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früher erwähnten Ansichten jene der Neubildung der physischen Welt.

Doch war auch ihnen die Idee einer Neugestaltung der Staatenbildung keineswegs fremd. Sueton berichtet uns (Vespasian, cap. 4), „dass im ganzen Orient ein alter und fester „Glaube allgemeine Verbreitung gewonnen habe, dass nach ,,einem Schicksalsschlusse um diese Zeit Leute, welche von „Judäa ihren Ausgang nähmen, sich der Weltherrschaft ,,bemächtigen würden." Hiemit im Einklange führt Tacitus in seiner Erzählung von den ersten Anfängen des Vespasian (Hist. V., 13), an, wie weit damals die Weissagung von einer im Orient sich nächstens erhebenden Weltherrschaft verbreitet

war.

Und wie um zu zeigen, wie morsch die Grundlagen der damaligen Gottes verehrung waren, giengen im Zeitraume von acht Monaten zwei der Haupttempel der des Capitolini

schen Jupiter in Rom im J. 69 n. Chr. (während des Bürgerkrieges zwischen Vitellius und Vespasian, Tacit. Hist. III., 71), und der in Jerusalem, durch des Titus Soldaten, im Jahre 70 n. Chr. in Flammen auf.

Die Culte hatten sich überlebt, die alten Cultusstätten zerfielen Höheres, Vollkommeneres wurde bereits verkündigt!

Eilftes Capitel.

Jesus Christus und seine Lehre.

In die Zeit der grössten Zerrissenheit, der bald für das weite römische Reich, insbesondere in furchtbarer Art für die Stadt Rom, durch die Willkürherrschaft der Cäsaren eine noch viel kummervollere Periode folgen sollte -- in diese Zeit der gleich ungemessenen wie unsicheren Erwartungen und Träume fiel die Geburt Christi.

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stellung

Herrschten überall anderwärts die Unsicherheit, der Zweifel, Gegenüberso war die grösste Bestimmtheit in Jesu Gefolge. Hatten zer- der Lehre setzende philosophische Systeme und Wanken des Götter- Jesu und glaubens, dem die häufiger werdenden Apotheosen in den anderer

Religionen.

Augen vieler wohl den letzten Stoss versetzten eine völlige Vernichtung der bis dahin bestandenen religiösen Ansichten in weiten Kreisen hervorgerufen, so trat die neue Lehre mit leicht fasslichen, bestimmt ausgesprochenen Grundsätzen auf.

Dem Polytheismus des Heidenthumes wurde jetzt ohne alle Einschränkung der Monotheismus entgegengestellt.

Dem complicierten Göttercultus der heidnischen Welt folgte nun die einfachste Weise des Gebetes.

Die stete heimliche Unruhe, in der man sich früher darüber befand, ob man wohl an den wirklich mit Beaufsichtigung dieser oder jener Angelegenheit beauftragten Gott sich gewendet und nicht etwa mächtige Wesen durch Übergehen beleidigt habe, durfte nunmehr der vertrauensvollsten Hingabe an ein Wesen Platz machen, das nicht mehr. der Rachegott der Juden, nicht mehr eine mit vielen Collegen fast gleiche Macht, den Launen und Leidenschaften nur zu sehr unterworfene, nicht selten auf Gaben der Menschen angewiesene, von den Sterblichen nicht selten, vom Schicksal immer abhängige Gottheit war sondern der allmächtige, höchst gütige und weise Schöpfer Himmels und der Erde.

Suchte man früher vergebens nach einem Lehrbegriff, fand man ausser den Mythen über das Leben der Götter, das fast in jeder Einzelnheit jeder rechtlich und edel Denkende nicht als seine Richtschnur gelten lassen wollte, in der Religion des Heidenthumes weder Belehrung über das Verhältnis der Götter zu den Menschen, noch über das Schicksal des Menschen nach dem Tode: in der neuen Lehre fehlte über keinen dieser Punkte die genaueste Auskunft.

Während der heidnische Cultus bei Hellenen, Römern und Orientalen sich überall zuerst auf Localgötter bezog und erst durch verschiedene grossentheils politische Wandlungen eine allgemeinere Ausdehnung bekommen konnte, doch nie völlig sein nationales Gepräge verlor, war das Christenthum im eigentlichsten Sinne für alle Menschen bestimmt und wurde. ja so bald auch nach allen Seiten hin verpflanzt.

Die von Christus gepredigte Religion ist die erste, die sich als kosmopolitische, für alle Völker bestimmte mit Bewusstsein kundgibt und deutlich ausspricht sie war im

eigentlichsten Sinne des Wortes eine Welt-Religion, sollte allen Völkern, allen Individuen zugänglich, auch in ihrem Priesterthume nicht mehr, wie früher so oft, bloss einzelnen Stämmen, Kasten oder Familien zu eigen sein.

Der Gegensatz in dieser Beziehung ist besonders grell, wenn man an die unmittelbare Vorläuferin des Christenthumes, an die mosaische Religion, namentlich in ihrer älteren Form, denkt. Wie scharf ist dort alles für die Individualität eines Volkes berechnet! Wie schwer erfüllbar, wie schnurstracks den Sitten anderer Völker widersprechend sind dort viele Vorschriften! Welch feindseliges Benehmen gegen andere Völker erheischen ihre Gesetze! Wie müsste, um den mosaischen Vorschriften gemäss zu leben, jeder seine Nationalität ablegen, um ganz und ausschliesslich der jüdischen anzugehören. Welche Umwandlung bezeichnet hierin das Christenthum, das man doch wohl hie und da ausschliesslich als Tochter des Judenthumes anzusehen beliebt!

Den tiefgehenden Veränderungen in den Ansichten über das Wesen der Gottheit entsprechen auf der anderen Seite nicht minder tief einschneidende Veränderungen im Sittengesetze. Strenge genommen konnte man wohl während der ganzen Zeit des Heidenthumes nicht von einem Sittengesetze sprechen), umsoweniger von einem Sittengesetze, das bindende Kraft gehabt hätte. Jedes Gesetz setzt natürlich einen Gesetzgeber voraus; wo wäre dieser, selbst in der Meinung der Heiden, gewesen? Man brachte zwar den Göttern Opfer, um sie zu versöhnen, aber nur die Vorgeschrittensten, und auch sie nur ausnahmsweise dachten die Schuld, die man auf sich geladen hatte, so, als ob man durch seine moralische Haltung die Götter beleidigt hätte nein, die Götter glichen Mächtigen dieser Erde, die ihren Willen nicht kundgethan haben und die der Arme gerade deshalb bei jedem Schritt zu verletzen fürchtet. Brach Unglück herein, so galt es für

*) Vgl. Roth, Tacitus Annalen deutsch Supplemente zum XVI. Buch S. 126. Er sagt: „Die alte Welt in ihrer Gesammtheit, die Juden allein ausgenommen, kannte kein Sittengesetz ausser der durch altes Herkommen geheiligten Anständigkeit. Die Religion war so wenig die Grundlage des sittlichen Lebens und Denkens, dass sie vielmehr selbst nur auf dem Herkommen beruhte, und mit dem Herkommen stand und fiel.“

sicher, dass der Himmlischen Einer zürne, doch selbst dann noch blieb häufig die Ungewissheit, an welchen von den Olympiern man sich mit Opfer und Gebet zu wenden habe. Der ganze Cultus der Götter lief auf Ausserlichkeiten hinaus. und mit Ausnahme des Pythagoras, des Sokrates und seiner Nachfolger war vom inneren Menschen nicht die Rede.

Anders wurde es nun: Der Gott, der nirgends einen Rivalen kannte, der nirgends für sich Opfer nöthig hatte, wollte den Menschen als solchen besitzen, aber den völlig umgestalteten, innerlich gereinigten, nicht wie bisher im Heidenthume und zum Theile auch im Judenthume den bloss durch eine Reihe von äusserlichen Reinigungen hindurchgegangenen. Die innerliche Umkehr wurde nunmehr die Hauptsache, neben der alles Übrige verschwand. Gott selbst wurde jetzt Gesetzgeber sein Gesetz war für jeden, der sich überhaupt dem Christenthume zuwandte, beglaubigt.

Daraus geht schon hervor, dass der einzelne, der innere Mensch der Hauptgegenstand des Christenthumes wurde, während das Heidenthum vor allem sich auf den Menschen als Glied des Staates bezog. Vergleichsweise gesprochen richtete sich der heidnische Cultus mehr auf den Staatsbürger, der christliche hatte fast ausschliesslich den einzelnen, inneren Menschen zum Gegenstande. Um sich zu erinnern, wie sehr hohes Gewicht selbst Philosophen ersten Ranges auf den Staat als Bestimmendes für den Cultus legten, muss hier wiederholt angeführt werden, dass Sokrates, so wie er überhaupt im Gehorsam gegen die Staatsgesetze die Summe der Pflichten sah, so auch lehrte, es sei der beste Gottesdienst, die Götter nach den Gesetzen eines jeden Staates zu verehren (Xenophon, Memorab. 1, 3, 1; 4, 3, 16), dass Plato für die würdigste und schönste Beschäftigung erklärt, den Göttern, Heroen und Dämonen in herkömmlicher Weise zu dienen (Leg. 653).

Ein Gebot, das Gebot, Gott zu lieben und ihm zu folgen, tritt nach Pascal's Bemerkung (Pensées, Edition Didot, II. partie, article IV. 1) zuerst im Christenthume hervor.

Aus zweien der genannten Eigenschaften aus der Universalität des Christenthumes und aus dem Dringen auf

innere Wandlung

sowie aus der Gleichheit aller Menschen vor Gott, folgte auch das Gebot, sich zu lieben gleich Brüdern, das alle umschliesst. Auch hinsichtlich des Gebotes der Nächstenliebe weicht das christliche Sittengesetz ungemein von den Lehren der heidnischen Philosophen ab; beispielsweise möge es genügen, als Beleg hiefür anzuführen, dass Aristoteles (Eth. Nicom. IV., cap. 5, 1-8) von der zur Verzeihung erlittener Beleidigung geneigten Milde wie von einem Fehler spricht und es dagegen dem hochherzigen Manne geziemend findet, dass derselbe offen sei, wie in der Liebe, so auch im Hasse. Jene Andeutungen, welche nach der Meinung Einiger das Judenthum zur Liebesreligion stempeln sollen, wie weit stehen sie hinter ganz entgegengesetzt lautenden Geboten desselben Cultus, der seinen Anhängern gerade zur Pflicht gemachten Feindseligkeit gegen andere Völker zurück! Wie sehr ist dagegen im Christenthume die Liebe wie in keinem anderen Cultus geradezu als Hauptaufgabe, als die alles durchdringende Seele der Religion aufgestellt. Neben dieser Forderung verschwindet, wie ausdrücklich versichert. wird, jede andere an Wichtigkeit. Man fragt Jesum: Welches ist das grösste Gebot im Gesetze?", und Jesus antwortet: Du sollst den Herrn, Deinen Gott, lieben mit Deinem ganzen Herzen, und mit Deiner ganzen Seele, und mit Deinem ganzen Gemüthe. Das ist das erste und grösste Gebot. Das zweite aber ist ihm ähnlich: Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selber. In diesen beiden Geboten ist das ganze Gesetz und die Propheten begriffen." (Matth. XXII., 37-40; ebenso Marcus XII., 28 ff.) Das Gebot wird. ausdrücklich auf die Feinde ausgedehnt (Matth. V., 44); es wird verlangt, dass wir die Wünsche des Nächsten zu übertreffen trachten (Matth. V., 39 ff.); die Versöhnung mit dem Nächsten hat den Vorzug vor jedem Opfer (Matth. V., 23-24). Gilt dem Johannes (XIII., 34, 35) das Liebesgebot überhaupt für ein neues, so wird umsomehr mit Nachdruck betont, dass diese Lehre der Liebe in ihrer Ausdehnung auf die Feinde eine neue sei: Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst Deinen Nächsten lieben und Deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde (Matth. V., 43, 44)", "segnet, die euch fluchen, thut wohl

Arneth, Hellenische u. römische Religion. II.

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