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Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll,
Daß niemand weiß, wie er ihn meiden soll.

1. Die Seele als Atem, Dunst, Nebel, Schatten, Feuer, Licht und Blut.

Das ist in den allgemeinsten Zügen die Seelentheorie, wie sie allen Völkern eigen ist, in der das Leben, der Geist, der Atem, Träume und Visionen in einen gewissen Zusammenhang gebracht werden, um das eine durch das andere zu erkären. Selbst in den Sprachen der zivilisierten Völker finden wir noch ihre Spuren. Noch heute sagen wir: er ist außer sich, er kommt zu sich, und wenn er wirklich tot bleibt, bestätigen wir, er ist nicht mehr zu sich gekommen; in dem ersten Falle bezeichnen wir mit „er" den geistigen, in dem anderen den leiblichen Menschen. Wenn das Volk sagt, „er“ geht um, meint es seinen Geist. In einer gesunden oder kranken Haut stecken, aus der Haut fahren, sind bekannte Redensarten. Das Wort Geist, das Bewegliche, bedeutet vielleicht den erregten und bewegten Lufthauch; west- und ostgerm. Seele gehört zu alólos „beweglich, regsam“ und hängt mit dem Namen für See, got. saiws, zusammen: es ist nicht ausgeschlossen, für Seele an den sich bewegenden Atem zu denken. Ostgerm. ond gehört zur Wurzel anan und vergleicht sich gr. av-euos, lat. an-ima Luft, Wind, Atem. Auf dieselbe Wurzel geht auch ahd. ano, der Ahne, zurück. Der Ahn ist der Totliegende, Verstorbene, der ausgeatmet hat; auch nhd. ,,ahnen", voraussehen, kann zu der Wurzel an gehören. Man faßte also die als Atem den Leib verlassende Seele als Wind, als Lufthauch auf. Darum glaubt man noch heute, daß sich beim Verscheiden eines Menschen die Luft im Sterbezimmer mit leisem Wehen bewege, daß großer Sturm entstünde, wenn sich jemand erhängt habe, daß man ein Fenster oder eine Tür für die Seele öffnen müsse, wenn sie den Leib verlasse, und daß man eine Tür nicht stark zuschlagen dürfe, sonst klemme man die Seele ein.

Die Seele konnte auch als Rauch, Dunst und Nebel aufgefaßt werden; denn bei kaltem Wetter sah man für einen

Augenblick den Atem als eine schwache Wolke, die zwar für das Auge alsbald wieder verschwand, von deren Gegenwart man sich aber durch das Gefühl überzeugen konnte. Auch beim Gähnen scheint der Glaube gewesen zu sein, daß aus dem weitgeöffneten Munde die Seele entfliehen könnte; heute gebietet der Anstand, die Hand vor den Mund zu halten, einstmals tat man es, um das Entweichen des Seelenhauches zu verhindern.

In Hersfeld dienten zwei Mägde in einem Hause; die pflegten jeden Abend, ehe sie zu Bette schlafen gingen, eine Zeitlang in der Stube still zu sitzen. Den Hausherrn nahm das endlich wunder, er blieb daher einmal auf, verbarg sich im Zimmer und wollte die Sache ablauern. Wie die Mägde sich beim Tische allein sitzen sahen, hob die eine an und sagte: ,Geist tue dich entzücken

Und tue jenen Knecht drücken!"

Darauf stieg ihr und der andern Magd gleichsam ein schwarzer Rauch aus dem Halse und kroch zum Fenster hinaus; die Mägde fielen zugleich in tiefen Schlaf. Da ging der Hausherr zu der einen, rief sie mit Namen und schüttelte sie, aber vergebens, sie blieb unbeweglich. Endlich ging er davon und ließ sie; des Morgens darauf war diejenige Magd tot, die er gerüttelt hatte, die andere aber, die er nicht angerührt hatte, blieb lebendig (D. S. Nr. 248). In Kolmar hatte ein Kind die Eigenschaft, daß es an dem Orte, wo Tote lagen, immer ihre ganze Gestalt in Dünsten aufsteigen sah (D. S. Nr. 261). Die Tochter eines Bauern in Oldenburg pflegte nachts wie tot zu liegen. Als einst ein kundiger Handwerksbursch den Alkoven schloß, worin sie schlief, erblickte man die ausgefahrene Seele als eine Art Rauch oder Dunst, wie sie den Eingang suchte, bis der Verschlag wieder geöffnet wurde. Denn

s'ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster:

Wo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus.

Nachdem die Seele als der vom Körper entströmende Atem aufgefaßt war, wurde sie später um ihrer Feinheit und Unbemerkbarkeit willen mit einem Schatten verglichen. Der Geist oder das Gespenst, das der Träumende sieht, gleicht einem Schatten; während des Schlafes verläßt die Seele den Körper, wie während der Nacht der Schatten den Körper verläßt. Darum ist Schatten ein fast überall sich findender Ausdruck für Seele. Die Furcht vor den Schattenbildern schuf bei den Deutschen schemenhafte Gespenster (ags. scucca,

ahd. scema); hagu, wovon Hagen gebildet ist, bedeutet die geisterhafte Erscheinung, Hagen ist das Gespenst vor allen andern; selbst die Hexe ist nichts anderes wie,,die Schädigerin, die ein Gespenst ist". Im Volksrätsel vom Schatten klagt der Schatten des Abgeschiedenen seinem verlorenen Menschenkörper nach:

,Da du lebtest, lebte auch ich,

Da hättest du gerne gefangen mich.
Nun bist du tot, nun hast du mich,

Und daß ich sterbe, was hilft es dich ?"

Wer am Sylvesterabend seinen Schatten ohne Kopf sieht, stirbt im nächsten Jahre. Wer am Weihnachtsabend seinen Schatten doppelt erblickt, stirbt im nächsten Jahre. In der St. Markusnacht (25. April) kann man an der Kirchentüre die Schatten derer sehen, die demnächst sterben werden. In Luthers Tischreden heißt es: Wenn ein Übeltäter zum Richtplatze geführt wird, soll ihm die Erde seines Schattens weggestochen oder weggestoßen werden und er selbst darauf Landes verwiesen werden. Ein Edelmann im Gefolge Kaiser Maximilians I. sollte in der Nacht einen Gefährten erstochen haben; sein blutiges Schwert war neben der Leiche gefunden. Der Angeschuldigte schwor, sein Schlafgemach jene Nacht nicht verlassen zu haben, und konnte nicht überwiesen werden. Man'nahm an, der Teufel müßte die Schattengestalt des Angeklagten angenommen und die Tat verübt haben. Darum ward er gegen die Sonne geführt und hinter ihm seinem Schatten der Kopf abgestoßen. Diese Scheinhinrichtung, am Schatten vollzogen, wurde einer am Verbrecher ausgeübten für gleich gehalten. Swaz ich im tuon, daz sol er mînem schatten tuon“, ist ein oberdeutsches Rechtssprichwort.

Da der Schatten dem Körper stets nachfolgt, wurde er als eine besondere rätselhafte Gestalt, als ein besonderer Geist gefaßt, der um das Wohl des Körpers liebend besorgt ist. So entwickelte sich der Glaube an die Schattengeister, Schutzgeister, die dem Menschen angeboren sind: sie begleiten ihn von der Geburt bis zum Grabe, warnen ihn in Gefahren sichtbar oder flößen ihm ein gewisses vorahnendes Vermögen ein. Diese Vorstellung, die allgemein heidnisch ist, wurde von der katholischen Kirche übernommen: alle Länder, alle Menschen haben Schutzheilige.

Tot und erkaltet liegt der Leichnam da, ohne jede Wärme, alle Tätigkeit und alles Leben ist erstarrt. Seitdem der Mensch an der Opferflamme des Zauberers die Wirkungen

von Wärme und Kälte kennen gelernt hatte, lag es nahe, im lebendigen Leibe ein sanft loderndes Feuer anzunehmen, das den Körper beseelt und belebt, wie das verborgene Feuer die dunklen Reibhölzer und den geschliffenen Stein. Die Auffassung der Seele als Licht, Feuer ist daher jünger.

Die Feuermänner sind arme Seelen, die einst Grenzsteine verrückt oder sonst übles getan haben; sie erscheinen des Nachts entweder ganz feurig leuchtend oder nur feuerspeiend oder ziehen einen Feuerstreifen hinter sich her. Die Irrlichter, Irrwische, Heerwische hausen in Sümpfen und auf feuchten Wiesen, führen den Wanderer irre, leuchten ihnen aber auch bisweilen (D. S. Nr. 276, 283, 284). Wenn ein Licht von selbst auslöscht, stirbt jemand im Hause, ebenso wenn das Licht bei einer Leiche trübe brennt. Bekannt ist der Ausdruck, „einem das Lebenslicht ausblasen". Wir pflegen noch heute den Kindern am Geburtstage soviel Lichter um den Festkuchen zu stellen und anzuzünden, wie sie Jahre zählen. In dem Märchen Gevatter Tod (K. H. M. Nr. 44) wird eine unterirdische Höhle erwähnt, worin tausend und tausend Lichter in unübersehbarer Reihe brennen. Das sind die Leben der Menschen, einige noch in großen Kerzen leuchtend, andere schon zu kleinen Endchen heruntergebrannt; aber auch eine lange Kerze kann umfallen oder umgestülpt werden.

Nach der rohsten Auffassung ist der eigentliche Sitz der Seele das warme, feuchte Blut; nach seinem Ausströmen verläßt die Seele den Menschen. Blutsverwandte Menschen sind auch seelenverwandt: die das Blut aus demselben Blut haben, haben auch die Seele aus derselben Seele. Auch nach freier Wahl glaubt man die Blutsverwandtschaft erzeugen zu können, durch gegenseitige Aufnahme des Blutes, durch Blutmischung. Wer einen Teil des lebendigen Blutes mit einem zweiten tauscht, wird dessen wirklich blutsverwandter Bruder.

Bei den wilden Völkern ist der Blutbund noch heute üblich; Herodot erwähnt ihn bei den Skythen, Tacitus als armenisch-iberische Sitte (Ann. 12, 47). Auch bei den Deutschen finden sich dunkle Spuren dieser uralten Vorstellung. In dem mittelalterlichen Volksbuche, „der Römer Taten“ (67), wird der Hergang auf das Genaueste beschrieben: Ein Ritter schlägt einem andern vor, mit ihm einen Bund zu schließen und sagt: Ein jeder von uns wird aus seinem rechten Arme Blut fließen lassen; ich werde dann dein Blut trinken und du meines, damit keiner den andern weder im Glück noch im Unglück verlasse, und was der eine von uns gewinne, der andere zur Hälfte mitbesitze. Im Walthariliede erneuern der Held des Gedichtes und König Gunther das blutige Bündnis" (pactum cruentum, 1443). In den Teufelsbündnissen des Mittelalters spielt das Blut eine

wesentliche Rolle. Das Schreiben mit Blut ist natürlich eine Zutat, die bei Verdunkelung des ursprünglichen Sinnes der Handlung wie so oft zur Hauptsache wurde. Auch den Hexen wird ein Blutzeichen aufgedrückt, wenn sie mit dem Teufel ein Bündnis eingehen. Im 16. Jhd. gestand eine Hexe zu Köln, daß sie der Teufel auf der Stirn geritzt und damit gekennzeichnet habe.

2. Die Seele in Tiergestalt.

Die Seele, die den Leib verlassen hat, ist zum Geist geworden. Menschen, denen die Rufe der Vierfüßler und Vögel wie menschliche Sprache erscheinen und ihre Handlungen, wie wenn sie von menschlichen Gedanken geleitet wären, schreiben ganz logisch den Tieren so gut wie den Menschen Seelen zu. Wie das Tier gleich dem Menschen von Mut, Kraft und Schlauheit beseelt ist, muß es auch von einer Seele belebt sein, die nach dem körperlichen Tode ihr Dasein fortsetzt. Diese Seele kann auch ein menschliches Wesen bewohnt haben, und somit kann das Geschöpf ihr eigner Ahne oder ein einst vertrauter Freund sein. Hierin beruht die Vorstellung, daß, da alles in der Welt lebendig ist, auch alles Lebendige seine Gestalt wechseln, sich verwandeln kann. Der Mensch kann auf einige Zeit zum Tiere werden, das Lebendige kann auch zum Steine oder Baume werden, scheinbar starr und leblos erscheinen, aber dennoch seine lebendige Menschheit im Innersten der unbeweglichen Masse bewahren. Die Märchen und die mythischen Sagen der kultiviertesten Völker bezeugen diesen Totemismus aller Orten.

Unter den Tieren, in die sich die Seele verwandelt, nimmt die Schlange einen hervorragenden Platz ein. Ihr geräuschloses Gleiten, ihr stummes Züngeln, ihr plötzliches Erscheinen und Verschwinden, ihre stete Verjüngung, als Iwelche die Ablegung der alten Haut und deren Ersetzung durch eine neue erschien, hatten etwas Geheimnisvolles und riefen die Vorstellung hervor, daß sie Alter und Tod nicht kenne, daß sie eine Art göttliches Wesen wäre. Ihr Leben in der Dunkelheit, das sie mit den spukhaften Seelen teilte, ihre Vorliebe für Schlupfwinkel, die sie in der Nähe der

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