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Entwickelung der freien Persönlichkeit hindert. Leider oder vielmehr glücklicherweise — täuschte sich Ibsen. Deutschland zerfiel nicht in Stücke; und was jenseits des Rheines von der Pariser Kommune proklamiert wurde, das waren zwar ganz ähnliche Gedanken, wie sie Ibsen ausgesprochen hatte, aber es stellte sich heraus, daß diese Ideen sich nicht in die Wirklichkeit überseßen ließen. Als der Dichter einsah, daß das goldene Zeitalter des dritten Reiches noch nicht gekommen sei, bemächtigte sich seiner eine hochgradige Erbitterung, und er begann nun der bösen Welt, die ihn so schmählich um seine schönsten Hoffnungen betrogen hatte, eine Anklageschrift nach der anderen entgegenzuschleudern, er begann, wie Henrik Jäger in seiner Biographie Ibsens sagt, der Krankheit der modernen Gesellschaft die Diagnose zu stellen. „Was hindert's, daß das dritte Reich kommt, was hindert's, daß jeder nach Leib und Seele ein vollkommener Mensch wird", das ist fortan die Grundfrage, die sich durch alle Werke Ibsens hindurchzieht. Dabei ist es dem Dichter wohl gelungen, das ganze Elend, all' die Schäden unseres Gesellschaftslebens aufzudecken, nicht ge= lungen ist es ihm, das Mittel zu finden, das allein die Besserung herbeizuführen vermag.

Die Reihe von Jbsens modernen Zeitdramen wird eröffnet durch das bekannte Schauspiel: „Die Stüken der Gefellschaft". Folgendes ist in Kurzem der Inhalt des Stückes.

Konsul Bernick ist der reichste und angesehenste Bürger einer norwegischen Küstenstadt. Durch glückliche Geschäftsspekulationen hat er sich ein ungeheures Vermögen erworben; einen Teil desselben hat er zu gemeinnüßigen Unternehmungen geopfert, darum gilt er für den größten Wohlthäter der Stadt, sein Name hat überall den besten Klang. Aber diese ganze Herrlichkeit ruht auf „schwankem Moorgrunde“. Konsul Bernick ist im Grunde eine durchaus selbstsüchtige, ja niederträchtige Natur. Er hat sich

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seinen Ruhm nicht ehrlich verdient. Wir erfahren im Verlaufe des Stückes, wie Bernick vor fünfzehn Jahren aus Paris nach seiner Heimat zurückgekehrt ist, um die seit dem Tode des Vaters darniederliegenden Geschäfte wieder in Flor zu bringen. Diese schwierige Arbeit hat jedoch den jungen Lebemann nicht gehindert, ein unzüchtiges Verhältnis mit einer verheirateten Schauspielerin anzuknüpfen, dem drohenden Skandal ist er dadurch entgangen, daß ein Comptoirist_im Hause Bernick, Johann Tönnesen, alle Schuld auf sich nahm und hierauf in die neue Welt auswanderte. — Erste große Lüge in Bernicks Leben. - Sodann hat der ehrenwerte Konsul, um peinliche Geldverlegenheiten und bedenkliche Geschäftskrisen zu bemänteln, über seinen großmütigen Freund das infame Gerücht ausgesprengt, derselbe habe sich vor seiner Reise nach Amerika an der Kasse vergriffen und einen beträchtlichen Teil des Bernickschen Vermögens mitgehen heißen. Zweite große Lüge. - Und endlich hat der spekulative Kaufmann seiner prekären Verhältnisse wegen eine reiche Partie gemacht", er hat Betty Tönnesen, Johannes' Schwester, zur Frau genommen, während er seine Jugendgeliebte, Lona Hessel, Tönnesens Halbschwester, schmählich im Stiche ließ. Das ist ein drittes, großes Unrecht, dessen sich Bernick schuldig gemacht hat. Aber er verfügt über ein weites Gewissen. Er empfindet durchaus keine Reue darüber, den Ruf eines Unschuldigen geschändet zu haben, es verursacht ihm keine Skrupel, daß jene Lona Hessel von ihm hintergangen wurde und voll Erbitterung ihrem Stiefbruder Johann nachgereist ist; der reiche Handelsherr kümmert sich absolut nicht darum, daß er das ganze Gebäude seines Glückes auf dem unsicheren Fundament von Lug und Trug aufgebaut hat. Jeßt, nach fünfzehn Jahren, hält sich Bernick selbst für einen Ehrenmann. Um diese würdige Gestalt, diese hervorragende „Stüße der Gesellschaft“, bewegt sich ein Kreis ähnlich denkender Menschen, wir lernen

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mehrere Kaufleute kennen, die Bernick an Selbstsucht nichts nachgeben; wir werden eingeführt in einen Verein zur Fürsorge für moralisch Verdorbene; in diesem Verein, der im Hause des Konsuls seine Versammlungen abhält, spielt ein trübseliger Pastor, Hilfsprediger Rohrland, den Vorleser und Seelsorger. - Bernicks Gattin und Schwester treten auf: es sind anspruchslose, unselbständige Charaktere, die sich erst nach und nach von dem übermächtigen Einfluß des Konsuls etwas emanzipieren. In der ganzen Umgebung Bernicks finden wir nur zwei kräftige Naturen: Schiffsbauer Auler, der dem gestrengen Konsul manchmal zu widersprechen wagt, und Dina Dorff, eine Tochter der Schauspielerin, mit welcher Bernick einst ein skandalöses Liebesverhältnis gehabt; wir erfahren, daß das Mädchen nach dem Tode der Mutter in die Familie des Konsuls aufgenommen wurde, aber ihre junge Seele krankt dahin an all' der heuchlerischen „Wohlanständigkeit“, von welcher sie umgeben ist, an der faden, ungefunden Luft, die sie tagtäglich atmen muß. — — Und nun tauchen in dieser dumpfen, moderigen Atmosphäre plöglich die Amerikaner auf: Johann Tönnesen und Lona Hessel, und zwar erscheinen sie gerade in dem Augenblick, wo der gewiegte Geschäftsmann Bernick vor zwei neuen gewagten und auch nicht ganz lauteren Unternehmungen steht; es handelt sich um den Bau einer neuen Eisenbahn, wobei der Konsul einen bedeutenden finanziellen Vorteil herauszuschlagen gedenkt, ferner hat er die Ausbesserung eines amerikanischen Schiffes, der „Gazelle“ übernommen; da die ausländischen Rheder drängen, sieht er sich nach Mitteln und Wegen um, die Reparatur so schnell wie möglich, in vier bis fünf Tagen, zu vollenden. Auf strenge Solidität der Arbeit sieht er dabei nicht. Die lieben Verwandten aus der neuen Welt kommen also Bernick höchst ungelegen, gerade zu der Zeit, wo er zwei kritische Dinge mit seinem ganzen „moralischen Uebergewicht" decken muß,

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wo daher der Glanz seines guten Namens nicht den leisesten Schatten vertragen kann. - Doch nun zeigt es sich: wer Wind säet, wird Sturm ernten. — Johann Tönnesen erfährt jezt erst von der niederträchtigen Intrigue bezüglich des Kassendiebstahls. Voll Verachtung wendet er sich von Bernick ab. Während seiner kurzen Anwesenheit lernt er Dina Dorff lieben, jenes freie Mädchen, das all' das hohle Gesellschaftstreiben nicht leiden mag. Er besteigt mit ihr als seiner Braut das Schiff „Palmbaum“ und segelt wieder dem Land des Sternenbanners zu. — Aber Lona Hessel bleibt, gleichsam ein Gespenst, eine ständige Mahnerin an Bernicks düstere Vergangenheit. Da bringt ein äußeres Ereignis die Befreiung für des Konsuls schuldbeladene Seele. Sein Sohn Olaf hat sich heimlich entfernt, um Onkel Tönnesen auf's Meer zu folgen; er ist aber an Bord der „Gazelle" geraten, jenes flüchtig reparierten Schiffes, von dem Bernick selbst glaubt, es werde auf hoher See zu Grunde gehen. Aber die Gattin des Konsuls hat noch rechtzeitig nach dem Knaben geforscht, derselbe ist noch aufgefunden, die „Gazelle“ noch zurückgehalten worden. Und angesichts dieses unerwarteten und unverdienten Glückes findet Bernick endlich den Mut, seinem bisherigen Scheinund Lügentreiben zu entsagen. Die Bewohner der Stadt haben gerade ihrem angesehensten Mitbürger für sein Wirken in der Eisenbahnsache eine glänzende Ovation dargebracht und sind mit Fahnen und Fackeln vor des Konsuls Haus erschienen; Pastor Rohrland hat eine überschwengliche Lobrede gehalten, - Bernick antwortet damit, daß er seine sämtlichen Sünden mit dürren Worten aufdeckt. Natürlich allgemeine Verwunderung unter der lauschenden Menge, grenzenloses Erstaunen über die scheinbare Niederlage des ersten Mannes der Stadt; aber in Wahrheit hat Bernick den größten Sieg gewonnen, er hat sich selbst bezwungen und steht im Begriff, ein neues Leben zu beginnen. Er

ist zur Freiheit und Wahrheit zurückgekehrt, und Freiheit und Wahrheit - das sind die besten Stüßen der Gesellschaft.

Das Werk hat seiner Zeit viel Aufsehen erregt. Und es ist unbestreitbar, daß dem Stück große Vorzüge eigen sind: der geschickte dramatische Aufbau, die Frische und Lebendigkeit einzelner Charaktere, die unerbittliche Konsequenz, mit welcher der Gedanke durchgeführt wird, daß niemand die Früchte seines Lasters als Ehrenmann genießen soll. Dies alles sichert den „Stüßen der Gesellschaft“ auch stets einen gewaltigen Bühnenerfolg.

Aber es unterliegt wohl kaum einem Zweifel, daß der Dichter, als er dies Schauspiel schrieb, mit dem Gottesglauben überhaupt wie mit dem Christentum insbesondere so gut wie gebrochen hatte. Die in dem Stück verherrlichten Personen, eine Lona Hessel, ein Johann Tönnesen, sind zwar starke und kräftige Persönlichkeiten, sie sind auch begeistert für Recht und Sittlichkeit, aber von einem Leben in Gott wissen sie nichts. Die klägliche Figur des Pastor Rohrland endlich zeigt zur Genüge, daß der Verfasser von den Vertretern der Kirche so niedrig wie möglich gedacht hat. Was am Schluß von der Freiheit und Wahrheit gesagt wird, ist an sich richtig; aber Freiheit und Wahrheit sinken zu schwachen, kraftlosen Schemen und Schatten herab, sobald sie ihrer Beziehungen zum innersten Heiligtum des Menschen, zur Religion, entfleidet werden.

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Ibsen verfolgte nun die einmal eingeschlagene Richtung weiter. Hatte er bisher dargestellt, wie in der Gesellschaft im Allgemeinen vieles faul ist, so faßte der Dichter jezt seine Aufgabe noch spezieller; nicht den Verkehr der Menschen überhaupt, sondern den Verkehr, wie er im engsten Kreise, in der Familie, in der Ehe stattfindet, unterwarf Ibsen einer scharfen, vernichtenden Kritik. In einer ganzen Reihe von Dramen hat er dies Problem be

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