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mir lieb, wenn ich das Buch ganz ungedruckt lassen könnte. Es haben sich nämlich seit dem Erscheinen desselben meine Ansichten über manche Dinge, besonders über göttliche Dinge, bedenklich geändert, und Manches, was ich behauptete, widerspricht jezt meiner bessern Überzeugung. Aber der Pfeil gehört nicht mehr dem Schüßen, sobald er von der Sehne des Bogens fortfliegt, und das Wort gehört nicht mehr dem Sprecher, sobald es seiner Lippe entsprungen und gar durch die Presse vervielfältigt worden. Außerdem würden fremde Befugnisse mir mit zwingendem Einspruch entgegentreten, wenn ich dieses Buch ungedruckt ließe und meinen Gesammtwerken entzöge. Ich könnte zwar, wie manche Schriftsteller in solchen Fällen thun, zu einer Milderung der Ausdrücke, zu Verhüllungen durch Phrase meine Zuflucht nehmen; aber ich hasse im Grund meiner Seele die zweideutigen Worte, die heuchlerischen Blumen, die feigen Feigenblätter. Einem ehrlichen Manne bleibt aber unter allen Umständen das unveräußerliche Recht, seinen Irrthum offen zu gestehen, und ich will es ohne Scheu hier ausüben. Ich bekenne daher unumwunden, dass Alles, was in diesem Buche namentlich auf die große Gottesfrage Bezug hat, eben so falsch wie unbesonnen ist. Ebenso unbesonnen wie falsch ist die

Behauptung, die ich der Schule nachsprach, dass der Deismus in der Theorie zu Grunde gerichtet sei und sich nur noch in der Erscheinungswelt kümmerlich hinfriste. Nein, es ist nicht wahr, dass die Vernunftkritik, welche die Beweisthümer für das Dasein Gottes, wie wir dieselben seit Anselm von Canterbury kennen, zernichtet hat, auch dem Dasein Gottes selber ein Ende gemacht habe. Der Deismus lebt, lebt sein lebendigstes Leben, er ist nicht todt, und am allerwenigsten hat ihn die neueste deutsche Philosophie getödtet. Diese spinnwebige Berliner Dialektik kann keinen Hund aus dem Ofenloch locken, sie kann keine Kate tödten, wie viel weniger einen Gott. Ich habe es am eignen Leibe erprobt, wie wenig gefährlich ihr Umbringen ist; sie bringt immer um, und die Leute bleiben dabei am Leben. Der Thürhüter der Hegel'schen Schule, der grimme Ruge, behauptete einst steif und fest, oder vielmehr fest und steif, dass er mich mit seinem Portierstock in den Hallischen Jahrbüchern*) todt geschlagen habe, und doch zur selben Zeit ging ich

*) Die betreffende Kritik über „Heinrich Heine und seine Zeit" findet sich in erweiterter Ausführung abgedruckt in Arnold Ruge's „gesammelten Schriften," zweiter Band. Mannheim, I. P. Grohe. 1846.

Der Herausgeber.

umher auf den Boulevards von Paris, frisch und gesund und unsterblicher als je. Der arme, brave Ruge! er selber konnte sich später nicht des ehrlichsten Lachens enthalten, als ich ihm hier in Paris das Geständnis machte, dass ich die fürchterlichen Todtschlagblätter, die Hallischen Jahrbücher, nie zu Gesicht bekommen hatte, und sowohl meine vollen rothen Backen als auch der gute Appetit, womit ich Austern schluckte, überzeugten ihn, wie wenig mir der Name einer Leiche gebührte. In der That, ich war damals noch gesund und feist, ich stand im Zenith meines Fettes, und war so übermüthig wie der König Nebukadnezar vor seinem Sturze.

Ach! einige Jahre später ist eine leibliche und geistige Veränderung eingetreten. Wie oft seitdem denke ich an die Geschichte dieses babylonischen Königs, der sich selbst für den lieben Gott hielt, aber von der Höhe seines Dünkels erbärmlich herabstürzte, wie ein Thier am Boden kroch und Gras aß (es wird wohl Salat gewesen sein). In dem prachtvoll grandiosen Buch Daniel steht diese Legende, die ich nicht bloß dem guten Ruge, sondern auch meinem noch viel verstocktern Freunde Mary, ja auch den Herren Feuerbach, Daumer, Bruno Bauer, Hengstenberg und wie sie sonst heißen mögen, diese gottlosen Selbstgötter, zur erbaulichen Beher

zigung empfehle. Es stehen überhaupt noch viele schöne und merkwürdige Erzählungen in der Bibel, die ihrer Beachtung werth wären, z. B. gleich im. Anfang die Geschichte von dem verbotenen Baume im Paradiese und von der Schlange, der kleinen Privatdocentin, die schon sechstausend Jahre vor Hegel's Geburt die ganze Hegel'sche Philosophie. vortrug. Dieser Blaustrumpf ohne Füße zeigt sehr scharfsinnig, wie das Absolute in der Identität von Sein und Wissen besteht, wie der Mensch zum Gotte werde durch die Erkenntnis, oder, was Dasselbe ist, wie Gott im Menschen zum Bewusstsein seiner selbst gelange. Diese Formel ist nicht so flar wie die ursprünglichen Worte: Wenn ihr vom Baume der Erkenntnis genossen, werdet ihr wie Gott sein! Frau Eva verstand von der ganzen Demonstration nur das Eine, dass die Frucht verboten sei, und weil sie verboten, aß sie davon, die gute Frau. Aber kaum hatte sie von dem lockenden Apfel gegessen, so verlor sie ihre Unschuld, ihre naive Unmittelbarkeit, sie fand, dass sie viel zu nackend sei für eine Person von ihrem Stande, die Stamm-Mutter so vieler künftigen Kaiser und Könige, und sie verlangte ein Kleid. Freilich nur ein Kleid von Feigenblättern, weil damals noch keine Lyoner Seidenfabrikanten geboren waren, und weil

es auch im Paradiese noch keine Puhmacherinnen und Modehändlerinnen gab o Paradies! Sonderbar, sowie das Weib zum denkenden Selbstbewusstsein kommt, ist ihr erster Gedanke ein neues Kleid! Auch diese biblische Geschichte, zumal die Rede der Schlange, kommt mir nicht aus dem Sinn, und ich möchte sie als Motto diesem Buche voransezen, in derselben Weise, wie man oft vor fürstlichen Gärten eine Tafel sieht mit der warnenden Aufschrift: Hier liegen Fußangeln und Selbstschüsse.

Ich habe mich bereits in meinem jüngsten Buche, im „Romancero“*), über die Umwandlung ausgesprochen, welche in Bezug auf göttliche Dinge in meinem Geiste stattgefunden. Es sind seitdem mit christlicher Zudringlichkeit sehr viele Anfragen an mich ergangen, auf welchem Wege die bessere Erleuchtung über mich gekommen. Fromme Seelen scheinen darnach zu lechzen, dass ich ihnen irgend ein Mirakel aufbinde, und sie möchten gerne wissen, ob ich nicht wie Saulus ein Licht erblickte auf dem Wege nach Damaskus, oder ob ich nicht wie Balaam, der Sohn Beor's, einen stätigen Esel ge=

*) Vgl. das Nachwort Heine's zum „Romancero“ und die späteren Geständnisse."

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Der Herausgeber.

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