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Heine dadurch, daß er in Prosa und Versen sein intimstes Treiben und Denken ungescheut offengelegt hat.

Noch eins endlich erhellt aus unserer Betrachtung unmittelbar: die Naturnotwendigkeit der Feindschaft zwischen Heine und dem Grafen Platen. Denn es läßt sich kaum ein schrofferer Gegensaß denken, als zwischen diesen beiden. Platen sah seine dichterische Lebensaufgabe darin, der deutschen Dichtkunst neue Metren zu erschließen und ihr als das zu erstrebende Ziel die Anpassung an die strengen Versgeseße der altklassischen Sprachen vorzuhalten, Heine aber hat dadurch, daß er mittelst der ganz einfachen, volkstümlichen Versmaße Wirkungen der außerordentlichsten und packendsten Art erzielte, thatsächlich Platens Theorie bedenklich erschüttert und nicht wenig dazu beigetragen, daß die deutsche Dichtkunst, besonders die Lyrik, seitdem immer wieder aufs neue es abgelehnt hat, in die Irrgänge komplizierten Strophenbaues und verwickelter metrischer Geseze einzutreten, vielmehr es vorzieht, in den lieben, alten, echtdeutschen Pfaden weiterzuwandeln, die noch immer liebliche Feld- und Waldpfade sind, zu deren Seiten noch immer erfrischender Schatten winkt, manch Hälmchen sich streckt und manches Blümchen duftet.

Über die Schachscene in Leffings Nathan.

Ein Beitrag zum deutschen Aufsa ß.
Von Fr. Graeber in Mörs.

Die folgenden Zeilen sollen der Aufforderung nachkommen, in Sachen der Aufsaßfrage „diese Zeitschrift fleißig zu benußen, um nicht bloß Theoretisches, sondern besonders auch Thatsächliches aus der Erfahrung mitzuteilen — und so einen Austausch verschiedener Erfahrungen und Überzeugungen zu bewirken, in dem das noch Fragliche am besten sich klären und die ganze Frage am sichersten fortrücken würde auf dem Wege zum Rechten". (Rud. Hildebrand in dieser Zeitschrift 1, 473.) I,

Zu diesem Zwecke teile ich einen Aufsaß mit, der sich bei der Besprechung des Nathan in der Prima entwickelt hat, einen Aufsaß, wie ich sie nach der Einzelbesprechung und Rückgabe der eingelieferten Aufsäge über das betr. Thema den Schülern als Zusammenfassung des von ihnen beigebrachten Materials und als Probe für die Disposition und knappste Darstellung desselben vorzulesen pflege. Zwar weiß ich wohl, daß gerade der Nathan als Schullektüre jezt von vielen Seiten abgelehnt wird), halte mich aber, was die Tendenzfrage anbetrifft, durch eine

1) So noch jüngst in dieser Zeitschrift I, 408.

Autorität wie die von W. Herbst (Erläuternde Bemerkungen zu dem Hilfsbuch für die deutsche Litteraturgeschichte) in meinem Gewissen vorläufig für gedeckt; und was die Kunstform, insbesondere die dramatische Technik betrifft, in welche der Primaner doch nach fast einstimmigem Urteil einen, wenn auch nicht systematisch - vollständigen, so doch praktischanregenden Einblick gewinnen soll, so scheint mir, daß dieselbe gerade im Nathan so deutlich hervortritt und so ohne Beeinträchtigung anderer Forderungen nachgewiesen werden kann, wie kaum in einem anderen der kanonischen Schuldramen. Überhaupt scheint mir zumal da, wo es die Verhältnisse nicht gestatten, diesen Teil des deutschen Unterrichts durch die Anschauung der wirklichen Bühne zu unterstüßen, für die Bedürfnisse der Schule wenigstens Lessing, der dramatische Techniker, instruktiver zu sein als Schiller, das dramatische Genie. Als ein Beispiel nun für diese praktische Einführung in die Technik des Dramas, insbesondere für die Ausbeutung dieses reichen Gebietes zu Aufsaßübungen möge nachstehender Aufsaß dienen. Was die Interpretation betrifft, so macht derselbe auf Originalität keinen Anspruch.

Über die Schachscene in Lessings Nathan (II, 1).

Wie in Goethes Göz von Berlichingen, so beginnt auch in Lessings Nathan der zweite Aufzug mit einer Schachspielscene. Wie dort das Schachspiel zwischen Adelheid und dem Bischof hauptsächlich zur Illustration eines fürstlichen Hofhaltes dient, so ist auch Lessings Absicht wohl zunächst, den Schauplah des Stückes durch ein auf diesem Boden heimisches Spiel zu charakterisieren. Aber während bei Goethe nach zweimaligem Schach sogleich das Matt erfolgt, somit durch das Schachspiel nur ganz im allgemeinen die Überlegenheit der klugen Frau über den behäbigen Prälaten zur Anschauung gebracht und, ohne Zusammenhang mit dem besondern Verlauf dieser Partie, dem Höfling Liebetraut Anlaß zu einigen. höfifchen Bemerkungen gegeben wird, hat Lessing sich die Aufgabe ge= stellt, ein wirkliches Spiel dramatisch zu verwerten.

Die Aufgabe war schwierig. Denn wegen seiner langen Dauer, wegen der mit langen Zwischenpausen verlaufenden Folge der Züge, wegen der meist unbeweglich schweigenden Haltung der Spieler scheint das Spiel dramatischer Behandlung ganz unzugänglich zu sein, zumal da nicht einmal bei dem größeren Teile der Zuschauer eine Kenntnis desselben, seiner Bezeichnungen und seiner Regeln vorausgesetzt werden kann.

Einen Teil dieser Schwierigkeiten nun hat der Dichter glücklich überwunden durch die Wahl des Zeitpunktes. Auch er führt nur das Endspiel vor, wodurch er nicht allein die für die Scene erforderliche Zeit bedeutend abkürzt, sondern auch für die übrigen Unregelmäßigkeiten die

Wahrscheinlichkeit rettet. Denn da unmittelbar vor der Entscheidung die Erregung der Spieler sich steigert, so ist es natürlich, daß einerseits die Züge schneller aufeinander folgen, anderseits auch in kurzen Worten ausgesprochen wird, welchen Zug der Spielende thut und welche Absicht er damit verbindet. Dadurch wird dann bei dem des Schachspiels kundigen Zuschauer die Phantasie angeregt, sich irgend eine Situation vorzustellen, welche diesen Andeutungen etwa entspricht.

Aber auch der Nichtschachspieler findet seine Rechnung dadurch, daß in der Führung der Partie sich der Charakter der spielenden Personen verständlich ausspricht und die Züge zugleich symbolisch für diese und ihre Verhältnisse aufgefaßt werden können.

Die Spielenden sind Saladin und Sittah. Daß Saladin ein guter Spieler sei, müssen wir zwar aus Sittahs Äußerungen schließen, allein wir sehen nichts davon. Er ist zerstreut und spielt schlecht. An Sicherheit und kluger Berechnung aller Möglichkeiten ist ihm Sittah weit überlegen. Sie macht ihn auf Fehler aufmerksam und er folgt ihrer bessern Einsicht. Doch nur einmal. Beim zweiten Male weigert er sich, einen fehlerhaften Zug zurückzunehmen, teils weil seiner heldenhaften Natur ein schnelles Ende lieber ist, als die mühevolle Behauptung einer verzweifelten Stellung, teils weil es ihm nicht ansteht, gegen die Regeln des Spiels die Nachsicht des Gegners in Anspruch zu nehmen, und weil er lieber die Folgen seines Fehlzuges auf sich nehmen, als mit großmütiger Schonung behandelt werden will. Dadurch entsteht ein Wetteifer zwischen den Geschwistern, wer den andern an Großmut überbietet. Sittah nimmt die ungedeckte Königin nicht, und Saladin erklärt, sie gleichwohl als nicht mehr vorhanden ansehen zu wollen. Zu beachten aber ist dabei, daß Sittah bei aller Großmut doch ihr Ziel im Auge behält und, wie sie früher eine bessere Stellung für wertvoller erachtete als den Gewinn einer Figur, so auch jezt, ohne die Königin zu nehmen, durch geschicktes Manövrieren das Matt herbeiführt. Neben der Großmut gehört zu Saladins charakteristischen Eigenschaften auch die Freiheit von kon= fessionellem Vorurteil. Diese zeigt sich bei Gelegenheit des Schachspiels darin, daß er nicht gern mit glatten Steinen spielt,,,die an nichts erinnern, nichts bezeichnen", sondern figürliche Steine vorzieht, die doch der Koran als Nachbildungen des Lebendigen verbietet.1) Vor allem aber giebt sich

1) Schiller, der bekanntlich in seiner Weimarer Bühnenbearbeitung des Nathan die ganze Schachscene, d. h. die eigentliche Spielscene, der Not gehorchend, strich, hat auch diese Stelle bis zur Unverständlichkeit gekürzt, indem er gerade die be= zeichnenden Worte: „Hab ich mit dem Imam denn gespielt?" wegließ. Wie aber Rich. Gosche in seiner Lessing - Ausgabe (Berlin 1882) die ganze Stelle dunkel nennen kann, ist mir ebenso dunkel.

in der Spielscene die zärtliche Liebe zu erkennen, in welcher beide Geschwister miteinander verbunden sind. Bei Sittah zeigt sich dieselbe besonders in der Bescheidenheit, mit der sie troß ihres Erfolges doch die Kunst des Bruders höher stellt, dessen Mißerfolg auf augenblickliche Unaufmerksamkeit schiebt (Wo bist du, Saladin? Wie spielst du heut?) und andeutet, daß er sich ihr gegenüber freilich nicht besonders anzustrengen nötig habe (Saladin: Nicht gut? Ich dächte doch. Sittah: Für mich; und kaum), endlich es geradezu ausspricht, daß Saladin sie wohl gar mit Absicht habe gewinnen lassen. Saladins Liebe aber besteht sogar die Probe eines unglücklichen Spieles aufs glänzendste. Statt der Verstimmung, die sich mit einer Niederlage so leicht verbindet, spricht sich bei ihm, indem er auf jede Beschönigung seines Verlustes ausdrücklich verzichtet, rückhaltlose Anerkennung der höheren Kunst seiner Schwester aus (Deine Kunst, dein ruhiger und schneller Blick) und der Wunsch, noch recht oft mit Sittah Schach zu spielen, auch wenn die Zeitverhältnisse die Muße dazu beschränken sollten.

Hier zeigt es sich nun, und diese Betrachtung giebt der Schachscene wiederum eine allgemeinere und höhere Bedeutung, daß der Verlauf der Partie für Saladins augenblickliche politische Stellung symbolisch ist. So wie er im Spiele sich von allen Seiten angegriffen sieht, drohende Verluste nur durch anderweitige Opfer abwenden kann (aus dieser Klemme, seh ich wohl, ist ohne Buße nicht zu kommen) und durch kühne Angriffe auf den Gegner sich selbst nur in größere Verlegenheit stürzt (Saladin: Was gilts, das warst du nicht vermuten? Sittah: Freilich nicht. Wie konnt ich auch vermuten, daß du deiner Königin so müde wärst), so er= geht es ihm auch im Leben. Der mit den Christen abgeschlossene Waffenstillstand naht sich seinem Ende. Die Hoffnung auf eine dauernde Befestigung des Friedens durch eine Doppelheirat der Geschwister Saladins und Richards von England ist gescheitert, gescheitert durch die Intriguen der Tempelherrn, die ihre Stadt Acca nicht zum allgemeinen besten aufgeben wollen und bereits auf eigene Faust die Feindseligkeiten wieder aufgenommen haben. Zu einer wirksamen Führung des Krieges aber fehlt es an Geld. Nicht nur die Privatkasse Saladins ist erschöpft, sondern auch der Staatsschaß, der in einer Bergfeste des Libanon unter der Obhut seines Vaters verborgen liegt, geht zur Neige. Alle diese Verhältnisse kommen in engem Anschluß an das Spiel, welches ihr Spiegelbild ist, zwischen Saladin und Sittah zur Sprache, und die Scene ergänzt somit die Exposition im vorigen Akte durch wesentliche Züge.

Aber ihre eigentliche Berechtigung liegt doch nicht hierin, sondern in ihrer Bedeutung für die Haupthandlung, indem hier die Wege ge= öffnet werden, welche zum Höhepunkte derselben im dritten Akte führen.

Dieser Höhepunkt1) ist das Auftreten Nathans vor Saladin, die Fabel
von den drei Ringen, welche Lessing ja auch den ersten Anstoß zu seiner
Dichtung gegeben hat. Nathans Erscheinen vor Saladin wird dadurch
motiviert, daß dieser ihn zu sich bescheidet, damit er durch eine Anleihe
dem Sultan aus seiner Geldverlegenheit helfe. Da aber angenommen
wird, daß Nathan dies nicht freiwillig thun werde, so soll er vorher
durch eine verfängliche Frage, die Frage nach der besten Religion, in
Verlegenheit gesezt werden. Eine solche Hinterlist streitet aber mit der
edlen Offenheit Saladins. Sittah ist es deshalb, die den Plan faßt
und bis zum letzten Augenblick alle Mühe hat, ihren Bruder, wo nicht
zu überzeugen, doch zu überreden. Vor allen Dingen mußte es also
dem Dichter darum zu thun sein, die Geldverlegenheit Saladins recht
drückend zu machen. Schon im ersten Akte hat Al Hafi von ihr und
ihrer Ursache, nämlich der grenzenlosen Freigebigkeit Saladins, eine
drastische Schilderung entworfen. Die Schachscene giebt hier Anlaß, daß
Saladin sie an seiner schwächsten Stelle empfindet. Es stellt sich näm-
lich heraus, daß in seinem Schaß nicht einmal soviel Geld mehr ist,
um den verhältnismäßig geringen Spielpreis an Sittah auszuzahlen.
Seine geliebte und liebenswürdige Schwester soll also seine Armut mit-
empfinden! Ja, bei diesem Anlaß erfährt er sogar, daß sie die Spiel-
gelder schon lange nicht mehr empfangen und dies nur aus Schonung
für ihn verschwiegen hat; endlich, um das Maß voll zu machen, verrät
Al Hafi, daß Sittah obendrein die Kosten des fürstlichen Hofhaltes von
ihrem Gelde bestritten hat. Nichts hätte einen Saladin tiefer rühren,
nichts aber auch ihn dringender antreiben können, es koste was es
wolle, Geld zu beschaffen. Dennoch ist das Mittel, welches er ergreift,
nicht von seiner Erfindung. Sittah giebt es ihm an die Hand. Nun
zeigt uns die Schachscene gerade Sittah von der Seite, welche sie zu
dieser Rolle geschickt macht. Sie ist klug, weiß die Menschen und
namentlich ihren Bruder geschickt zu behandeln und behält bei aller
Rücksicht doch ihr Ziel fest im Auge. Ihr Bruder selbst rühmt ihren
ruhigen und hellen Blick; er ist gewohnt, die Staatsangelegenheiten mit
ihr zu besprechen, legt Wert auf ihr Urteil und ist im allgemeinen ge-
neigt, ihrem Rate zu folgen. Auch daß Sittah gerade auf Nathan ver-
fällt, wird durch die Schachscene motiviert. Durch das Schachspiel ist
die Freundschaft zwischen Al Hafi und Nathan veranlaßt worden.
Hafis Erscheinen und seine vergeblichen Versuche, Saladins Partie wieder

1) Ich unterscheide im Nathan die Haupthandlung und das, was er selbst ein: mal (Brief an Karl Lessing vom 11. August 1778) als Episode bezeichnet. Die Hauptmomente der ersteren sind oben angeführt. Die leßtere, in welcher der Tempelherr die Hauptperson ist, hat ihren Höhepunkt III 2 und den Beginn der Peripetie III 9.

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