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Dritter Teil.

Die Göttersagen.

Mehrere deutsche und englische Gelehrte behaupten mit Vorliebe und mit dem Bewußtsein der Unfehlbarkeit, die Berichte des U. T. über Schöpfung, Sündenfall, Sintflut u. a. feien aus den babylonisch-assyrischen Göttersagen geschöpft. Dabei aber sind diese Gelehrten über eine wichtige Vorfrage selbst nicht einig, nämlich über die Frage nach dem Ursprung und Alter dieser Sagen, ob sie schon bei den alten SumeroAkkadiern vorhanden waren und von ihnen aufgezeichnet wurden, oder ob erst die Nordsemiten sie einführten 1)?

Nehmen wir als bewiesen an, was dort behauptet wird, der oder die Verfasser der fünf Bücher Moseh hätten aus den babylonischen Sagen geschöpft, so ist eine Folgerung nicht abzuweisen: es müßte der Inhalt dieser Sagen dann auch in den bib. lischen Berichten gefunden werden; und wir hätten vielleicht Ursache, den feinen Verstand der biblischen Schriftsteller zu be wundern, durch den sie es fertig brachten, das Wertvolle und ewig Wahre von dem Leeren und willkürlich Erfundenen in diesen Sagen zu unterscheiden. Aber nun findet sich des Wertvollen und ewig Wahren kaum ein Körnchen in den babylonischen Göttersagen, des Leeren und willkürlich Erfundenen ebensowenig in der heil. Schrift. Die beiden haben also nichts mit einander gemein, als was der gemeinsame Ursprung der Menschheit allen ihren Kindern mitgab, oder was die dichtenden Priester aus den alten Ueberlieferungen zweier Völker von verschiedener Rasse aufzunehmen für gut fanden. So schwierig die Entscheidung dieser Frage war, ebenso wertvoll und wichtig ist sie; und diese Annahme scheint sehr viel Glauben zu verdienen, daß um das Jahr 3000 v. Chr., da die Nordsemiten in Babylonien eingewandert waren, die Priester aus beiden Völkern zwecks Verbreitung und Unterstützung des gemeinsamen Götterdienstes die Ueberlieferungen beider Völ ker gesammelt, bearbeitet, umgedichtet und auf die vielen Götter zugerichtet haben. Für diese An

1) Hommel gegen Haupt.

nahme spricht nach der formellen Seite hin die Tatsache, daß die babylonisch-assyrischen Göttersagen, mit den biblischen Berichten verglichen, ungleich wortreicher, ja weitschweifig erscheinen; ferner daß die priesterlichen Dichter ihr eignes Machwerk willkürlich behandeln und ihre Götter mit allen Sünden, Mängeln, Torheiten und Gebrechen ihres eignen Volkes verunzieren Dadurch aber erklärt sich auch, daß in den babylonischen Göttersagen vieles vorkommt, wovon die eingewanderten Semiten nichts wußten, wie denn die allermeisten Namen der auftretenden Personen nicht semitisch sind!

Andere Gelehrte verstehen diese Göttersagen vielfach als eine eingekleidete Astronomie. Dann stellen sie sich aber zweifellos als eine Schöpfung der Gelehrten und nicht als Volks= überlieferung dar. Auch hätten die biblischen Schriftsteller keine Ahnung von ihrem eigentlichen Inhalt gehabt, wie denn die Hebräer wenig Sinn für Astronomie hatten. Und welchen Glauben erfordern die Behauptungen der Gelehrten! Eine fremde Wissenschaft aus fremdem Volk, in fremder Sprache dargestellt, soll der Hebräer älteste heilige Schriften hervorgebracht haben? Doch hören wir diese Sagen selbst!

1. Sage von Entstehung der Welt.

6. Smith fand in der Bibliothek Asurbanipals sieben zum Teil stark beschädigte Tafeln, die nach seiner Meinung etwa 660 v. Chr. von einem alten Steinkoder abgeschrieben waren. Er ist der Vater der vorher bestrittenen Meinung, als seien biblische Erzählungen aus babylonischen Quellen geschöpft; denn er nannte diese Tafeln chaldäische Genesis", weil er glaubte gefunden zu haben, was er suchte, ein Seitenstück der hebräischen Genesis. Aber in der Namengebung sind ihm mehrere Gelehrte nicht gefolgt, wie Tiele 1) und Jensen, der das Epos mit Recht nach seinem Anfang „Enuma elis" nennt. Nach Hommel stammt das verlorene Original aus der Zeit von Agumkakrime, der nach seiner Meinung um 1800 v. Chr., nach andern aber 800 Jahre früher regierte. Was Jensen in seiner Kosmologie 2) wünschte, daß die vollständigen Terte veröffentlicht würden, damit man nicht länger ge=. zwungen sei, seine Kenntnisse altbabylonischer Legenden aus Interpretationen zu schöpfen, die sich gelegentlich zum Original verhielten, wie eine Robinsonade zu einem hebräischen Bußpsalm“; dieser Wunsch ist in der keilinschriftlichen Bibliothek Bd. VI durch eben diesen Gelehrten erfüllt worden, sodaß wir keine Robinsonade mehr zu lesen noch. zu schreiben brauchen. Hören wir also das Epos selbst!

1) A. a. O. S. 571.

2) S. S. 000.

In der Urzeit, als die Himmel oben noch keinen Namen erhalten hatten, d. h. noch nicht entstanden waren, und die Erde unten noch nicht war und noch keine Götter waren, da wurde der Abgrund der Wasser ihr Erzeuger.

Apsu, der Himmelsozean, und Tiamat, der Erdozean, verbanden fich mit einander (ehelich), daß die Götter alle geboren wurden. Ihre Wasser waren an einem Ort gesammelt, aber Schilf war noch nicht erschienen, das Kraut des Feldes noch nicht gewachsen.

Erst später wurden große Götter gebildet. Zuerst gingen Lachmu und Lachamu aus der Verbindung beider Ozeane hervor; doch bald mehrte sich ihre Zahl, indem Ansar und Kisar, Ea und Anu gebildet

wurden.

Da sprach Apsu, der Himmelsozean, zu Tiamat, dem Erdozean: „Eilends will ich sie verwirren und ihren Weg verderben." In diesem Kampf der alten Götter gegen die neuen Götter, der das Thema des Epos darstellt, ist Tiamat alsobald kriegsbereit: „Eilends wollen wir gegen sie ziehn." Beide Ozeane werden von Mummu, dem Sohn Apsus, unterstützt. Aber Tiamat, die Mutter des Nordens, rafte und fluchte, machte unwiderstehliche Waffen, gebar ganze elf Ungeheuer, nämlich Riesenschlangen mit spiken Zähnen und giftgefülltem Leib, Molche, Fischmenschen und Widder u. a.

Hierzu vergleicht Profeffor Sellin Hiob 9, 13 und Jes. 51, 9, danach sich die Helfer Rahabs vor dem lebendigen Gott beugen müssen, danach der Arm des Herrn die Stolzen zerhauen und den Drachen verwundet hat. Es versteht sich von selbst bei manchen Gelehrten, daß dieser Thannin, was Luther mit Drache wiedergegeben hat, die Tiamat sei. Andere aber weisen darauf hin, daß Thannin das Krokodil bedeute und ein Symbol Aegyptens sei 1). Wie kann man ein Dunkel durch das andere erleuchten?

Wieder meinen einige Gelehrte, die elf Helfer des Himmels- und des Erdozeans seien die elf Bilder des Tierkreises, obwohl die Baby lonier deren 12 bez. 13 kennen, wie wir später sehen werden; und dann find Aehre (Jungfrau) oder Pfeil u. a. doch keine Ungeheuer. Oder wie können überhaupt himmlische Bilder aus dem Erdozean abgeleitet werden?

Auch A. Jeremias gibt sich der Moderichtung gefangen und redet 2) leider Gottes auch von einem Jahve-tehom-Drachenkampf! Sodann zieht er mehr als eine Elf an, elf kommt auch im Traum Josephs vor, auch bei den Aposteln Jesu u. a. Wo eine Elf erscheint, muß sie vom Tierkreis kommen.

1) Fürst, hebr.-chald. Wörterb. II, S. 536.
2) A. T. O., S. 83, 335 u. a.

Fr. Hommel aber erkennt in der an den Himmel versetzten Urwasserschlange Tiamat die Milchstraße, von der die Ekliptik zwischen. Stier und Skorpion, dem alten Frühlings- und Herbstpunkt, geschnitten und also in die Sommer- und Winterhälfte geteilt wird. Sie wird samt ihren elf Helfern vom Stier, dem Zeichen des Sonnengottes, besiegt. Anders im Epos; denn da fällt der Sieg Marduk zu, der über alle Götter erhoben wird. Uebrigens gab es neben Stier, Zwillingen, Streitkolben, Hund oder Löwe, Aehre oder Jungfrau, Joch oder Wage, Skorpion, Pfeil oder Schüße, Kohlenbecken oder Amphora, Vogel oder Pferdekopf und Widder als dreizehntes Zeichen den Raben, der auf der Stange sist, das Zeichen des Schaltmonats. Daher sein Ruf als Unglücksvogel und die üble Vorbedeutung der Zahl dreizehn 1). Aber wo bleiben dann die elf Helfer der Tiamat? Doch hören wir weiter das Epos selbst.

als

Kingu, eins der erstgeborenen Kinder der Tiamat, soll dieser Schar von Ungeheuern -- Aehre, Wage, Pfeil, Kohlenbecken u. s. w. Befehlshaber vorangehn. Sie sagt zu ihm: „Deinen Zauber habe ich gesprochen, ich habe dich groß gemacht und mit der Herrschaft über die Götter belehnt. Du sollst der größte sein, du mein lieber Buhle." Darauf befestigt sie die Schicksalstafeln an seiner Brust, damit jeder Befehl, der aus seinem Mund geht, feststehe. So weit die erste Tafel. Die zweite Tafel wiederholt diese Erhöhung Kingus und fährt fort: Als Ansar von Tiamats Aufruhr hörte, schlug er an seine Scham und biß seine Lippen und sprach zu Anu, seinem Sohn: „Auf, mein Sohn, beginne den Kampf. Du wirst Apsu bezwingen, und ich will Tiamat entgegentreten." Als aber Unu der Tiamat ins Auge gesehn hatte, kehrte er ohne Kampf nach Ansar zurück. Dieser fordert nun Marduk zum Kampfe auf.

Hier, wo Marduk als ein deus er machina auftritt, scheint eine kleine Unterbrechung des Berichts gerechtfertigt. Man hört nicht, woher dieser Marduk kommt? Erst später wird er Anus Sohn genannt. Von ihm aus wird das ganze Epos zu verstehn sein. Es ist abgefaßt, um ihn unter die Götter und über die Götter zu erheben. Die astrologische Deutung ist als die spätere erst an zweite Stelle zu setzen. Wo haben auch die Sternkundigen am Himmel das Vorbild dieser Kampfgeschichte ge= sehn und sehn können? Freilich bei einer lebhaften Einbildungskraft ist vieles möglich, wie wir noch heute sehn, wenn wir daran denken, daß diese Götter-Kriegsgeschichte die Quelle der Genesis genannt worden ist. Doch fahren wir fort.

Marduks Herz frohlockt, da er zum Kampf aufgefordert wird, und er spricht zu Anu, seinem Vater: „Herr und Schicksal der großen Götter! Wenn ich als euer Retter Tiamat bewältigen und euch erretten soll, dann

1) Fr. Hommel, A. u. U., S. 360.

schart euch zusammen! Und wenn ihr in Upsukinnaku 1) freudig zusammensigt, dann gesteht zu, daß ich an eurer Statt die Schicksale bestimme."

Hier ist doch für jeden nüchternen Beurteiler deutlich genug der Zweck des ganzen Gedichtes ausgesprochen: Marduk will über seinen Vater und über alle Götter erhoben werden. Er ist der richtige Streber; und es ist schwer zu begreifen, wie ein ernster Gelehrter dazu kommt, diesen Marduk als die „erhabenste Schöpfung der religiösen Spekulation“ zu preisen 2), während fie einem andern die lichteste Gestalt des babylonischen Pantheons" ist.

Die dritte Tafel berichtet, wie Ansar seinen Boten Gaga, der seiner Leber wohltut, zu Lachmu und Lachamu und zu allen Göttern sendet, die bei dem Gastmahl Weizenbrot essen und Wein bereiten (mischen), daß er ihnen den Fluch der Tiamat und die Rüstung zum Kampf anzeige.

Hier folgt eine wörtliche Wiederholung der ersten Tafel, die dann in der Rede des Boten an die Götter zum dritten Mal erscheint.

Als die Götter von diesen Vorgängen hörten, riefen sie „Hilfe“, und die Igigi schrieen heftig. Aber die großen Götter traten alle in Ansars Gemach ein, küßten einander und setzten sich zum Mahle hin, aßen Weizenbrot und bereiteten Wein. Der süße Most, der Federweiße, verkehrte ihre Sinne. Sie trinken sich einen Rausch an, und in des Rausches Müdigkeit und Gleichmut bestimmen sie Marduk zum Schicksalslenker.

Wer weiß, ob Marduk, diese „erhabenste Schöpfung der _religiösen Spekulation", nicht selbst dazu geholfen hat, die alten großen Götter der Mächtigkeit ihrer Sinne zu berauben, damit er oben ankomme?

Die vierte Tafel. Die Götter sagen im Rausche zu Marduk: „Du bist nun der geehrteste unter den großen Göttern. Dein Gebot ist Anu, dir geben wir die Herrschaft über das ganze All." Und da ein Kleid 3) zwischen ihn und die Götter gestellt war, verging dasselbe auf seinen Befehl, und auf seinen Befehl ward es wieder geschaffen. Nun huldigen ihm alle Götter und rufen Marduk ist König"; gaben ihm Szepter, Thron, den Palubaum und ein Schwert, damit er das Leben der Tiamat abschneide. Bel so wird Marduk von nun an genannt schlägt den Heils- und Glückspfad ein, hängt Bogen und Köcher an seine Seite, macht vor sich einen Blik, füllt seinen Leib mit loderndem Feuer und richtet ein Neß zu, um Mittlings-Tiamat damit zu umschließen. Das Neh aber nahm alle vier Windseiten ein, Süd und Nord, Ost und West. Es war ein Geschenk seines Vaters Anu. Ein Variante berichtet darüber weiter:

1) Der Olymp der babylonischen Götter.

2) U. Jeremias, A. T. O., S. 30.

3) Ob dies die richtige Uebersetzung ist? Ein Kleid kann doch nicht gestellt werden!

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