm machte, um Unwetter zu vertreiben. Offenbar sind unsere Wetterhörner und Wettermuscheln gemeint. Beim Blasen der Wettermuschel soll sich noch heute im Kinzigtale das Wetter „sichtlich" verteilen, und das „, Wetterläuten" ist allgemein bekannt. Karl d. Gr. verbot 789, gegen Wettergefahr Glocken zu taufen und mit Zauberformeln versehene Zettel an Stangen aufzuhängen.

Es ist merkwürdig, welche Scheu vor dem Wasser die Naturvölker den Geistern zuschreiben; man glaubt diese überall wiederkehrende Auffassung in eine Zeit zurückverlegen zu müssen, wo der Mensch dem Wasser noch wehrund machtlos gegenüberstand und es als feindliches, hinderndes Element betrachtete. Darum wird bei vielen Völkern das Totenreich jenseit eines Flusses gedacht, weil kein Wesen ihn zu überschreiten vermag. Noch heute gießt man des Nachts Wasser vor die Tür: dann bleibt der Tote wehklagend stehen und kann nicht hinüber.

Zwei alte Zeugnisse zeigen, wie grausam man die Wiederkehr des Toten zu verhindern suchte:

Eine mit ihrem Kinde in den Wochen estorbene Frau heftete man mit einem Pfahle im Grabe fest (Burchard von Worms). Eine Ehebrecherin ward mit einem Stricke, der aus ihrem eigenen Haare geflochten war, an einem Baume aufgehängt; nach drei Tagen ward ihr Leichnam verbrannt, die Asche ins Wasser geworfen, daß nicht die Sonne dunkle, nicht die Luft den Regen weigere, oder Hagel wüste: man fürchtete also, daß eine Verbrecherin als Gespenst weiter lebte und Schaden verübte, wenn der Körper nicht bis aufs letzte Stäubchen vernichtet würde (Ruodlieb VIII, 50-57).

Während wir unserer Toten nur noch gedenken können, waren unsere Vorfahren von ihrem Weiterleben und ihrer Gegenwart überzeugt. Aber sie suchten die Toten nicht nur fern zu halten, sondern sahen sie gern um sich, im eigenen Hause, reichten ihnen den Becher, rüsteten ihnen Tisch und Mahl und tranken mit ihnen Minne. Die Totenpflege unserer Ahnen entrollt uns ein Bild kindlich traulicher Innigkeit, das auch unseren Blick noch mit rührender Teilnahme zu längerem, liebevollem Verweilen zwingt. Was dem Verstorbenen auf Erden lieb und wert gewesen war, das gab man ihm mit ins Grab, damit er sich nicht von seinen Lieblingsdingen zu trennen brauchte. Die Gräberfunde gehören zu den ältesten Zeugnissen für mythische Vorstellungen; Waffen und Schmuckgegenstände, Geld und Gut, Handwerkszeug und Trinkhörner, Pferde- und Hunde- und Sklavenskelette, sowie Steinamulette sind aus dem Schoße der Erde wieder ans Tageslicht gefördert. Schon Tacitus bezeugt ausdrücklich, daß jedem Manne seine Waffen mitgegeben wurden (Germ. 27).

Im Grabe des Frankenkönigs Childerich in Tournay wurden eine Anzahl Münzen und auch der Kopf eines Pferdes gefunden. Mit dem toten Alarich werden reiche Schätze in den Schoß des Busento versenkt (D. S. Nr. 372), Alboin wurde in vollem Waffenschmucke beerdigt, und Kaiser Otto III. sah Karl den Großen im Dome zu Aachen in voller Kaiserpracht thronend und nahm das goldene Kreuz, das der Leiche am Halse hing, an sich. Noch 1781 wurde zu Trier ein Kavallerie - General nach altem heiligem Brauche bestattet: bei dem Leichenzuge wurde sein Pferd mitgeführt, und nachdem der Sarg in das Grab gesenkt war, getötet und in die Gruft geworfen. Eine letzte, schwache Erinnerung ist es, wenn noch heute bei der Bestattung eines Soldaten das gesattelte und aufgezäumte Streitroß hinter der Leiche mitgeführt wird, und wenn verstorbenen Ordensrittern die Orden bis an das Grab nachgetragen werden.

Dem Toten gebührte von Rechtswegen ein Drittel des eigenen Nachlasses als Ausstattung für das Leben im Jenseits. Dieser Totenteil bestand nicht nur aus Geld und Gut, sondern aus der Fahrnis überhaupt, die mit ihm verbrannt und begraben wurde. Er wurde in christlicher Zeit zum Seelgerät, Seelschatz, und der Tote erhielt seinen Anteil am eigenen Nachlasse dadurch, daß dieser zu kirchlichen oder wohltätigen Zwecken verwendet wurde; denn die Sorge für das Heil des Verstorbenen im Jenseits war jetzt Sache der Kirche.

Die sterbende Austrigild, die Gemahlin des Frankenkönigs Guntram, verlangte, daß jemand mit ihr sterben solle, und der König ließ ihre beiden Arzte töten (Greg. Tur. 5, 35).

Der grausame Brauch, daß die Witwe dem Gatten als sein Eigentum in den Tod folgte, gleich seinem Pferde und seinen Knechten, scheint schon zur Zeit des Tacitus verschwunden zu sein, denn er hätte ihn sonst sicher erwähnt (Germ. 27); aber bei den Herulern und Nordgermanen lebte er fort.

Wenn ein Heruler gestorben ist, muß seine Gattin, wenn sie etwas auf ihren Ruf gibt und ihr an einem freundlichen Gedenken nach dem Tode gelegen ist, sich am Grabhügel ihres Gemahls bald nach seinem Begräbnis erdrosseln. Wenn sie es nicht tut, so wird sie ehrlos, und die Verwandten ihres Mannes fühlen sich durch sie beleidigt (Prokop. b. got. 2, 14; vgl. K. H. M. Nr. 16).

Die ostdeutschen Leichenfelder zwischen Elbe und Weichsel haben nicht nur beträchtliche Massen gerösteten Weizens ergeben, sondern auch kugelförmige, aus gestoßenem Korn und aus Tonerde zusammengeknetete Opferbrote. Ags. Bußordnungen von 700 und Burchard eifern dagegen, Körner in einem Hause zu verbrennen, wo ein Toter liegt. Weitere Funde zeigen, daß man ausgehöhlte Steine auf die Gräber legte und in diese Spenden goß, zur Nahrung für den Toten. Papst Gregor III. verbot im Jahre 739 in einem Schreiben an die alemannischen Bischöfe die heidnischen Totenopfer. Auf dem I. deutschen National-Konzil 742 wird jedem Bischof aufgetragen, alljährlich bei der Synode Umfrage zu halten, ob jemand an Losdeuten, Wahrsagen, Amulette, Beobachtung

des Vogelfluges und Hexereien glaube, zur Nachtzeit über einen Toten singe, esse oder trinke und sich gleichsam über seinen Tod freue. Zahlreiche Zeugnisse aus dem 8. Jhd. bekunden, wie schwer der Kirche die Bekämpfung der Kulthandlungen an den Gräbern gemacht wurde. Karl d. Gr. erließ 785 zu Paderborn bei Todesstrafe den Befehl, daß die Sachsen auf den Gräbern ihrer Vorfahren nicht mehr tanzen, singen und schmausen sollten. Die erste Nummer des Indiculus verbietet den Sachsen das Totenopfer (de sacrilegio ad sepulchra mortuorum), und Burchard von Worms eifert noch um das Jahr 1000 gegen die Spenden, die in gewissen Gegenden an den Gräbern der Verstorbenen gebracht werden.

In welchem Ansehen die Totenpflege stand, und wie sehr mit ihr der Ahnenkult zusammenhängt, zeigt wiederum der Indiculus (Nr. 25: de eo, quod sibi sanctos fingunt quoslibet mortuos). Er verbietet, beliebige Tote zu Heiligen zu machen. Diese Gefahr lag für den Deutschen bei solchen Männern nahe, die schon bei Lebzeiten besondere Macht über ihre Mitmenschen und deren Geschicke besessen hatten; ihnen mußte ja nach dem Tode übermenschliches Können und Wissen zugeschrieben werden. In gleicher Weise verbietet das ags. Gesetz König Eadgars nebeneinander Totenbeschwörung und Menschenverehrung.

Die bereits besprochenen Schatzsagen (S. 13) zeigen, daß die Ruhe des Toten heilig war, und daß kein Frevler wagen durfte, nach den ihm mitgegebenen Schätzen zu trachten. Die Beraubung eines Toten (Walraub) war durch strenge Gesetze bestraft. Der Walraub war nach dem Edikt des Langobardenkönigs Hrothari Blutraub (plôdraub) oder Reraub (hrairaub). Blutraub beging man an einem Menschen, den man selbst getötet hatte, mochte der Totschlag um des Raubes willen verübt sein oder nicht. Dem Getöteten durfte man nach ags. Gesetz nichts nehmen, sondern man sollte den Leichnam auf den Schild legen, das Haupt nach Westen, die Füße nach Osten gerichtet. Selbst der, der beim Wegschießen der Aasvögel die Leiche mit dem Pfeile verwundete, mußte

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