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gebrochen, zugleich aber auch sein Herz. Es ist ein stiller Herbstabend; der Mond steht am Himmel. Johannes horcht von seiner Wohnung hinaus in die Nacht; er hat das Brausen eines Eisenbahnzuges vernommen, desselben Zuges, den Frl. Anna zur Abreise benut. Das Brausen verstummt. Der Zug hält. Jeßt ertönt die nahe Bahnhofsglocke. Der Zug seßt sich wieder in Bewegung und entführt dem Unglücklichen die Geliebte auf Nimmerwiedersehen. Nun ist seine Seelenqual in's Unerträgliche gesteigert, er mag nicht leben ohne die Eine, an der er mit allen Fasern seines Innern hängt. Darum macht er unter die Rechnung seines Lebens einen Strich und schließt ab“; sein heißes Herz sucht und findet Ruhe in den kühlen, mondscheinbeglänzten Fluten des Müggelsees.

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Es wäre dem Dichter ein Leichtes gewesen, in „Einsame Menschen“ eine wahrhaft erschütternde Tragödie zu schaffen, hätte er den Helden dargestellt als einen Mann, dem seine ungezügelte und unbekämpfte Leidenschaft zum düsteren Verhängnis wird. Wäre dies der Grundgedanke: Johannes begeht mit seiner unglückseligen Neigung ein Unrecht gegen die eigene Gattin, und dies Unrecht fordert seine Sühne, - dann würden wir dem Drama unsere volle Anerkennung zollen. Aber die Tendenz des Stückes ist eine andere. Offenbar soll Johannes' Handlungsweise in Schuß genommen werden, von irgendwelcher tragischen Schuld" soll keine Rede sein. Johannes fällt lediglich nur der „verfluchten Convention" zum Opfer; im Grunde haben er sowohl wie seine Geliebte nach des Dichters Meinung vollständig Recht, sich rückhaltlos ihren Empfindungen zu überlassen. So ist das Stück nichts weiter als eine Kriegserklärung gegen das Philistertum, welches ein Verhältnis wie das von Johannes und Anna in das Gebiet des Unerlaubten verweist. - Aber ist denn diese „philiströse" Ansicht so ganz zu verwerfen? Wir

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glauben es nicht. Ja noch mehr! Wir müssen auf das Entschiedenste Verwahrung einlegen gegen die neue Weisheit, die uns hier gepredigt wird. Wir können Johannes' Verhalten vielleicht entschuldigen, niemals aber billigen. Wohl, seine Gattin genügt ihm nicht, ihr fehlt das Verständnis für seine naturwissenschaftlichen Arbeiten; aber mit rührender Hingebung hängt sie an seiner Person, sie thut alles, was in ihren Kräften steht, ihm das Leben angenehm und behaglich zu machen, sie hat, wie Johannes selbst zugiebt, ein goldtreues „Märchenherz“, - nun wohl, wer giebt ihm das Recht, dies Herz zu brechen? Zwar denkt er nicht an groben, äußerlichen Ehebruch, er bildet sich sogar ein: „Mein Gefühl für Käthe ist tiefer und voller geworden"; aber troß dieses tiefen und vollen Gefühls bringt er es mit großer Seelenruhe fertig, seine Frau schier zu Tode zu martern. Denn er kümmert sich absolut nicht darum, daß sie unter der Gegenwart der Fremden leidet, er sett unbeirrt seine traulichen Unterredungen und Spaziergänge mit derselben fort und sucht ihren Aufenthalt auf jede Weise zu verlängern. Und dabei ist ihm eine solch' naive Brutalität eigen, daß er sein Unrecht gar nicht einsieht. Daß er mit all' den Lobeserhebungen des Fräuleins, dieses „wundervollen Geschöpfs", seiner Gattin gleichsam lauter Rutenstreiche in's Gesicht versezt, kommt ihm kaum zum Bewußtsein. Er kennt nicht seine erste und nächste Pflicht: seine Frau glücklich zu machen; daß es überhaupt Pflichten, auch Pflichten der Entsagung und Selbstverleugnung giebt, weiß er nicht. Er ist durch und durch Egoist. Er verlangt Opfer von andern, ohne selbst je ein Opfer bringen zu können. Er schilt die Grausamfeit seiner Umgebung, die sein Thun mißbilligt, und er denkt nicht an die Grausamkeit, mit welcher er seine Gemahlin, und nicht nur sie, auch seine treuen Eltern, zur Verzweiflung treibt.

Nicht wesentlich günstiger vermögen wir über Johannes' Partnerin, Anna Mahr, zu urteilen. Paul Mahn*) sagt freilich von ihr: „Es scheint fast unmöglich, daß eine so echte Weiblichkeit, ein so großes Gemüt, sich mit solcher Klarheit über Welt und Leben verbindet." Nun denn! Wenn das Fräulein wirklich eine solche „Klarheit über Welt und Leben“ besaß, dann mußte sie auch sehr bald einsehen, daß sie durch ihre Gegenwart den Frieden einer Familie zerstöre; es wäre ihre Pflicht gewesen, auf die erste Annäherung Johannes' hin für immer zu scheiden. Statt dessen dehnt sie ihren Aufenthalt weiter und weiter aus, läßt sich sogar, bereits zur Abreise gerüstet, doch wieder umstimmen, ohne auch nur im Geringsten auf den Seelenzustand ihrer gastfreundlichen Wirtin, Frau Käthe, Rücksicht zu nehmen. Daß sie den Kopf derselben mit Theorieen von Frauenrecht und Frauenemanzipation anfüllt, ist doch wahrlich kein Ersaß dafür, daß sie der Unglücklichen die Seele verdüstert; daß sie Geseßesparagraphen zitiert, welche das weibliche Geschlecht entwürdigen, ist kein Ersat dafür, daß sie der Aermsten den Gatten raubt und schließlich noch verwundert fragt: „Hab' ich denn etwas genommen?“ Und wo bleibt bei alledem die echte, edle Weiblichkeit? Sie tritt erst in dem Augenblick zu Tage, als das Fräulein endlich seine Pflicht erkennt und geht. Leider ist es dann zu spät.

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So irrt denn der Dichter sehr stark, wenn er Johannes und Anna als Träger höherer" Ideen hinstellt; vom christlichen Standpunkt aus sind diese „vollkommeneren“ Anschauungen inbezug auf Ehe- und Familienleben auf's Entschiedenste zurückzuweisen. Die christliche Ehe ist die innigste Gemeinschaft zweier Menschen verschiedenen Ge

*) Dr. Paul Mahn: Gerhart Hauptmann und der moderne Realismus. Berlin 1894. Seite 20.

schlechts. Beide haben mit dem Eingehen ihres Bundes zugleich die Verpflichtung übernommen, einander glücklich zu machen, eines das andere zu bessern und zu bilden. Demnach unterliegt es keinem Zweifel, daß, wie der Mann auf die ganze Frau, so auch die Frau auf den ganzen Mann ein volles und unbedingtes Recht hat. Dem aber schlägt es geradezu in's Gesicht, wenn zwischen Mann und Frau eine dritte Person stehen darf, welcher der Gatte seine besten Seelenkräfte zu Diensten stellt, während die rechtmäßige Gattin links liegen bleibt, zu einer zwecklosen Null herabsinkt. Das heißt die Ehe zerstören bis auf den Grund.

Nach meiner Ansicht haben wir „Einsame Menschen“ für ein weit gefährlicheres Werk zu halten, als „Vor Sonnenaufgang". Hier war doch eine gewisse sittliche Idee zu finden; das leztbesprochene Schauspiel bietet nichts dergleichen. „Vor Sonnenaufgang" lieferte nur eine kraß realistische Darstellung des Lasters, in „Einsame Menschen" haben wir eine Apologie desselben.

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Das Stück zeigt inhaltlich manche Aehnlichkeit mit den Wahlverwandtschaften“.*) Nun will ich zwar nicht behaupten, daß sich das Drama Hauptmanns als poetische Leistung irgendwie mit dem Goetheschen Roman messen könnte. Einen Vorzug aber besißt es, den der Klarheit.

Bekanntlich hat Goethe gesagt, seine „Wahlverwandtschaften" sollten nichts anderes sein als eine Predigt über das Wort des Herrn: Wer ein Weib ansiehet, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen. Der Roman selbst aber macht durchaus nicht den Eindruck, als ob er lediglich diesen Zweck verfolge; was Goethe eigentlich gewollt, wird in alle Zukunft ein

*) und zwar weit mehr als Sudermanns „Heimat“, welche Beyschlag wunderbarerweise mit den „Wahlverwandtschaften" in Parallele stellt.

Gegenstand des Streites bleiben. Da ist Hauptmann_entschiedener, wenn man will, ehrlicher. Er läßt Johannes ruhig sagen: Es ist nicht wahr, daß, wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, die Ehe bricht.*) Diese Offenheit wird man vom christlichen Standpunkte aus mit gleicher Offenheit beantworten müssen. Und so lautet unser Endurteil dahin: die in „Einsame Menschen“ ausgesprochenen Grundgedanken sind völlig verkehrt und nur geeignet, die Fundamente alles ehelichen Glückes zu untergraben: Die unbedingte Treue, die opferbereite Hingabe der Gatten an einander.

Wir kommen nun zu Hauptmanns berühmtestem und berüchtigtstem Werk:,,Die Weber“. — Das Stück spielt in den vierziger Jahren. Der Inhalt ist mit wenigen Worten anzugeben. Zunächst malt der Dichter in grellen Farben die furchtbare Not, in der die Weber des schlesischen Gebirges seufzten. Dann aber sehen wir, wie die arme, durch Hunger und Entbehrungen an Leib und Seele zerrüttete Bevölkerung einen wütenden Aufstand erhebt und dem reichen Fabrikanten Dreißiger das Haus zertrümmert. Zulezt stürmt die wilde Horde ins Nachbardorf und macht's einem dort wohnenden Blutsauger ebenso. Das zur Herstellung der Ordnung berufene Militär ist machtlos; die Empörung triumphiert.

Was vor allem an dem Werke auffällt, ist dies: daß eine Hauptperson, ein eigentlicher Träger der Handlung, nicht vorhanden ist. Eine Reihe z. T. tief erschütternder Szenen zieht vor unseren Augen vorüber, aber ein Held des Stückes fehlt. Doch mit Recht sagt Paul Mahn, daß der Dichter absichtlich kein tieferes Interesse an einer der auftretenden Personen aufkommen läßt, um unsere ganze

*) Dadurch fällt freilich auch auf Johannes' bloßes „Freundschaftsverhältnis“ zu Anna Mahr ein höchst eigentümliches Licht.

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