ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Metrisches aus dem Kinderliede.

Bon Rudolf Hildebrand in Leipzig.

Aus unsern Kinderliedern und Sprüchen ist viel für unsere Metrik zu lernen, ja eigentlich das Beste, das Grundlegende. Und da im vorigen Hefte ein Kinderlied zur Mittheilung kam, das seinem Inhalt nach wohl lehrreich gefunden wurde, möchte ich die Gelegenheit nicht ungenußt lassen, es auch seiner Form nach lehrreich zu zeigen, wie es mir nebst anderen Kinderliedern in metrischen Vorlesungen die allerbesten Dienste thut.

Für unsere Metrik sage ich, und meine das unser ganz nachdrücklich, für die deutsche Metrik in ihrer rechten Eigenart, die sich erst noch durchzukämpfen hat zur Erkenntniß und Anerkennung, wenigstens in den weiteren Kreisen, die über die engere Wissenschaft hinausgehen, und wohl auch noch in den weiteren Schulkreisen, wo alte Überlieferung so fest zu sizen pflegt, daß sie wie zu etwas Heiligem wird. Unsere Metrik als Wissenschaft oder Theorie liegt so zu sagen in einer Häutung, aus der sie zu reinerer, angeborener Gestalt sich herauszuschälen ringt. Es gilt, die alte Haut, die dürr geworden ist, vollends abzuziehen. Es ist sogar ein Kampf darum im Gange, der zum Theil mit wahrer Leidenschaft geführt wird, was man bei dem harmlos einfachen Gegenstande nicht für möglich halten sollte. Doch darauf näher einzugehen ist hier und heute nicht Ort und Zeit.

Es handelt sich, das ist doch zu sagen, um das Verhältniß der deutschen Metrik zur antiken, genauer zu der Schulmetrik, wie sie sich allerdings schon in der Zeit des Alterthums für die griechische und römische Dichtung herausgebildet hat. Zu dieser stand sie seit dem 17. Jahrhundert, hauptsächlich seit Opit, in einem Verhältniß von Abhängigkeit, das nicht fortzuführen ist, seit man die deutsche Art mit deutschen Augen zu sehen, das deutsche Wort mit deutschen Ohren zu hören lernt. Kein Wunder bei dem früheren Stande unseres Selbst= bewußtseins, das eben fehlte oder doch durch gelehrte Schulüberlieferung gebunden und gleichsam verschoben war. Es ging der deutschen Metrik darin, wie vielfach auch der Grammatik.

Viele, vielleicht die Allermeisten, auch Solche, die die altdeutsche Schule einigermaßen genossen haben, stehen noch in der Meinung, auch

Beitschr. f. d. deutschen Unterricht. 3. Jahrg. 1. Heft.

1

der deutsche Vers baue sich auf aus Jamben und Trochäen, Daktylen und Spondeen u. s. w., nur mit dem Zugeständniß, daß diese Versfüße statt aus langen und kurzen, wie in der antiken Metrik, aus betonten und unbetonten Silben hergestellt würden. Das ist die Lehre, die Opitz aufstellte, der als Humanist geschult über das Deutsche kam, die Lehre, für die in unserm Jahrhundert J. H. Voß focht und später mit Leidenschaft Joh. Minkwiz. Es war und ist jezt noch Manchem, als ob aus der mit unendlicher Mühe hergestellten Krone unserer Bildung einer der kostbarsten Edelsteine ausgebrochen würde, wenn man diese Lehre bräche. Und doch ist sie nicht haltbar, seit man in altdeutscher Schule unsere Dichtungsform mit deutschen Augen ansehen lernt.

Wir haben keine Jamben, keine Spondeen u. s. w., wenn man genau reden und verfahren will, und das muß man doch, wenn es sich um die erste Grundlegung einer Wissenschaft handelt, sie gehören zu der dürren Haut, die abzustoßen ist. Und hielte mir jemand ein, unsere großen Dichter, auch Goethe und Schiller hätten doch mit diesen Versfüßen gearbeitet und damit wären diese genug gesichert, so wäre zur Entgegnung vorzuführen, was gerade Goethe und Schiller mit ihren Daktylen und Spondeen für Ärger gehabt haben, als sie sich auf den Hexameter warfen, so daß Goethe nachher der gelehrten Metrik einen zornigtrozigen Absagebrief schrieb in dem Spruche Ein ewiges Kochen statt fröhlichem Schmaus“ u. s. w. (3, 280 Hempel), wie er an Zelter 2, 455, vom deutschen Hexameter redend, ausbricht (i. J. 1818):,,Gott behüte mich vor deutscher Rhythmik!", d. h. vor gelehrt antiker, wie sie Voß, A. W. Schlegel, Fr. A. Wolf vertreten, die durchaus auch deutsch werden. sollte, es aber nicht konnte und nicht kann.

Wenn das einem Künstler wie Goethe widerfahren konnte, will man sich da noch auf die Ausrede zurückziehen, er habe doch nicht genug griechisch-römische Schule gehabt? Nein, genügendes deutsches Schulbewußtsein gieng ihm dabei ab, das damals überhaupt noch fehlte, und nur eins ist damit bewiesen mit vollgültigem Erfahrungsbeweis, daß der alte Schulstandpunkt ein falscher war und ist und endlich anders genommen werden muß. Die antike Metrik in allen Ehren, wo sie in ihrem rechten Gebiete bleibt, aber deutsche Metrik muß und kann nur auf deutscher Sprachart ruhen oder aus ihr erwachsen, das ist so sicher, wie daß auf einem Apfelbaum keine Birnen wachsen können.

Wenn aber Goethe am Ende jener Absage seine eigenen Verse in Hermann und Dorothea u. s. w. als Knittelverse behandelt:

Und sollen uns patriotisch fügen,
An Knittelversen uns begnügen,

wenn also sein Zorn in verzweifelten Kleinmuth ausläuft, statt in eine Ahnung des wahren Verhalts (die er doch schon von K. Ph. Moriz her hätte haben können, eigentlich auch hatte), daß er den Patriotismus des deutschen Dichters in die Entsagung sezt, auf die höchsten Ziele der Kunst, denen er nun wohl schon ein halbes Jahrhundert lang mit allen Sinnen zugearbeitet hatte, in der Kunstform endgültig zu verzichten und wieder zu der angeborenen Barbarei zurückzukehren, also dem leuchtenden Muster der Griechen und Römer gegenüber das geborene Aschenbrödel zu bleiben mit Versen, für die es nur die Regeln der Jobsiade gibt so steigt in mir diesem Zorn gegenüber, wenn man die wahre Sachlage sieht, ein anderer Zorn auf, für den mir Walthers Worte in den Mund kommen: des muoz ich vor zorne lachen. Merkwürdig aber, man sieht da Goethen noch in einem Stande des deutschen Bewußtseins oder vielmehr Unbewußtseins vor der strengen Herrschermiene der antiken Schulweisheit, wie um ungefähr tausend Jahre früher Otfried, den guten deutschen Mönch, wenn er in der lateinischen Widmung seines Dichtwerkes an den Erzbischof Liutbert von Mainz sich patriotisch ängstlich vor den Gelehrten zu entschuldigen anstrengt, daß er es wage diese hohen Dinge in dem barbarischen Deutsch zu dichten. Da stehen die mit Schmerz geschriebenen Worte: hujus linguae barbaries, ut est insueta capi regulari freno grammaticae artis, ungewohnt, sich von den zügelnden Regeln der grammatischen Kunst und Wissenschaft fangen und lenken zu lassen (wie ein wildes Füllen). Der patriotische Schmerz bricht nachher sogar in den Jammer aus, fast mit jedem Worte mache die Muttersprache einen Fehler: paene propria lingua vitium generat per singula verba. Eine Probe, woher der Schmerz, gibt die Klage, während im Latein zwei Verneinungen eine Bejahung ergäben, verneinten sie im Deutschen fast beständig! Ich fürchte, das thut noch jezt bei dem und jenem gut geschulten Leser seine Wirkung, wie da bei Otfried, und ist doch ebenso spaßhaft oder spaßhaft ärgerlich, zum zornigen Lachen, wie der ganze patriotische Jammer. Davon vielleicht ein andermal. Es ist aber wunderbar, im 19. Jahrhundert Goethe als deutscher Dichter noch in demselben Stande der Selbsterniedrigung, ja Selbstverachtung vor falschen, aber übermächtigen Schulbegriffen, wie im 9. Jahrhundert der erste uns dem Namen nach bekannte deutsche Dichter. Steigt nicht da jedem das Gefühl auf, daß es nunmehr nach 1870, in unserem neuen deutschen Leben endlich an der Zeit sei, auch mit diesem Bodensaß des alten Lebens gründlich aufzuräumen?

Es ist nicht möglich, die angeregte Frage hier so gründlich zu behandeln als sie verlangte, und da ich vielmehr eine entschiedene

Antwort ausgesprochen habe, die Manchem als zu scharf und durchschneidend erscheinen wird, ist es jezt auch nicht möglich, die Schärfe als unvermeidlich zu rechtfertigen als nothwendigen Durchgang und Übergang vom Alten zum Neuen. Wäre dieser erst wirklich vollzogen im wissenschaftlichen Bewußtsein von deutscher Metrik und Rhythmik, dann wäre es Zeit, dem Alten, das einmal geschichtlich so tief eingegriffen hat in unser metrisches Bewußtsein, auch wieder eine zu kömmliche Stelle einzuräumen. Man kann einem falsch stehenden Grenzstein nur dadurch beikommen, daß man einen starken Stoß oder mehrere dagegen führt oder ihn ausgräbt, nachher ist eine neue Aufstellung auf der rechten Grenze möglich. Wenn aber die Bedenken wegen zu scharfen Auftretens sich z. B. an die Jamben hielten, die man doch in Meisterwerken wie der Iphigenie und Tasso nicht könne leugnen wollen, so wäre dem entgegen auszuführen, wie Goethes Verse da durch das Jambenbewußtsein keineswegs an Schönheit gewonnen haben, sondern eingebüßt, indem durch das zu schulmäßige Scandiren in Jamben der Rhythmus zu sehr in eine gewisse Eintönigkeit hinein und von natürlich lebendiger Schönheit abgekommen ist. Nichts aber ist schädlicher für die Schönheit des Rhythmus, als Eintönigkeit, selbst schöne. Man braucht sich nur ein paar Seiten Tasso laut vorzulesen und auf den rhythmisch-melodischen Tonfall ordentlich und unbefangen zu hören, da wird man das gewahr. Woran das tiefer gelegen ist und warum das Eintönige z. B. in Schillers Tell nicht auftritt, kann freilich jetzt auch nicht ausgeführt werden.

Um aber endlich zu unsern Kinderliedern zu kommen, so ist doch zunächst auch der Text des Kesselliedchens wieder mit herzusehen. Ich lasse es bei der mir aus der Kindheit her geläufigen Form, nur mit einer nöthigen Berichtigung:

Bauer, baue Kessel,

Morgen wird es besser,

Übermorgen tragen wir Wasser ein,

Fällt der ganze Kessel ein.

Von den vier Zeilen bewegt sich nur die letzte genau in dem Gleise der Schulmetrik, mit Hebung und Senkung regelrecht wechselnd, auch die zwei ersten doch nicht, wie sich gleich zeigen wird. In der dritten ist etwas Ungewöhnliches, das lehrreich ist. Nicht eben das tragen wir*), worin eine Senkung mit zwei Silben auftritt, aber das vorhergehende übermorgen, das mit seinen vier Silben doch nur einen.

*) Ich will die metrisch zu besprechenden Stücke in lateinischer Schrift geben, weil sie damit deutlicher vor Auge und Ohr treten.

Fuß darstellt. Unmöglich in der Schulmetrik, es ist ja aber nicht auf der Stube gemacht, sondern gleich beim Tanzen und Singen, dem also damit keine Störung entsteht, das seinen Zweck ganz in sich selbst hat, in keiner gelehrten Schulrücksicht, und solche Freiheit aus sich selbst erzeugen kann, auf Grund des theils natürlichen theils überlieferten deutschen rhythmischen Gefühls, das von den Schulregeln durchaus nichts weiß, obschon es sie auch unbewußt oder halb bewußt befolgen kann. Auch bei Goethe kommt der Fall vor, z. B. in einer allbekannten Stelle in einem Gedicht, wo er sich für das Gebahren mit dem Rhythmus von allen Schulrücksichten frei fühlte:

Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt.

Der Erlkönig ist ja eine Blüthe auf dem Baume von Herders Volksliedern gewachsen und einem überseßten dänischen Volksliede dort nachgebildet. Herder entband sich da von der strengen Schulmetrik, durch seine Vorlagen veranlaßt, und beide, Herder und dort Goethe, kamen damit auf den Boden des natürlichen deutschen Rhythmus, wenn auch nicht mit dem geschulten Bewußtsein, das dazu doch auch nöthig ist. Auf demselben Boden, vom Volksliede gegeben, stehen dann auch H. Heines Lieder und finden für ihren Bau da ihre Erklärung.

Was aber bei dieser Freiheit die Hauptsache ist und sie möglich macht - denn eine Freiheit (poetische Licenz ist der alte Schulausdruck) bleibt es doch und darf nur sparsam auftreten, es ist wie ein vorübergehender Stoß in die rhythmische Welle, daß sie für den Augenblick in unruhiges Schwanken kommt (solcher Stöße gibt es verschiedenartige, sie dienen fein verwendet ganz besonders zu lebendiger Schönheit des Verses) - was also die Hauptsache ist: die drei Silben in der einen Senkung sind an Gewicht nicht gleichwerthig, sie stellen vielmehr, in der Tiefe der Gesamtwelle, in sich wieder die rhythmische Wellenbewegung, das Auf und Ab dar, indem die mittlere die beiden andern überragt, obwohl sie an Höhe noch unter den beiden benachbarten wirklichen Hebungen und damit im Bereich der Senkung bleibt. Dieß natürliche Ton- und Sinngeseß ist denn auch in beiden Fällen gewahrt, wie es jeder beim eigenen Vortrag an sich selbst hören kann. Also, wenn ich den mißlichen Versuch mache, in unsern ungenügenden Schriftzeichen auszudrücken, was dem Ohre gehört: ich líe]be dích, mich [réizt u. s. w., und: ü]bermorgen [trágen wir u. s. w. Bleibt nur noch ein Wort vom Inhalt zu sagen, der zu der Freiheit guten Anlaß geben, sie aus sich erzeugen muß. Es ist eine Art Überstürzen der Wellenbewegung (die darauf wieder ins Gleiche kommt), und wie diese in des Erlkönigs Ausruf ganz gut aus der ausbrechenden leidenschaftlichen

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »