Machtiges Ueberraschen.
Ein Strom enträuscht umwölktem Felsensaale Dem Ocean sich eilig zu verbinden;
Was auch sich spiegeln mag von Grund zu Gründen, Er wandelt unaufhaltsam fort zu Thale. Dämonisch aber stürzt mit einem Male
Ihr folgten Berg und Wald in Wirbelwinden Sich Oreas, Behagen dort zu finden,
Und hemmt den Lauf, begränzt die weite Schale. Die Welle sprüht, und staunt zurück und weichet, Und schwillt bergan, sich immer selbst zu trinken; Gehemmt ist nun zum Vater hin das Streben. Sie schwankt und ruht, zum See zurückgedeichet; Gestirne, spiegelnd sich, beschaun das Blinken Des Wellenschlags am Fels, ein neues Leben.
Freundliches Begegnen.
Im weiten Mantel bis an's Kinn verhüllet Ging ich den Felsenweg, den schroffen, grauen, Hernieder dann zu winterhaften Auen, Unruh'gen Sinns, zur nahen Flucht gewillet. Auf einmal schien der neue Tag enthüllet: Ein Mädchen kam, ein Himmel anzuschauen, So musterhaft wie jene lieben Frauen
Der Dichterwelt. Mein Sehnen war gestillet. Doch wandt' ich mich hinweg und ließ sie gehen, Und wickelte mich enger in die Falten,
Als wollt' ich trußend in mir selbst erwarmen; Und folgt ihr doch. Sie stand. Da war's geschehen! In meiner Hülle konnt' ich mich nicht halten, Die warf ich weg, sie lag in meinen Armen.
Kurz und gut.
Sollt' ich mich denn so ganz an Sie gewöhnen? Das wäre mir zuleßt doch reine Plage.
Darum versuch' ich's gleich am heut’gen Tage, Und nahe nicht dem vielgewohnten Schönen. Wie aber mag ich dich mein Herz versöhnen, Daß ich im wicht'gen Fall dich nicht befrage? Wohlan! Komm her! Wir äußern unsre Klage In liebevollen, traurig heitren Tönen.
Siehst du, es geht! Des Dichters Wink gewärtig Melodisch klingt die durchgespielte Leyer,
Ein Liebesopfer traulich darzubringen. Du denkst es kaum und sieh! das Lied ist fertig; Allein was nun? Ich dacht' im ersten Feuer Wir eilten hin, es vor ihr selbst zu singen.
Du siehst so ernst, Geliebter! Deinem Bilde Von Marmor hier möcht' ich dich wohl vergleichen; Wie dieses gibst du mir kein Lebenszeichen; Mit dir verglichen zeigt der Stein sich milde. Der Feind verbirgt sich hinter seinem Schilde, Der Freund soll offen seine Stirn uns reichen. Ich suche dich, du suchst mir zu entweichen; Doch halte Stand, wie dieses Kunstgebilde. An wen von beiden soll ich nun mich wenden? Sollt' ich von beiden Kälte leiden müssen? Da dieser todt und du lebendig heißest. Kurz! um der Worte mehr nicht zu verschwenden, So will ich diesen Stein so lange küffen, Bis eifersüchtig du mich ihm entreißest.
Als kleines artges Kind nach Feld und Auen Sprangst du mit mir, so manchen Frühlingsmorgen. Für solch ein Töchterchen, mit holden Sorgen, Möcht' ich als Vater segnend Häuser bauen!^/\ Und als du anfingst in die Welt zu schauen, War deine Freude häusliches Besorgen. ,,Solch eine Schwester! und ich wär' geborgen: Wie könnt' ich ihr, ach! wie sie mir vertrauen!“ Nun kann den schönen Wachsthum nichts beschränken; Ich fühl' im Herzen heißes Liebetoben.
Umfaff' ich sie, die Schmerzen zu beschwichtgen? Doch ach! nun muß ich dich als Fürstin denken: Du stehst so schroff ver mir emporgehoben ; Ich beuge mich vor deinem Blick, dem flüchtgen.
Entwöhnen sollt' ich mich vom Glanz der Blicke, Mein Leben sollten sie nicht mehr verfchönen. Was man Geschick nennt, läßt sich nicht versöhnen, Ich weiß es wohl und trat bestürzt zurücke. Nun wußt' ich auch von keinem weitern Glücke; Gleich fing ich an von diesen und von jenen Nothwendigen Dingen sonst mich zu entwöhnen: Nothwendig schien mir nichts als ihre Blicke. Des Weines Gluth, den Vielgenuß der Speisen, Bequemlichkeit und Schlaf und sonstge Gaben, Gesellschaft wies ich weg, daß wenig bliebe. So kann ich ruhig durch die Welt nun reisen: Was ich bedarf ist überall zu haben,
Und Unentbehrlichs bring ich mit - die Liebe.
Goethe's Gedichte. I. Bd.
War unersättlich nach viel tausend Küssen, Und mußť mit Einem Kuß am Ende sœeiden. Nach herber Trennung tiefempfundnen Leiden War mir das Ufer, dem ich mich entrissen, Mit Wohnungen, mit Bergen, Hügeln, Flüssen, So lang'ich's deutlich sah, ein Schaß der Freuden; Zuleht im Blauen blieb ein Augenweiden
An fernentwichnen lichten Finsternissen.
und endlich, als das Meer den Blick umgränzte, Fiel mir zurück in's Herz mein heiß Verlangen; Ich suchte mein Verlornes gar verdrossen. Da war es gleich als ob der Himmel glänzte; Mir schien, als wäre nichts mir, nichts entgangen, Als hått' ich alles, was ich je genossen.
Ein Blick von deinen Augen in die meinen, Ein Kuß von deinem Mund auf meinem Munde, Wer davon hat, wie ich, gewisse Kunde, Mag dem was anders wohl erfreulich scheinen? Eutfernt von dir, entfremdet von den Meinen, Führ' ich stets die Gedanken in die Runde, und immer treffen sie auf jene Stunde, Die einzige; da fang' ich an zu weinen. Die Thråne trocknet wieder unversehens: Er liebt ja, denk' ich, her in diese Stille, Und solltest du nicht in die Ferne reichen? Vernimm das Lispeln dieses Liebewehens;
Mein einzig Glück auf Erden ist dein Wille,
Dein freundlicher zu mir; gib mir ein Zeichen!
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