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Obgleich die vorwiegende Zeitströmung der spekulativen Religionsphilosophie nicht günstig ist, findet dieselbe doch auch außer Deutschland, besonders im Süden und Norden unseres Erdtheils und sogar im transatlantischen Westen vielfach eifrige Pflege, wogegen in England, Frankreich und den Niederlanden das Hauptinteresse sich der Geschichte der Religion zuwendet, sowohl den Einzelforschungen als auch der „vergleichenden Religionswissenschaft“, in welcher übrigens die empirische und die philosophische Untersuchung der Neligion sich die Hand reichen.

In Italien hat sich A. Vera um Verbreitung der Kenntniß der Hegel'schen Philosophie verdient gemacht. Insbesondere veröffentlicht er seit 1876 eine französische Uebersetzung der Hegel'schen Religionsphilosophie mit Einleitungen und fortlaufendem Kommentar, von welcher bis jetzt die zwei ersten Bände erschienen sind. Vera gehört übrigens zur rechten Seite der Hegel'schen Schule und hat von diesem Standpunkt aus eine Kritik des Strauß'schen Buches „Der alte und neue Glaube" geschrieben, welchem er seine christlich- ideale Weltanschauung entgegenseßte. Von der Ueberzeugung ausgehend, daß die Religion eine centrale Stellung im Leben der Völker einnehme und ihren Einfluß auf alle Gebiete auch des politischen Lebens erstrecke, bekämpfte er (1874) die Cavour'sche Theorie von der „freien Kirche im freien Staat". Auch in einer neustens (Neapel 1883) erschienenen Sammlung philosophischer Essays beschäftigt er sich mehrfach mit religiösen Problemen und mit den Beziehungen des Christenthums zum sittlichen Leben der Gesellschaft.

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Denselben Gegenstand hat von wesentlich demselben Standpunkt aus Raffaele Mariano in seinen Studien über Christenthum, Katholicismus und Kultur" (Deutsch, Leipzig 1880) in sehr geistvoller Weise behandelt. Sein von reicher Bildung und scharfsinnigem Urtheil zeugendes Buch hat für deutsche Leser dadurch noch ein besonderes Interesse, daß er unsere heimischen Verhältnisse in Literatur und Politik eingehend bespricht und freimüthig beurtheilt *). Früher (1873) hatte Mariano eine geschichtsphilosophische Studie über die von Rom im Mittelalter vertretene Idee und ihr Verhält

*) Ich verweise auf meine Anzeige dieses Buches in der Prot. Kirchenzeitung 1880, No. 15.

niß zur Reformation und Neuzeit veröffentlicht. Sein leßterschienenes Buch (1882) ist eine populäre Biographie von Jordano Bruno.

Während Vera und Mariano mehr der konservativen Richtung der religiösen Spekulation zugethan sind, hat ihr Landsmann Terenzio Mamiani das jezt so vielfach beliebte Thema der „Religion der Zukunft" (Mailand 1880) im Sinn eines rationalistisch-deistischen Unitarismus behandelt. Gaetano Negri aber hat sich in einer Schrift über die religiöse Krisis" (Mailand 1878) sowie in mehrfachen Abhandlungen und Kritiken (u. a. über Holsten's „Evangelium des Paulus" in der Zeitschrift La cultura, 1882, Nr. V) als gründlichen und scharfsinnigen Kenner der historisch-kritischen Forschungen über das Urchristenthum erwiesen.

In Schweden hat Christoph Jakob Boström eine Spekulation vertreten, welche die nächste Verwandtschaft mit der Loze'schen haben dürfte*). Boström hält für das einzig Reale das absolute Selbst= bewußtsein oder den persönlichen Gott und das Reich der persönlichen Geister, welche aber nicht außer Gott oder von ihm geschaffen, sondern in ihm als seine Bestimmungen oder Ideen ursprünglich enthalten seien. Dagegen komme der sinnlichen Welt keine Realität zu, sondern sie sei die bloße Erscheinung der geistigen Welt oder des Reiches Gottes, eine Phänomenalwelt, die zwar in unserer geistigen Organisation begründet, also nicht etwa bloß grundloser Schein, aber doch nur von vorübergehender Bedeutung sei, da sie mit der geistigen Veredlung des Menschengeschlechts allmählich verschwinden werde. Vom Menschen glaubt Boström ähnlich wie Krause, daß er bestimmt sei, durch verschiedene Lebensformen hindurchzugehen, die potentiell von Anfang in ihm liegen und deren jeweilige Entwicklung sich in einer jedesmal entsprechenden besonderen Phänomenalwelt darstelle; Jeder aber werde seine göttliche Bestimmung zuleßt sicher erreichen, da auch das zu unvollkommenen Lebensformen gehörende Böse und die Unseligkeit unter der allweisen Regierung Gottes nothwendig für Jeden einmal verschwinden müsse. Diese fortschreitende Ueberwindung des Unvollkommenen und Erhebung zum Vollkommenen, worin das

*) Zusammenhängend hat er sie dargestellt in seiner Selbstbiographie im 2. Band des schwedischen biographischen Lexikons, woraus Herr Dr. Alex Thorsoe mir Notizen mitzutheilen die Güte hatte.

Heil und die Versöhnung der endlichen Vernunftwesen besteht, ist Gottes stetiges Werk in der Geschichte, seine fortwährende Offenbarung. Da alle Religionen auf dieser allgemeinen Offenbarung beruhen, so ist nach Boström der Unterschied zwischen geoffenbarter und natürlicher Religion nicht statthaft, jede Religion ist vielmehr nur eine besondere, relativ wahre Entwicklungsform des einen Wesens der Religion.

Der norwegische Philosoph Monrad ist dem deutschen Publikum bekannt geworden durch seine „kritische Rundschau über die Denkrichtungen der neueren Zeit" (deutsch, Bonn 1879). Am Schlusse dieses mit Geist und Geschmack geschriebenen Buches spricht er die Ueberzeugung aus, daß die wahre idealistische Philosophie troß alles sich zur Zeit vordrängenden Positivismus doch keineswegs aus der Menschheit verschwunden sei, vielmehr bilde der spekulative Gedanke die im Boden der Zeit niedergelegte, aus der Saat der Vorzeit keimende organische Mutterzelle, welche die vielfachen sonstigen Stoffe sich assimiliren werde, um ein neues Gewächs zu bilden, das dereinst in seiner Fülle und Schönheit sich erheben wird. - In einer Abhandlung über das Verhältniß von Glauben und Wissen nimmt Monrad feine Stellung auf der Seite der Hegel'schen Rechten: Glauben und Wissen stehen zu einander in fortwährender dialektischer Wechselbewegung, welche zum Ziel hat das allmähliche Uebergehen des Glaubens in das Wissen, ein Prozeß, der jedoch in keinem Zeitpunkt je völlig abgeschlossen sein wird. Der christliche Glaube hat zum Inhalt die vollkommene Offenbarung Gottes nicht bloß für den Menschen, sondern auch in ihm, als sein innerstes Wesen, zur Form aber hat er noch die Aeußerlichkeit der wunderbaren Offenbarung, des Mysteriums. Aber die Immanenz der göttlichen Wahrheit im Innern des Menschen bezeichnet eben die Aufhebung des Mysteriums als solchen, sofern dieses auf der Vorstellung des Abstandes und der unüberwindlichen Schranke beruht. Je mehr also die Scheidewand schwindet, d. h. je mehr der Inhalt des christlichen Mysteriums zum vollen Bewußtsein gebracht wird, desto mehr schwindet die Form des specifischen Mysteriums; die Wahrheit wird nicht mehr als eine außenstehende und fremde, sondern als der eigene wesentliche und nothwendige Inhalt des Bewußtseins erkannt, so geht der Glaube

über ins Wissen. Aber nie wird die Grenze der Endlichkeit so völlig aufgehoben sein, daß das Mysterium absolut verschwunden wäre. Dieses zu übersehen, ist die rationalistische Schwärmerei, wie es der supranaturalistische Irrthum ist, den Glauben in seiner jeweiligen Form für immer firiren zu wollen.

Den Standpunkt einer zwischen Glauben und Wissen, Christenthum und Humanität vermittelnden Spekulation vertraten in Dänemark der Dichter J. L. Heiberg, der Philosoph H. Bröchner und der auch in Deutschland sehr angesehene Theolog Martensen, jene beiden und besonders Bröchner mehr dem linken Flügel der Hegel'schen Schule angehörig, während Martensen's Spekulation einen entschieden kirchlich konservativen Charakter hat und mehr Verwandtschaft mit der spätschellingschen und Baader-Böhme'schen Theosophie als mit der Hegel'schen Philosophie zeigt.

Wie überall, so hat auch in Dänemark und Skandinavien diese vermittelnde Spekulation ihre Gegner in den entgegengesetzten Lagern der starren Orthodorie, die alle Compromisse mit der Wissenschaft ab= weist, und des kritisch-historischen Rationalismus, der sich aus dem Streit der Dogmen und Kirchen in das vom Wunderglauben gereinigte Urchristenthum der Evangelien zurückzieht; als eifrige Vertreter desselben haben sich besonders bekannt gemacht H. N. Clausen und A. C. Larsen.

Noch bedeutenderen Einfluß jedoch hat in Dänemark die antirationalistische Richtung gewonnen in der doppelten Form: als ästhetisch-populärer Pietismus (Grundtwig) und als asketisch-individualistischer Mysticismus (Kierkegaard), welche beide bei aller sonstigen Verschiedenheit doch einig sind in der Geringschäßung des Wissens überhaupt und insbesondere in der leidenschaftlichen Verwerfung jeder Einmischung desselben in die Interessen des Glaubens. Um so merkwürdiger ist es, daß die antirationale Richtung Kierkegaards (S. 535 ff.) auch einen wissenschaftlichen Vertreter gefunden hat an dem Kopenhagener Philosophen R. Nielsen, der Glauben und Wissen als zwei gleich absolute, aber von einander ganz unabhängige Erkenntnißprinzipien betrachtet, deren Versöhnung nicht in ihrer inneren Vermittlung, sondern in ihrer gänzlichen Scheidung zu suchen sei.

Von dem in England weitverbreiteten Positivismus eines Stuart Mill und Herbert Spencer ist schon oben näher die Rede ge= wesen (S. 472-488). Ihm gegenüber hat aber auch der spekulative Idealismus auf britischem Boden neuerdings zunehmenden Einfluß gewonnen, besonders seit der schottische Denker Stirling durch seine geistvolle Auslegung der Hegel'schen Philosophie („The secret of Hegel", 1865) das Verständniß derselben seinen Landsleuten aufgeschlossen hat. Um die Würdigung Kant's hat sich der Glasgower Philosoph Eduard Caird verdient gemacht; und zwar verstehf er diesen Philosophen ungleich besser als unsere „Neukantianer“, sofern er nicht den skeptischen Empirismus, sondern den Rationalismus als den Nerv der Kant'schen Philosophie und als den Keim der aus ihr entsprungenen Spekulation erkennt. Sein Bruder, der Glasgower Theolog John Caird hat eine Einleitung in die Religionsphilosophie vom Standpunkt der Hegel'schen Spekulation (in der durch Vatke und Biedermann vertretenen Nuance derselben) geschrieben (1880), in welcher mit seltenem Geschick der werthvolle Kern der Hegel'schen Ideen von der engen Schaale der Schulform losgelöst und von der Grundlage dieser idealen Weltanschauung aus mittelst einer scharffinnigen Kritik der positivistischen und materialistischen Richtung das gute Recht nicht bloß der Religion als idealen Glaubens, sondern auch der Religionsphilosophie als idealen Wissens begründet wird*). Auf ähnlichem Standpunkt einer kritisch-freien und religiös-idealen Spekulation stehen auch die independentistischen Theologen Andrew Fairbairn und James Martineau, welche in einer Reihe von Abhandlungen und Vorträgen sich als geistvolle Apologeten des christlichen Gottesglaubens gegenüber dem Materialismus, Positivismus und Anthropologismus erwiesen haben. Dieselbe Aufgabe hat mehr vom Standpunkt einer gemäßigten kirchlichen Orthodoxie aus der Edinburger Theologe Robert Flint in den beiden Bänden über Theismus und antitheistische Theorieen (1877 und 1879) zu lösen gesucht.

Daß durch die englische Welt troß alles Hochkirchenthums ein weit verbreiteter Zug zur freieren Auffassung religiöser Dinge geht, verräth sich in dem lebhaften Interesse, welches die beiden Schriften

*) Ich verweise auf mein ausführliches Referat über Caird's Religionsphilosophie in den Jahrb. f. p. Th. 1882, 1. Heft.

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