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Landsmannschaft, Nationalität, Glaubensgemeinschaft, Standesgenossenschaft, Zugehörigkeit zu gleichen Sittlichkeitsbünden, Blutsverwandtschaft, Pietät, Dankbarkeit, Treue, Freundschaft und Liebe die wichtigsten sind. Schopenhauer erkennt diesen Einfluss für die Mitfreude als entscheidend an (S. 211), aber nicht in gleicher Weise für das Mitleid. Und doch erregt z. B. das leiseste Weh des eigenen Kindes das Mitleid in viel stärkerem Grade als ein grosses Leid bei Fremden, die uns nichts angehen. Das Mitleid als solches würde ein in Bezug auf alle Menschen gleiches sein müssen, da die charakterologische Eigenschaft der Empfänglichkeit an sich selber nicht in Bezug auf verschiedene Personen verschieden gedacht werden kann; erweist sie sich nun doch als verschieden, so muss dies auf dem modificirenden Einfluss anderweitiger geistiger Factoren beruhen, die durch dieselben Motive mit in Action versetzt werden. Ein deprimirender Einfluss auf die Empfänglichkeit ist wohl nur von Hass, Rachsucht, Neid, Schadenfreude u. s. w. zu erwarten; die normale Empfänglichkeit giebt sich einer fremden und in jeder Hinsicht bisher gleichgültigen Person gegenüber kund, jedes nähere Verhältniss zum Leidenden aber erhöht die Empfänglichkeit für das Mitgefühl und zwar in um so höherem Grade, je intimer das Verhältniss ist.

Dieser Sachverhalt ist wichtig für die Ethik. Das Mitleid ohne Steigerung der Empfänglichkeit durch Pietät, Treue, Liebe u. s. w. würde meistens zu schwach sein, um als sittliche Triebfeder etwas Namhaftes zu leisten; es sind also jene andere Triebfedern, welche in Wahrheit als Grundlage der Sittlichkeit angesehen werden müssen, insofern sie erst die Empfänglichkeit für's Mitgefühl bis zu dem Grade steigern, dass es seine sittliche Aufgabe erfüllt. Aber gesetzt auch das Mitleid wäre ohne jene Unterstützung von anderen Seiten für sich schon stark genug, so würde es doch schon deshalb ausser Stande sein, den sittlichen Aufgaben des Lebens in ihrer complicirten Abstufung gerecht zu werden, weil es gegen alle Personen in gleichem Maase reagiren würde. Erst die Modification der Empfänglichkeit durch jene anderen Geistesfactoren sorgt dafür, dass den nächsten Pflichten zuerst genug gethan, und nicht die kleinere aber naheliegende Aufgabe über der grösseren, aber sachlich weitab gelegenen, versäumt wird. Das Mitleid als alleinige Grundlage der Moral würde den streng geordneten Pflichtenkreis in ein Chaos verwandeln, in welchem Alles mit gleichem Recht Hilfe beanspruchte;

erst dies Miteingreifen jener von Schopenhauer theoretisch ignorirten, aber praktisch vorausgesetzten Momente löst die Verwirrung und macht die nächstliegende Pflicht auch zu der am meisten am Herzen liegenden. Wo daher jene andern Factoren schwach vertreten sind, und das Mitgefühl sich selbst überlassen bleibt, da treibt thatsächlich das gute Herz lauter sittlichen Unfug, indem es aus einem (nachher ebenso oft bereuten) Affect des Augenblicks Fremden, Unbekannten und Unwürdigen zuwendet, was es seinem engeren und nächsten Pflichtenkreise entzieht.

Weit entfernt also, dass das Mitgefühl als Grundlage der Moral die Quelle von Pietät, Treue und Liebe bildete, ist es vielmehr eine Pflanze, die erst auf dem Boden dieser tieferen Grundlagen der Gefühlsmoral gedeiht und Früchte trägt, und erscheint es gleichsam nur als der psychologische Handlanger, dessen jene dauernden sittlichen Willensrichtungen sich bedienen, um die auf ihrem Boden gewachsenen Früchte zu pflücken mit Hilfe einer lebhafteren augenblicklichen Erregung, als sie ihnen selber für gewöhnlich zu Gebote steht. Wenn Schopenhauer behauptet, dass die Menschenliebe oder Nächstenliebe nichts anderes als Mitleid sei, so beweist er damit nichts als seine Verwechselung einer dauernden Willensrichtung mit einem vorübergehenden Affect, die allerdings mit einander verwandt sind, deren intimste. Verknüpfung durch die Mitfreude aber Schopenhauer selbst, wie oben gezeigt, durchschnitten hat. Schon in dem Wechselverkehr mit Thieren. kann man den Unterschied zwischen Mitleid und Liebe hinlänglich kennen lernen: etwas specifisch anderes ist das Mitleid des modernen Grossstädters mit dem gemisshandelten Karrengaul als die Liebe des Arabers zu seinem edlen Zeltgenossen, etwas anderes das Mitleid des Vorübergehenden mit einem jungen Hunde, der ersäuft werden soll, als die Liebe des alten Bettlers zu dem letzten ihm uneigennützig treu gebliebenen vierfüssigen Freunde. Inwiefern die rührende Liebe des Hundes oder Pferdes zu seinem Herrn oder den Kindern seines Herrn etwas mit dem Mitleid zu thun haben könne, ist in den gewöhnlichen Fällen schlechterdings nicht einzusehen.

Ohne Frage kann Liebe gegen eine Person durch häufige Erregung des Mitleids gegen dieselbe entzündet und genährt werden; aber erstens ist diese Liebe dann immer noch etwas anderes als das Mitleid oder die Mitleidsempfänglichkeit, welche den äusseren

Anlass zu ihrem Aufkeimen gab, und zweitens wird eine solche aus blossem Mitleid erwachsene Liebe in sittlichem Sinne ebenso unbefriedigend und unzulänglich gefunden werden, wie etwa in geschlechtlichem Sinne jemand damit zufrieden sein wird, bloss aus Mitleid geliebt oder geheirathet zu werden. Eine feinere psychologische Analyse zeigt, dass die Liebe gerade nur insoweit durch das Mitleid genährt wird, als sie sich gleichsam dem Mitleid für die Gelegenheit dankbar erweist, welche es an ihm fand, sich selber zu bethätigen (nämlich durch das Wirken und Sorgen für die geliebte Person, welches sich auf die Gefühlssphäre als Steigerung der Empfänglichkeit für das Mitgefühl reflectirt). So findet zwar eine Wechselwirkung statt, aber die Initiative in derselben liegt auf Seiten der Liebe, welche vom Mitleid nur ihre eigne Liebesthätigkeit als Reflex zurückerhält, und so durch Geben sich bereichert. Dass ebensowohl Gutherzigkeit und leichte Empfänglichkeit für's Mitleid in liebeleeren selbstsüchtigen, aber leichtsinnigen und leicht erregbaren Gemüthern ohne eigentliche Fähigkeit zur Liebe, wie auf der andern Seite starke, tiefe und treue Liebe in schwer erregbaren, aber nachhaltig fühlenden, starr verschlossenen und deshalb rauh und frostig scheinenden Naturen möglich ist, wurde oben schon berührt; es kann sich also auch die Wechselwirkung zwischen Liebe und Mitleid auf ein sehr geringes Maass reduciren, und ist deshalb keinenfalls eine Identification beider statthaft.

Schopenhauers Mitleidsprincip ist als Reaction gegen die einseitig rationalistische Moral Kants zu betrachten, und hat als solche eine gewisse historische Berechtigung, wenngleich sie über ihr Ziel hinausschoss. Wenn Kant dem Handeln aus dem unmittelbaren Gefühl mit Unrecht jeden sittlichen Werth abgesprochen. hatte, so lehnte Schopenhauer ebenso ungerechter Weise die Vernunftmoral gänzlich ab. Indem er, ausdrücklich gestützt auf die buddhistische und christliche Religion die Rechte der Gefühlsmoral gegenüber einer verknöcherten Vernunftexclusivität der Kathedermoral deutscher Zopfphilosophen zu retten unternahm, vergriff er sich leider in dem aufgestellten Princip, und verfocht den einmal ergriffenen Irrthum mit dem ganzen Eigensinn seines störrischen Kopfes. *) Der über

*) Um zu ermessen, wie schnellfertig Schopenhauer abspricht, vergleiche man beispielsweise die Art, wie ihm die Erzählung vom barmherzigen Samariter

triebene Werth, welchen die sensible Natur der Inder auf die passive Eigenschaft des mitleidigen Affects und der Empfänglichkeit für denselben legte, und der passive Zug der energielosen Duldung, welcher die Gefühlsmoral des Buddhismus und in geringerem Maasse auch die des Urchristenthums durchzieht, mochte dazu beitragen, ihn zu seinem Irrthum zu verleiten oder doch in demselben zu bestärken. Wir aber können in dem Mitgefühl wohl eine der geschichtlich am frühesten in Action tretenden ethischen Triebfedern und ein für alle Zeiten wichtiges, in gewissem Grade sogar unentbehrliches Hilfsmoment für die Grundlage der Moral erkennen, aber nicht dieselbe als in diesem Princip erschöpft ansehen, und müssen der dänischen Akademie Recht geben, dass sie eine so einseitig aufgefasste Grundlegung der Moral, wie die Schopenhauers ist, nicht prämiiren konnte.

7. Das Moralprincip der Pietät.

War das Mitgefühl ein natürlicher Instinct mit sittlich verwerthbaren Folgen, aber ohne unmittelbare sittliche Beziehungen, so erkennen wir in der Pietät zum ersten Mal ein Gefühl in Bezug auf Andere, das wesentlich auf sittlichen Beziehungen beruht. Das Mitgefühl ist die natürliche Resonanz des Gefühls mit fremder Lust und fremdem Leid, die Pietät aber ist die Reaction, mit welcher das Gefühl auf die unwillkürliche Anerkennung eines sittlichen Charakters in Anderen antwortet. Das Mitgefühl wirkt kräftiger und directer auf das Zustandekommen guter Handlungen hin, die Pietät trägt mehr zur Entwickelung des sittlichen Bewusstseins bei. Während der Vergeltungstrieb zuerst und am nachdrücklichsten die Ahnung einer sittlichen Differenz der Handlungen wachruft, weil sie aus der unmittelbaren Empfindung ihres Effects auf den Betroffenen entspringt, erhebt die Pietät das so geweckte Bewusstsein zur Stufe der Unparteilichkeit, indem sie sich auf den sittlichen Charakter von Handlungen, ganz

genügt, um die Identität von Nächstenliebe und Mitleid zu begründen, mit der bewunderungswürdigen psychologischen Feinheit und Vielseitigkeit, mit welcher Schiller in seinen Briefen an Körner vom 18. und 19. Februar 1793 denselben Gegenstand behandelt.

abgesehen von der Person des Betroffenen bezieht. Die Pietät schliesst sich daher unmittelbar an das moralische Selbstgefühl an; ist dieses das moralische Gefühl, das man vor sich selber hat, so ist jenes das moralische Gefühl, das man vor Anderen hat.

Die Handlungen, aus welchen man den sittlichen Charakter der Person erkennt, wirken strenggenommen auf das Gefühl nur als Symptome des Charakters, und insofern ist die Person, gegen welche sie gerichtet sind, gleichgültig; ohne Zweifel aber wird die Güte der Handlungen am nachdrücklichsten zu Gemüthe geführt, und daher das Gefühl der Pietät am lebhaftesten hervorgerufen, wenn dieselben gegen den Urtheilenden selbst gerichtet sind. Hieraus erhellt die nahe Verwandtschaft und das häufige Verbundensein der Pietät mit der Dankbarkeit, d. h. die Erhöhung des moralischen Gefühls, das man vor Anderen hat, durch das moralische Gefühl, das man gegen sie hat. Denn auch rückwärts wird die Pietät wiederum die Dankbarkeit steigern, weil die Pietät dafür bürgt, dass die zum Dank verpflichtenden Handlungen auch wirklich aus reinen, edlen und uneigennützigen Motiven entflossen sind, also den nächstliegenden und meist willkommenen Vorwand, um sich der Dankespflicht ganz oder theilweise zu entziehen, die Annahme selbstsüchtiger Motive zur guten Handlung, abschneidet. Die Pietät kann aber ebensowohl durch das Mitansehen solcher Handlungen geweckt werden, bei denen man gar nicht betheiligt ist, z. B. eine grossartige That des Mitgefühls gegen einen Dritten, welche unwillkürlich Achtung gegen den opferwilligen Barmherzigen einflösst, wenn wir denselben auch vorher gar nicht gekannt haben. In der Regel aber wird eine einzelne oder einige wenige Thaten nicht hinreichen, um uns eine sichere Ueberzeugung von dem sittlichen Werth einer Person beizubringen; vielmehr ist dazu meistens eine längere persönliche Bekanntschaft erforderlich, bei deren persönlichen Berührungen eine Mitbetheiligung an den Wirkungen ihres Handelns kaum ausbleiben kann. Ersatz für solche persönliche Bekanntschaft kann nur die Publicität eines Lebenslaufes bilden; eine solche aber ist wiederum am meisten bei solchen in das Staats- oder Culturleben eingreifenden Persönlichkeiten der Gegenwart oder Vergangenheit vorauszusetzen, von deren Wirken man in höherem oder geringerem Maasse, und sei es in noch so vermittelter Gestalt, die segensreichen Früchte mitgeniesst. In allen solchen Fällen wird

Y. Hartmann, Phan. d. sittl. Bew.

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