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reichen Litteratur, die sich mit Erklärung und Deutung der Dichtung beschäftigt.

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5. Goethes Saust.

Die tiefsinnigste Auffassung und großartigste Behandlung erfuhr die Faustsage ohne Zweifel durch Goethe, der diesen Stoff fast sein ganzes Leben in sich herumgetragen. und ihn zum Spiegel des höchsten titanenhaften Ringens einer gewaltig angelegten Menschennatur gemacht, eines Menschen, der in sich all das Weh und all die Lust der ganzen Welt erleben will. Schon in seiner frühesten Jugend empfing er die ersten Eindrücke durch das Puppenspiel, wie ihn auch lange lebhaft eine andere tiefsinnige Volkssage, die vom ewigen Juden“, beschäftigte. Hat er doch auch eine seiner schönsten Jugenderinnerungen, die Erscheinung des schlichten Bürgersmädchens Gretchen, in sie hineinverwoben. Wenn wir jene rührende Episode in „Wahrheit und Dichtung" lesen, fällt uns die jeltene Wärme und Jnnigkeit auf, womit der Greis seine erste Jugendliebe und die Erscheinung des naiven Kindes aus dem Volke schildert. Unwillkürlich erscheint uns die liebliche Gestalt des fleißigen Bürgersmädchens am Spinnrad, von dem ganzen Zauber der Häuslichkeit und Einfachheit umflossen, wir folgen ihr auf ihrem kindlich frommen Gange zur Kirche und wir empfinden das ganze Glück eines schlichten ungebildeten Mädchens, in deren Herz und Geist die Hoheit und Halbgöttlichkeit eines in allen Wissenschaften erfahrenen und von dem Nimbus der Kunst und Poesie umstrahlten Mannes mit Allgewalt hineinleuchtet. Wir können es ihr so recht nachempfinden, wenn sie im Gefühle ihrer Niedrigkeit vor sich hinlallt:

,,Du lieber Gott, was so ein Mann
Nicht alles, alles denken kann!
Beschämt nur steh' ich vor ihm da
Und sag' zu allen Sachen ja.

Bin doch ein arm, unwissend Kind,

Begreife nicht, was er an mir findt."

Und hierin liegt gerade das Geheimnis der Liebe, das ist ja der unbeschreibliche Reiz, der den ernsten und gelehrten Mann an das unwissende Mädchen fesselt, der unsagbare Zauber eines unberührten und darum unentweihten Gefäßes, das aber fähig und empfänglich ist, durch das Medium der Liebe eine unendliche Fülle von Gedanken und Bildungsstoffen aufzunehmen. Von jeher hat das Verhältnis eines Lehrers zur geliebten Schülerin eines der zartesten und innigsten Bande gewoben, und von jeher hat es den Bildner am meisten entzückt, das von seinem Geiste gebildete Wesen gewissermaßen von sich selbst zurückzuempfangen. Wir nennen hier nur ein berühmtes Beispiel: Abälard und Héloïse. Es ist aber mehr wie wahrscheinlich, daß zu Goethes Gretchen noch eine andere Mädchengestalt aus seinen eigenen Erlebnissen zu Modell gesessen, Friedericke v. Sesenheim, auf die nicht nur alle die Züge des naiven und schnippischen Wesens vortrefflich passen, sondern die in ihrem Zustand trostloser Verlassenheit ohne Zweifel das Substrat zu jener erschütternden Kerkerscene am Schluß des ersten Teiles geliefert hat. Wenn wir auch den neuesten Enthüllungen von gewisser Seite über das Sesenheimer Pfarrhausidyll skeptisch gegenüber stehen, so kann doch die Dichterphantasie die äußerste Konsequenz eines so innigen Verhältnisses gezogen haben.

Wie denn alle Schöpfungen Goethes Selbstbekenntnisse, oder Niederschläge seiner eigenen Empfindungen und

Erlebnisse genannt zu werden verdienen, so namentlich der Faust. Ihm bot die Volkssage nur das äußere Kleid, in das er sein tiefsinniges Menschheitsbild einkleidete. Schritt für Schritt begegnen wir Erinnerungen aus seinem Leben, Gestalten, denen er seine eigenen Ideen eingehaucht. Wie anschaulich entrollt sich vor unseren Augen jener Spaziergang am Ostermorgen aus der altehrwürdigen Reichsstadt! Ja, die ortskundigen Bewohner von Frankfurt können jenen freien Plag vor der Stadt finden und jene Linde, um die sich der lustige Volkstanz dreht; die Typen aus dem Volksleben treten plastisch und leibhaftig vor unsere Augen, Goethe erfand sie nicht, er kannte sie. Wer erblickte ferner nicht in jenem unerfahrenen Schüler, den Mephisto unter der Maske des Faust in die Lehre nimmt, das leibhaftige Konterfei des jungen Goethe zu Leipzig, der dorthin kam, mit durstigem Geiste an dem frischen Brunnen der Wissenschaft zu trinken?

„Ich wünschte recht gelehrt zu werden

Und möchte gern, was auf der Erden
Und in dem Himmel ist, erfassen,

Die Wissenschaft und die Natur.“

Und klingt es nicht wie eine Satire auf die Gelehrtenpedanterie und staubtrockene Büchergelehrsamkeit, wenn der Pseudo-Faust dem timiden Schüler den Rat erteilt:

,,Zuerst collegium logicum!

Da wird der Geist euch wohl dressiert,
In spanische Stiefeln eingeschnürt,

Daß er bedächtig so fortan

Hinschleiche die Gedankenbahn

Und nicht etwa die Kreuz und Quer

Irrlichteliere hin und her,

Dann lehret man euch manchen Tag,

Nover, Deutsche Sagen. Fauft.

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Daß, was ihr sonst auf einen Schlag
Getrieben, wie Essen und Trinken, frei,
Eins, Zwei, Drei! dazu nötig sei.
Zwar ist's mit der Gedankenfabrik,
Wie mit einem Webermeisterstück,
Wo ein Tritt tausend Fäden regt,
Die Schifflein herüber, hinüber schießen,
Die Fäden ungesehen fließen,

Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.
Der Philosoph, der tritt herein.

Und beweist euch, es müßte so sein:

Das Erst' wär' so, das Zweite so,

Und drum das Dritt' und Vierte so;
Und wenn das Erst' und Zweit' nicht wär',
Das Dritt' und Viert' wär nimmermehr.

Das preisen die Schüler allerorten,

Sind aber keine Weber geworden“.

Welchem jungen Anfänger des Studiums der Philosophie wäre es beim Anhören all der Definitionen und SchellingHegelschen Terminologie besser ergangen, als unserem Schüler, dem von alledem so dumm ward, als ging ihm ein Mühlrad im Kopf herum"? Wie wenig saftige Früchte werden oft auf Universitäten dem hungrigen Jünger der Wissenschaft geboten! Auch dem jungen Goethe erging es, wie so vielen anderen Leidensgefährten, die, wenn sie sich auch vorher „wohl präpariert, paragraphos wohl einstudiert“, am Ende sahen, daß der Professor nichts anderes lehrt, als was im Buche steht. Und dann die köstlichen, allerdings mit teuflischen Sarkasmen gewürzten Aufklärungen über den Geist so mancher Fakultät, der Medizin und Juristerei! Doch nun der Gegensaz zu der Wissenschaft! Der Lebensgenuß! Was nennt die Welt: sein Leben genießen? Zu dem Ende führt Goethe uns in Auerbachs Keller, den er in Leipzig selbst besuchte. Welch platte,

gemeine Kneipgesellschaft findet er da, sich bei saurem Wein, zotigen Liedern und plumpen Späßen erfreuend! Kein Wunder, wenn ein ernster und zu tiefsinniger Spekulation angelegter Charakter voll Efel und Abscheu sich von solchen Epikuräern abwendet, er müßte denn Lust tragen, die bekannten Heine'schen Verse zu bethätigen:

„Selten habt ihr mich verstanden,

Selten auch verstand ich euch,

Nur, wenn wir im Kot uns fanden,

Da verstanden wir uns gleich!"

Doch wir müssen es uns an diesen Andeutungen, die da beweisen, wie Goethe aus dem Borne seiner eigenen Lebenserfahrungen geschöpft hat, seinen Helden nach seinem Geiste zu gestalten, genügen lassen, obwohl wir diese Hinweise. auch im zweiten Teile seiner Tragödie fortseyen und namentlich zeigen könnten, wie des Dichters Bestrebungen als Minister am Hofe zu Weimar sich in der Thätigkeit Fausts abspiegeln. Aus allem erhellt, daß sein Held nicht der Gaukler und Lustigmacher der Volkssage ist, der einen Ehrgeiz hineinsegt, Tölpel und Rüpel zu foppen, oder fidele Zechkumpane mit Zauberkunststückchen zu unterhalten.

Darum durfte aber auch der Goethesche Faust unmöglich so zu Grunde gehen, wie der Held der Volkssage. Schon von vornherein deutet dies der Dichter in der Wette an, die Gott mit dem Teufel um die arme Seele des titanenhaft, aber immerhin in edlem Wissensdurste ringenden Menschen eingeht. Bekanntlich hat Goethe das Modell zu dieser Wette im Buche Hiob vorgefunden. Schon der Umstand, daß Gott sich herabläßt, mit dem Satan eine solche Wette zu schließen, läßt uns von vornherein seinen Sieg über die Macht der Hölle vorausahnen. Irrt auch der

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