ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

bei Misswachs als Sühnopfer den Göttern geweiht ward, später aber nur noch abgesetzt wurde, findet sich ein Oberpriester unter dem Titel der Älteste (sinistus); er hat sein Amt auf Lebenszeit und ist nicht jenen Zufällen unterworfen wie die Könige (Ammian. Marc. 285; S. 443).

Neben dem Opfern und Befragen der Lose hat der Priester noch eine andere Thätigkeit. Wo das Volk als Ganzes versammelt ist, sind die Götter gegenwärtig. Die Priester wahren den göttlichen Frieden. Über den Ruhestörer im Thing wie den Brecher der Disciplin im Kriege haben sie das Strafamt, denn ein Vergehen gegen den heiligen Frieden, der über Thing und Heer schwebt, war ein religiöses Verbrechen. Sie sind die Bewahrer und Hüter des göttlichen Gesetzes, des Rechtes, daheim wie im Felde. Diese doppelte Thätigkeit des altgermanischen Priesters lassen bereits die Angaben des Tacitus erkennen. Bei Beginn des Thinges (si publice consultetur, Germ. 10) bringt der mit diesem Amte für immer oder nur diesmal betraute Priester das Opfer dar, stellt fest, dass die Förmlichkeiten der Einhegung erfüllt sind, und fragt die Götter durch das Los, ob ihnen die Beratung genehm sei. Dann erheischt er Schweigen (S. 461), gebietet den Thingfrieden und steht bei der nunmehr beginnenden Rechtsverhandlung als Êwart mit seiner Rechtskenntnis, kundig des Willens der Götter, dem Herzoge zur Seite. Er vollstreckt auch die Strafe, aber sie wurde nicht als solche angesehen; nicht wie ein Befehl des Herzogs, sondern wie ein Verhängen der Gottheit (Germ. 7).

[ocr errors]

Nach seiner gesetzgebenden und gesetzschirmenden Thätigkeit heisst der Priester ahd. êwart, êwarto (Wart der Ê, ahd. ê, êa, êwa Ehe; dieses ê ist unser leider vergessenes Wort für religio': Pfleger, Hüter des Gesetzes) oder ahd. êsago, êsagari, as. êsago, afries. â-sega (sega Sager: Gesetzsager, Gesetzsprecher, Richter); in Friesland bedeutet Asega noch im 12. Jahrhunderte Priester. Denn das Recht erschien den alten Germanen als göttlich, wie es auch mit dem Götterglauben eng zusammenhing. Der Gott, der es geschaffen, der allwaltende Tius kennt es allein vollständig, er lehrt es seine

[ocr errors]

Diener, die Priester, nach der fries. Sage die 12 Asegen (S. 300).

[ocr errors]

Die andere Seite, seine Thätigkeit als Leiter des Opfers, hebt die ostgerm. Benenung (got. gudja), die skandinavische gode (guđi, gođi) hervor, die mit gud Gottheit verwandt ist, also die Zugehörigkeit zur Gottheit aussagt (minister deorum Germ. 10; S. 475). Dem ostgerm. gudja, das schon Wulfila für iegaus gebraucht, entspricht die ahd. Glosse cotine (tribunus) goding; es lässt sich ein einfaches Coto annehmen, mit der Bedeutung Priester und Richter. Als gemeinsamer Name für alle germ. Völker wird daher *Gotjo anzusetzen sein. In Deutschland hat sich vielleicht das Wort goto, gote in der eingeschränkten Bedeutung des Tauf- und Firmpaten erhalten, der und die Göte, in der Schweiz heisst jeder Priester Herr Götti; in alten Urkunden kommt der Eigenname Godjo vor, er hat sich in Goethe erhalten. Ahd. harugari bedeutet den Hüter des von einem Steinzaune umschlossenen Heiligtums, des Tempels; paraw-ari ist der Vorsteher des gehegten Haines, pluostrari hiess der Priester, insofern er opferte. Der burgundische Titel,der Älteste' (Sinistus, vgl. Siniskalk, der Altknecht, lat. senex) hebt die wirkliche Macht des Priesters hervor. Sinistus ist wie der arabische Scheik nicht der den Jahren nach Älteste, sondern der Vornehmste, aus altem Adelsgeschlecht entsprossene. Aus dem Adel wurden bei den Goten Priester und Könige gewählt (Jord. 5); die Vornehmsten und Weisesten wurden Priester (Jord. 11). Wegen dieser engen Verbindung des Priestertums mit dem Adel richteten die Missionare ihre Bekehrungsversuche immer zunächst an den Adel; denn sobald dieser für das Christentum gewonnen war, hörte der Widerstand des Volkes auf. Noch Jahrhunderte lang nach dem Übertritte zum Christentum gelangen mit seltenen Ausnahmen nur Adelige in den Besitz der Bistümer und der höheren geistlichen Stellen; auch hier nahm die Kirche Rücksicht auf das gemeine Volk, bei dem ein Priestertum ohne Adel keine Achtung gefunden hätte. Als später diese Beweggründe fortfielen, erhielt sich die üblich gewordene Sitte. In der Slavenschlacht am 18. Juni

1

992 fiel Thiethard, der Fahnenträger der Deutschen, ein Diakon der Verdener Kirche, und am 22. August desselben Jahres der Bremer Priester Halegred ebenfalls mit der Fahne der Deutschen (Annalista Saxo ad a. 992).

[ocr errors]

Die Amtstracht war ein lang herabwallendes Gewand, bei den Goten von weisser Farbe (Jord. 10). Bei den Nahanarvalen waren sie mit weiblich wallendem Haar ausgestattet (Germ. 43); als Männer im Frauenhaar kennzeichnet sie ihr Name hazdingôs. Die got. Priester trugen wie die Edeln Hüte auch während des Opfers (Jord. 5. 11). Den ags. Priestern war es verboten, Waffen zu tragen und auf Pferden zu reiten (Beda h. e. 213); auch die weissen Pferde des Himmelsgottes, die in den heiligen Wäldern und Hainen aufgezogen wurden, durften durch keine irdische Dienstleistung befleckt werden (Germ. 10). Gemeingermanisch war die Sitte, dass der Priester bei öffentlichen Handlungen, besonders bei den Thingen, die er hegen sollte, einen Eidring am Arme trug; beim Opfern wurde dieser in das Blut des Tieres getaucht, auf ihn wurde auch der Eid abgelegt.

Die Einkünfte der Priester bestanden aus Opfergaben, die er am Vorabende des kommenden Festes einforderte, teils als Opfergaben für die Götter, teils zu seinem eigenen Unterhalte. Es geschah im Namen der Gottheit, deren Fest gefeiert werden sollte, unter dem Absingen von Liedern.

2. Wahrsagerinnen und Priesterinnen.

Der Glaube an eine höhere Würde und Weihe der Frauen wurzelte tief im deutschen Gemüte (Germ. 8). Grauenhaft ist noch das Bild, das Strabo von den weissagenden Priesterinnen der Kimbern entwirft, die sie auf der Heerfahrt begleiteten (72). Es waren grauhaarige, barfüssige Weiber in weissen Gewändern, mit Mänteln von feinstem Linnen und ehernem Gürtel. Sie holten die Kriegsgefangenen mit Schwertern in den Händen aus dem Lager ab, bekränzten sie wie Opfertiere und führten sie an einen hohen ehernen Kessel. Dann bestieg eine von ihnen einen Tritt und durchschnitt, über den Kessel

gebeugt, dem über den Rand emporgehobenen Gefangenen die Gurgel. Aus dem Blute, das in den Kessel rann, weissagten sie. Andere schnitten ihm den Leib auf, durchsuchten die Eingeweide und prophezeiten daraus den Ihren den Sieg. Während der Schlacht trommelten sie auf Fellen, die über die geflochtenen Wagendecken gespannt waren, und machten damit gewaltigen Lärm, der die bösen Mächte abwehren sollte. Caesar erzählt, dass die deutschen Hausmütter im Heere des Ariovist aus Los und Weissagung die Zeit bestimmten, wann ein Sieg zu hoffen wäre (b. g. 150, Cass. Dio 3848); nach Plutarch diente ihnen statt des fliessenden Blutes der wirbelnde, strudelnde Fluss (Leben Caesars 19). Die berühmteste altgerm. Priesterin war bei den Bructerern in Westfalen Veleda. Ihr Name war ein blosser Ehrenname: Wohlwollen, Gnade (vilida, got. vilitha zu viljan, velle) oder eine Bezeichnung ihres Standes: weise Frau, Seherin (urkelt. *velet = Seher, Dichter). Ganz besonders ausgezeichnete Seherinnen hielten die Deutschen für göttliche Wesen, und dieser Nationalaberglaube (Hist. 461) steigerte sich bisweilen so sehr, dass sie geradezu für Göttinnen galten. Auch Veleda wurde für eine Göttin angesehen (Germ. 8), denn sie hatte eine den Batavern günstige Wendung und die Vernichtung der röm. Legionen vorausgesagt (Hist. 461). Sie erteilte weit und breit Befehle und wohnte auf einem hohen Turme. Die umwohnenden Stämme schickten freiwillig Geschenke zu ihr, aber sie von Angesicht zu sehen, oder sie anzureden, war keinem gestattet; einer aus ihrer Verwandtschaft überbrachte Fragen und Antworten, wie ein Götterbote. Von ihrer Entscheidung machten die Ubier das Schicksal Kölns abhängig; ein erbeutetes Römerschiff wird ihr als Geschenk die Lippe hinaufgeführt (Hist. 522). Die Römer schätzten den Einfluss einer solchen Priesterin ganz richtig und suchten sie durch Versprechungen und Drohungen zu bewegen, dem Kriege ein Ende zu machen (Hist. 524-25). Unter Vespasian ward sie gefangen genommen, und Tacitus sah sie wahrscheinlich in Rom bei dem Triumphe über die Bataver mit eigenen Augen (Germ. 8; Statius, Silvae 14, 90).

Tacitus bemerkt ausdrücklich, dass man auf viele Frauen mit gleicher Ehrfurcht blickte (Hist. 461), und nennt gleichsam als die Chorführerin einer grossen Schar weiser Frauen aus der Zeit vor Veleda die Albruna (Germ. 8). Sie trat zur Zeit der Kriege des Drusus und Tiberius auf. Anstatt des handschriftlichen Aliruna, Aljaruna die anders, unverständlich Redende ist Albrûna zu lesen, das mit der Runenkraft der Elbe, das mit Zaubermacht und Weissagung begabte Weib. Zu den von Tacitus ungenannt gelassenen weisen Frauen gehört die semnonische Ganna, zur Zeit des Domitian (Dio Cassius 675); sie kam mit dem Semuonenkönige Masva zum Kaiser nach Rom und wurde von ihm ehrenvoll aufgenommen, da Domitian jedem Aberglauben zugänglich war. Auch ihr Name, der Zauberkunst' bedeutet, ist ein Ehrenname. Auch an das Weib mag Tacitus gedacht haben, das von mehr als menschlicher Grösse dem Drusus im Jahre 9 v. Chr. entgegentrat und sprach: Wohin eilst du, unersättlicher Drusus? Das Geschick hat dir nicht bestimmt, alles zu schauen. Kehre um! denn deiner Thaten und deines Lebens Ende ist nahe herbeigekommen. Drusus kehrte eilends um und starb, bevor er an den Rhein gelangte (Cassius Dio 551. Sueton., Claudius 1). Auf Vitellius lastete der Verdacht, seine Mutter getötet zu haben; während ihrer Krankheit soll er verboten haben, ihr Speise zu reichen. Denn eine chattische Frau, deren Worten er unbedingt wie Orakelsprüchen glaubte, hatte ihm prophezeit: nur dann könnte er eine sichere und lange Herrschaft haben, wenn er seine Mutter überlebt hätte (Sueton., Vitell. 14). Bei den Winnilern nahm die Stelle der Veleda die Seherin Gambara ein, die Scharfblickende, Kluge'; sie wandte sich an Frija und betete um den Sieg ihres Stammes über die Vandalen (S. 326). Bei den Goten kommen noch während der Völkerwanderung Priesterinnen neben Priestern vor. Als die Westgoten in das röm. Reich einbrachen, führte jeder Stamm die Heiligtümer aus der Heimat mit sich, samt den Priestern und Priesterinnen (Eunapius). Chlodwigs Mutter, die Thüringerin Basina zeigte in einer Vision ihrem Gemahle die Zukunft des Merovinger

1

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »