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Vorwort.

Einer Rechtfertigung bedarf eine Schrift wie die folgende nicht. Sie würde nur dann überflüssig sein, wenn dieser Stoff schon von anderer Seite in erschöpfender Weise behandelt wäre. Nun hat in der That Berthold Lizmann in seinen Vorlesungen über „Das deutsche Drama in den litterarischen Bewegungen der Gegenwart“ auch unser Thema berührt; von Paul Mahn ist eine Broschüre erschienen unter dem Titel: „Gerhart Hauptmann und der moderne Realismus“; endlich hat W. Beyschlag ein Referat über G. Hauptmann und H. Sudermann gegeben. - Troßdem glaubte auch ich, meine Abhandlung veröffentlichen zu dürfen. - Die beiden erstgenannten Autoren prüfen das realistisch-naturalistische Drama nicht im Lichte des Christentums; Beyschlag redet vom Standpunkt der inneren Mission und legt einen christlichen Maßstab an; doch ist eine umfafsendere Darstellung, die namentlich auch Ibsen mit berücksichtigt, wohl nicht unerwünscht. Ganz naturgemäß finden sich besonders in der Inhaltsangabe der einzelnen Dramen Anklänge an das, was bereits über unsere Dichter geschrieben ist, doch hoffe ich, daß eine wohlwollende Kritik auch in dieser Arbeit eigene Gedanken und selbständiges Urteil nicht vermissen wird.

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Werningshausen, im September 1896.

Der Verfasser.

Jie vorliegende Broschüre hat den Zweck, das moderne realistisch-naturalistische Drama im Lichte des Christentums darzustellen. Nicht die gesamte realistische Dichtung unserer Tage soll auf diesen wenigen Blättern behandelt werden, es war meine Absicht, aus dem ungeheuren Stoff etwas Bestimmtes, eng Begrenztes herauszugreifen: ich habe das Drama gewählt, weil im Drama die Weltanschauung des Schriftstellers am knappsten und präzisesten sich ausspricht, und weil gerade der Bühnendichter am unmittelbarsten auf seine Zeit einwirkt: aufrichtend oder zerstörend, bessernd oder vergiftend. Tausende, die sonst für künstlerisch-litterarische Zwecke nichts übrig haben, — in's Theater gehen sie doch einmal. Und wenn es wahr ist, daß die Bühne nicht bloß zur Belustigung, sondern zur sittlichen Läuterung und Erbauung dienen soll, so dürfte wohl klar sein, daß es nicht gleichgiltig ist, welche Kost auf den Brettern, die die Welt bedeuten, verabfolgt wird.

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Freilich bin ich weit davon entfernt, der Poesie im allgemeinen wie der dramatischen Dichtung insbesondere eine solche Wichtigkeit beizumessen, als ob Wohl und Wehe eines ganzen Volkes davon abhängig wäre, was irgend ein Musensohn seiner Leier für Töne entlockt, was irgend ein haarbuschiger Geselle“ für die Bühne zusammenschreibt. Ja, ganz abgesehen von kleinen Geistern, Nachahmern und Nachtretern: kein Dichter, und verfügte er auch über die glänzendste Begabung und feurigste Phantasie, überhaupt

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kein Mensch kann bloß aus sich heraus, ganz losgelöst von seiner Umgebung, einen neuen Zeitgeist schaffen. Jeder Mensch, und wäre es der bedeutendste, ist in gewissem Sinne ein Kind seiner Zeit; selbst die größten Dichter, Denker, Staatsmänner, Reformatoren, Apostel, Propheten: ein Goethe, Kant, Friedrich der Große, Luther, Paulus, ja sogar Christus - sie alle haben ihrer Zeit einen Tribut gezahlt, sie sind nur zu verstehen und zu würdigen aus den eigentümlichen Verhältnissen heraus, unter denen ein jeder von ihnen lebte und wirkte. Und nicht mit Unrecht wird dies als das Zeichen des Genies betrachtet, daß ein Mensch gerade für seine Zeit das rechte Wort findet, daß er mit der ihm eigenen Gestaltungskraft das formuliert, was den Millionen der mit ihm Lebenden das Herz bewegt und ihnen gleichsam auf der Zunge geschwebt hat.

Und doch führen solch' machtvolle Persönlichkeiten eben damit die Welt zugleich weiter, sei's im Guten, sei's im Bösen; sie entziehen sich dem nicht, was sie als ein Wünschen und Sehnen ihrer Zeitgenossen empfinden, fie saugen die tausend unsichtbaren Lebens- oder Verderbenskeime in sich ein, die in der Luft der Zeit liegen, aber sie verarbeiten dies alles dann doch auf dem Boden ihrer Individualität, und so kommt es, daß sie gleichwohl umgestaltend einwirken auf dieselbe Zeit, von der ihr Genius die erste Anregung und Befruchtung erfahren hat. Sie werden entweder großartige Beglücker oder großartige Verführer der Mit- und Nachwelt, ihre Thätigkeit ähnelt entweder derjenigen Christi oder derjenigen Muhammeds. Und wenden wir nun das, was von der Wirksamkeit geistig hochstehender Menschen überhaupt gilt, auf unseren besonderen Fall an, so ergiebt sich: die Dichtwerke der Gegenwart, speziell die realistisch-naturalistischen Dramen — soweit sich in ihnen eine hervorragende dichterische Schöpferkraft offenbart sind doch noch mehr als bloße Ausflüsse, bloße

Zeichen der Zeit; sie sind geeignet, Propaganda zu machen für die sich in ihnen aussprechenden Welt- und Lebensansichten und so auch auf die Zukunft einen bestimmenden Einfluß auszuüben.

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Nun ist es aber nicht nur das unzweifelhafte Recht, sondern auch die unabweisbare Pflicht des Christentums, Stellung zu nehmen zu allen irgendwie bedeutsamen Erscheinungen auch auf dem Gebiete der Kunst und Litteratur. Paulus spricht: „Alles ist Euer“ — daraus folgt das Recht des Christen, auf alles zu achten, was um ihn herum geschieht; es ist nicht so, daß ein Kind Gottes vor dem kräftig flutenden Leben und Treiben der Welt scheu und mönchisch das Auge schließen müßte. Und derselbe Paulus mahnt: „Prüfet alles und das Gute behaltet" - damit ist es dem Christen zur Pflicht gemacht, an alles, was der denkende Menschengeist schafft, einen christlichen Maßstab anzulegen, sich zu erbauen an dem, was bestehen kann vor dem Richterstuhl des göttlichen Wortes, allem anderen aber einen ehrlichen Krieg zu erklären. Denn wer das Gute behalten will, muß auch den Mut besigen, das Schlechte zu bekämpfen. Und so ist es denn für uns nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten, jene moderne Bewegung, die so viel Staub aufgewirbelt hat, im Lichte des Evangeliums zu betrachten. Wir wollen sie prüfen sine ira et studio, ohne Voreingenommenheit und ohne blinden Fanatismus. Ja, ich erkläre schon an dieser Stelle mit allem Nachdruck, daß ich in den zu besprechenden Dichtungen durchaus nicht lauter Teufelswerk erblicke. Auch habe ich vor einzelnen jener Realisten als Poeten die größte Hochachtung, ich füge aber sogleich hinzu, daß im allgemeinen doch zu wünschen wäre, diese Männer hätten ihre zum Teil glänzenden Gaben anders angewendet.

Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf drei Dichter, welche als die bedeutendsten Vertreter der oben genannten

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