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selbst. Ergänzend treten dazu eine Reihe von Anmerkungen unter dem Texte, welche die nötigsten sachlichen Erklärungen geben und anderseits das Interesse des Schülers wecken und rege halten sollen durch Hinweise auf die in der Einleitung gegebenen Gesichtspunkte, durch Anregung besondrer Beobachtungen, durch Hinweis auf gleiche und ähn liche Erscheinungen in andern Dichtungen alles das in knappester, Nachdenken und Selbstthätigkeit der Schüler herausfordernder Form. Auf diese Weise wird die Möglichkeit gegeben, einen großen Teil des Pensums auch der Privatlektüre zuweisen zu können. Ohne Privatlektüre wird der Stoff natürlich nicht bewältigt werden können, und dies veranlaßt mich schließlich, hier einen am Grauen Kloster in Berlin bereits in Anwendung gebrachten Ausführungsmodus dieses Programms mitzuteilen. Mein Mitherausgeber, Herr Dr. Kinzel, äußert sich darüber folgendermaßen: Aus Veranlassung einer Revision unsres Gymnasiums durch den Provinzial-Schulrat Pilger wurde im allgemeinen nach seinen Fingerzeigen der Lehrplan des deutschen Unterrichts für die drei Oberklassen etwa folgendermaßen umgestaltet. Die Behandlung des Mittelalters wurde nach Ober-Sekunda verlegt. Im Sommer sind die Schüler in die Geschichte der deutschen Sprache einzuführen. Die beste Vorbereitung findet der Lehrer in Behaghels „Die deutsche Sprache" (Leipzig, Freytag 1886); aus diesem von einem Fachmann populär geschriebenen Werke mag er das Angemessene auswählen, nicht aus den abgeleiteten Büchern von Dilettanten, damit die in den landläufigen Litteraturgeschichten noch immer verbreiteten thörichten Anschauungen, nach welchen z. B. die gotische die Mutter der deutschen Sprache sei und Ulfilas das erste deutsche Litteraturwerk u. a., gründlich ausgerottet werden. Geschmackvoll, schlicht und gründlich besprochen wird dieser Stoff immer das Interesse der Schüler erwecken und das Gefühl für die Muttersprache stärken. Im Winter werden die Schüler ebenso in die Entwicklung der Litteratur eingeführt, natürlich nach Vorschrift im Anschluß an die Lektüre. Diese ist auf zwei Jahre verteilt. In einem Sommer steht im Mittelpunkt das Nibelungenlied, während die Gudrun als Privatlektüre den großen Ferien bleibt. Im nächsten Sommer ist es umgekehrt. Vorangeschickt wird eine Geschichte des Volksepos. Nach den Ferien überzeugt sich der Lehrer durch kurze Besprechung und einen Aufsatz davon, daß die Privatlektüre fruchtbar gewesen. Das eigentliche Lesen erfolgt zu jeder Stunde als Vorbereitung zu Hause, in der Stunde eingehende Besprechung. Im Winter wird für die althochdeutsche Periode der Litteraturgeschichte im ersten Vierteljahr wiederum das Volksepos in den Mittelpunkt gestellt und demnächst nach Böttichers Übertragung Hildebrands- und Waltharilied gelesen resp. besprochen. Im zweiten Vierteljahr wird nach gründlicher

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Vorbereitung für die mittelhochdeutsche Zeit einmal Walther in den Mittelpunkt gestellt, für den eine passende Auswahl in einem Heftchen erscheinen soll. Die beste Vorbereitung findet der Lehrer in Fr. Pollacks Epischen und lyrischen Dichtungen“ u. s. w. (Berlin, Hofmann), einem Werke, das natürlich in keiner Schulbibliothek fehlen darf. Walther läßt sich, wie ich eben erprobt habe, in etwa sechs Wochen ausreichend lesen und die Behandlung durch einen Aufsaß zum Abschluß bringen. Mehr Zeit kann darauf nicht verwendet werden, da hier auch noch Dispositionslehre im Anschluß an eine Anzahl von Musterthematen zu geben ist. Dennoch bleiben wohl noch einige Stunden zur kurzen Übersicht über das höfische Epos übrig. Dies wird nun im folgenden Winter in den Mittelpunkt gestellt, wo dann Walther nebenher durch Privatlektüre zu erledigen ist. So wird jeder Schüler bei steter Wiederholung (in jeder Stunde fünfzehn Minuten) einen genügenden Einblick in die altdeutsche Litteratur und in die Geschichte der Sprache gewinnen. In Prima ist dann im ersten Halbjahr die Zeit von Luther bis Klopstock, im zweiten Lessing, im dritten Goethe, im vierten Schiller zu behandeln."

Die Weltanschauung Goethes im erßten Teil des Fauft.

Von Christian Semler in Dresden.

Willst du dich deines Wertes freuen,
So mußt der Welt du Wert verleihen.
Goethe.

Werther entdeckte das Schöne in der landschaftlichen Natur, in dem einfachen Thun und Treiben des Volkes und in Lotte; aber er litt schließlich durch diese drei, weil er von der Sehnsucht und der bloßen Empfänglichkeit nicht zum Streben und zum Schöpferischen sich aufraffen konnte. Von dem leidenden Affekte vermochte er nicht, um mit Spinoza zu reden, zu dem thätigen und tapfern zu gelangen. Die Entwicklungsfähigkeit war ihm versagt.

Der in der Studierstube vereinsamte und verdüsterte Faust dagegen wird, nachdem ihn in der Osternacht die Erinnerung an die glückliche Jugendzeit vor der Schale mit Gift bewahrt hatte, durch den Spaziergang, durch das unter der Linde tanzende Volk und durch Gretchens Anmut und kindlichen Sinn verjüngt und dem schöpferischen Streben gewonnen.

Das Leben war ihm, wie Hamlet, durch seine Enttäuschungen und Qualen überdrüssig geworden. Dem gelehrten Berufe, der ihn der Natur und dem Weltleben entfremdet und, bei dem verknöcherten Zustande der

Wissenschaften, weder zu den Gesezen der Natur, noch zu einer überzeugenden Weltanschauung geführt hatte, kehrt er den Rücken. Er will die Wahrheit nicht mehr erforschen, auch keine neue Methode mühsam aussinnen, sondern sich seines Zieles durch geniale Eingebung, durch fühlendes Schauen und unmittelbares Erleben bemächtigen.

Faust kann da die Wiedergeburt finden, wo auf Werther geistige Umnachtung wartete. Denn er hat männliche Leidenschaft in sich und klebt nicht fest wie dieser, und mit dem ungestümen Drang nach den wechselnden Bildern des Lebens vereinigt sich das begeisterte Streben, welches schon die Seele Clavigos erfüllte und ihn zu dem sein Selbstund Lebensgefühl erweckenden schriftstellerischen Berufe geführt hatte.

Faust faßt den Entschluß, aus dem engen in das ganze und volle Leben hinauszutreten:~

Ich fühle Mut, mich in die Welt zu wagen,
Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen;
Mit Stürmen mich herumzuschlagen

Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen.

Eine so kühne Sprache war dem weichen Werther fremd; doch Carlos im Clavigo ist sie aus der Seele gesprochen. Dieser Entschluß des Faust, den Kampf mit dem Leben aufzunehmen, verkörpert sich dichterisch in der Erscheinung des Erdgeistes. Aber der Erdgeist ist zugleich die Verkörperung dessen, was Faust das Leben bieten werde:

In Lebensfluten, in Thatensturm

Wall' ich auf und ab,
Webe hin und her.

Ein deutliches Licht fällt auf Fausts Beschwörung des Erdgeistes durch zwei Sprüche Goethes. Der eine lautet:,,Mein ganzes inneres Wesen erwies sich als eine lebendige Heuristik, welche eine unbekannte, geahnte Regel anerkennend, solche in der Außenwelt zu finden und in die Außenwelt einzuführen trachtet." In dem andern Spruche heißt es: „Kepler sagte: 'Mein höchster Wunsch ist, den Gott, den ich im Außern überall finde, auch innerhalb, innerhalb meiner gewissermaßen gewahr zu werden.' ,,Der edle Mann fühlte, sich nicht bewußt, daß eben in dem Augenblicke das Göttliche in ihm mit dem Göttlichen im Universum in genauester Verbindung stand.“

In dem Erdgeist vereinigt sich Natur und Menschenleben, Gutes und Böses zu einem harmonischen Ganzen. Dieses Universelle erinnert uns wiederum an einen Spruch Goethes: „Die vernünftige Welt ist als ein großes unsterbliches Individuum zu betrachten, das unaufhaltsam das Notwendige bewirkt und dadurch sich sogar über das Zufällige zum Herrn macht." - Der Erdgeist giebt Faust den Mephisto mit, der das Ver

Beitschr. f. d. deutschen Unterricht. 3. Jahrg. 3. Hft.

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führerische des Lebens, den Hohn und Spott, aber auch das Erzieherische in sich birgt: ohne letters freilich zu bezwecken. Mephisto führt Faust Gretchen zu, um ihn von seinem idealen Streben abzulenken; aber gerade durch Gretchen gelangt Faust zum begeisterten Schauen der Harmonie in der Welt. Mephisto will Faust stören und verführen, wenn dieser in der Studierstube und in Wald und Höhle sich beruhigt und sammelt. Aber zugleich schüßt Mephisto dadurch Faust, ohne es natürlich zu wollen, vor dem Schicksal Werthers, dem unfruchtbaren Versinken in sich selbst. Faust ist männlicher, kühner und leidenschaftlicher als Werther und Clavigo. Dementsprechend gab Goethe Werther den milden Albert zum Freunde, dem entwicklungsfähigen und ehrgeizigen Clavigo den klaren und entschlossenen Carlos, Faust dagegen, der mehr aushalten kann, Mephisto. Leztern lernen wir auch im Prolog im Himmel kennen, wo er belächelt wird, weil er im Grunde ohnmächtig ist, während er auf der Erde Faust lächerlich macht. Der Herr läßt den Schalt" ruhig gewähren, damit Faust nicht der unbedingten Ruhe, der Selbstgefälligkeit und dem abstrakten Idealismus anheimfalle. Er vertraut auf das Streben des Menschen und ist gewissermaßen die Verkörperung dieses Strebens. Er hat also Zutrauen zu dem Erziehenden des Lebens und damit zu dem ewigen Gehalt desselben. Spinozas Weltanschauung schimmert hier durch; Luther freilich würde sich über solche gottlose Vorstellungen entsetzt haben.

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Mephisto verlangt nicht die Seele des Faust, wie der Teufel in der Volkssage, sondern er will ihn hier auf der Erde in seine Gewalt bringen. Faust begehrt ebenso nur das Diesseits als Schauplah seines Strebens und Genießens:

Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst genießen,
Mit meinem Geist das Höchst' und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh' auf meinen Busen häufen,
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,
Und, wie sie selbst, am End' auch ich zerscheitern!

Die diesseitige Welt hat bereits, wie wir zeigten, ihre Gaben auf Faust ausgeschüttet und die Wiedergeburt angebahnt. Der Spaziergang in der Frühlingslandschaft weckte die Sehnsucht, mit dem Adler über die Felsen, mit dem Kranich über die Flächen und Seen zu ziehen. Das unter der Linde tanzende Volk aber entzündete leidenschaftlich seine Phantasie, daß er nachher in der Studierstube sich freute, sagen zu können : Entschlafen sind nun wilde Triebe,

Mit jedem ungestümen Thun.

Beim Anblick der fröhlich tanzenden Menge läßt Goethe seinen Faust aus innerster Seele fagen: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich's

sein.“ Wir finden schon im Werther eine Anzahl Stellen, die uns zeigen, welch' eine große Zuneigung unser Dichter zu dem eigentlichen Volke gehabt habe. Seinen Wahlspruch,,Saure Wochen, frohe Feste" hat er hier kennen gelernt. Als er 1774 Werthers Leiden an Schönborn, Konsulatssecretär in Algier, schickte, schrieb er, indem er eine Feuersbrunst in Frankfurt erwähnte: „Ich habe bei dieser Gelegenheit das gemeine Volk wieder näher kennen gelernt und bin dabei aber und abermals vergewissert worden, daß das doch die besten Menschen sind." Noch eingehender spricht er 1777 in einem Briefe von Klausthal aus an Frau von Stein:,,Wie sehr ich wieder auf diesem dunkeln Zug Liebe zu der Klasse von Menschen gekriegt habe, die man die niedre nennt, die aber gewiß vor Gott die höchste ist! Da sind doch alle Tugenden beisammen, Beschränktheit, Genügsamkeit, grader Sinn, Treue, Freude über das leidlichste Gute, Harmlosigkeit, Dulden, Ausharren.“ Von diesem Gesichtspunkte aus tritt auch das schöne Gedicht Hans Sachsens poetische Sendung in die richtige Beleuchtung. In dem schlichten Nürnberger Handwerksmanne spiegelt sich ein kerngesundes, edles und heiters Volksgemüt, welches Goethe dauernd fesselte. Und sicher wird derjenige den Faust in der Phantasie am besten sich vergegenwärtigen, der wohlvertraut ist mit den Schwänken und einigen Fastnachtspielen des Hans Sachs.

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Ein Kind des Volkes ist auch Gretchen, wie dasjenige, um welches Goethe als Knabe sich so abhärmte. Faust, der, wie es bei der phantasievollen und leidenschaftlichen Mannesnatur nicht selten der Fall ist, dem Zwiespalt zweier Seelen" preisgegeben war, schaut hier zum erstenmal den Einklang in der Welt, die Versöhnung mit dem Leben. Ähnliches zeigte sich ihm schon im Erdgeist, doch nur als Eingebung, als Fühlen und Ahnen. In Gretchen dagegen tritt ihm leibhaftig verkörpert die Weltanschauung entgegen, die er in der Studierstube ver geblich gesucht hatte. Schon in Gretchens Stube überkommt ihn das Gefühl der Versöhnung; es wird ihm die „Hütte zum Himmelreich": Wie atmet rings Gefühl der Stille, Der Ordnung, der Zufriedenheit! In dieser Armut welche Fülle,

In diesem Kerker welche Seligkeit!

Solch' eine Stimmung leitete ehemals die nordischen Maler, wenn sie die Madonna schlicht bürgerlich in ihrer Häuslichkeit darstellten.

Unerreicht in der Poesie ist, wie Gretchen kindlich plaudert von ihrer Arbeit in der Küche und am Waschtrog, von ihrer Sorge für das Schwesterchen bei Tag und bei Nacht. Hatte Faust bisher die Schranke des Lebens, das Kleine und Kleinliche als häßlich angesehen, so zeigt es sich ihm nun mit dem Schönen und Sittlichen vereinigt. Das ein

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