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Die vergleichende Mythologie.

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sämtliche Entwicklungsstufen und Lebensformen, die der geistige Zustand der Menschheit, der Kulturvölker allmälig durchlaufen hat, in den heutigen wilden Völkern der Erde noch lebende Vertreter zählen. Die Beobachtung dieser wilden Völker gewährt ein Hilfsmittel, den Zustand der civilisierten in seiner Ursprünglichkeit kennen zu lernen, viele Überbleibsel der niederen Stufen leben in den höheren noch fort. So ist auch der religiöse Glaube auf niederer Stufe bei den Indogermanen, ja überhaupt bei allen Völkern ziemlich gleichartig. Er erzeugt sich auch stets von neuem, da die Voraussetzungen, die kindliche unentwickelte Vorstellung der Menschen und die Naturerscheinungen, immer dieselben bleiben. Damit war eine völlige Verschiebung der Thatsachen erreicht. Das Aufspüren alter Götter im Volksglauben wurde wesentlich beschränkt. Nur durch zufällige und verhältnissmässig seltene Rückwirkung konnten einzelne Züge aus der höheren in die niedere Mythologie übergehen. Selbst die jüngste Volkssage konnte unter Umständen dieselbe Keimbildung enthalten, aus der in Urzeiten irgend ein Mythus sich entwickelt hatte. Weniger glücklich ist Schwartz mit seiner Mythendeutung aus Wetter, Wind und Wolken. Allzu willkürlich wird die Überlieferung zugestutzt, allzu einseitig und künstlich eine einzige Entstehungsart behauptet.

Kuhn aber liess sich vom Veda leiten, in welchem eine der urindogermanischen sehr nahe stehende Mythologie enthalten zu sein schien, die zugleich den Satz vom physikalischen Ursprung der Mythen aufs beste bestätigte. In zahlreichen Abhandlungen der Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, in der Herabkunft des Feuers und des Göttertranks 1859 wurde die Lehre von der vergleichenden Mythologie begründet. Der Vedaforscher Max Müller war neben Kuhn am Ausbau der Hypothese beteiligt (vgl. Oxford essays). Die vergleichende Mythologie überträgt die Ergebnisse der vergleichenden Sprachwissenschaft aufs Gebiet des Götterglaubens und der Göttersage. Möglichst viele griechische und indische Götternamen wurden zusammengestellt und aus einer gemeinsamen indogermanischen Form abgeleitet. Damit ergab sich eine erstaunlich reiche indogermanische Sagenwelt, eine unwahrscheinlich hoch entwickelte geistige Kultur des Urvolkes. Die mit grosser Zuversicht auftretende vergleichende Mythologie hat mit völliger Entsagung geendet. Die Etymologien hielten nicht Stich und damit schon fällt die eigentliche Grundlage. Bis auf ganz vereinzelte Gleichungen, wie Dyaus-Zeus-Tiuz,

deren sachliche Berechtigung selbst noch bestritten wird, sind heute die meisten Resultate der vergleichenden Mythologie ebenso verschollen wie die von den Symbolikern dereinst unter den Hauptreligionen aufgestellten Ahnlichkeiten. Die Methode der vergleichenden Sprachwissenschaft schien die sicherste Gewähr zu bieten, aber die Hoffnung täuschte. Wenn die Vedamythologie 1) nicht als reinster Vertreter der indogermanischen gelten darf, wenn sie nicht die arische Theogonie ist, so kann ihr Inhalt auch nichts für die andern indogermanischen Völker Bindendes lehren. Die Vedamythen sind für sich allein aus ihrer eigenartigen Umgebung heraus zu erklären. Aber Kuhn und M. Müller entnahmen aus dem Veda eine allgemein giltige Mythendeutung. Die vedischen Mythen hängen aufs engste mit Naturerscheinungen zusammen, ja sie scheinen gerade wegs aus der Naturanschauung hervorgegangen zu sein. Kuhn entwickelte die eine Seite der Natursymbolik, das Gewitter, Müller die andere, die Sonne vom Aufgang zum Niedergang. M. Müllers Sonnenlehre ist von Müllenhoff auf Tiuz, Frija und die Alkîz angewandt worden. Im Abschnitt über Tiuz ist sie auch in diesem Handbuch trotz mancher Zweifel berücksichtigt.

Die Entstehung der Vedamythologie bezeichnet M. Müller so, dass blosse Namen von Naturerscheinungen meteorischer Art allmälig verdunkelt, personificiert und vergöttert worden seien. Der Satz:, der Himmel regnet, donnert, blitzt", endigt schliesslich mit dem Glauben an Zeus, an einen persönlich gedachten Gott des lichten Himmels, in dessen Hand die Elemente liegen. Die Sprache beruht auf Vergleichungen, auf Bildern. Allmälig tritt die Metapher dem Bewusstsein zurück, so entsteht eine Sage, kein blosser Vergleich. „Die Sonne folgt der Morgenröte" entwickelt den Mythus: der Sonnengott folgt liebend der Morgenröte; es entsteht eine Werbungssage. Die Sonne geht unter" der Sonnengott altert oder stirbt. Aus dem Schoose der Nacht enttaucht die Sonne" = die Nacht gebiert ein strahlendes Kind. Die poetische Sprache gibt oft zweien mit nur einer gleichen Eigenschaft ausgestatteten Gegenständen die Bezeichnung, die ursprünglich nur einem derselben zukam. Sie sagt z. B. Sonnenstrahlen sind wie Zügel, Finger, Hände, roten Kühen gleichen die roten Wolken der Abend

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1) Vgl. Hillebrand, Vedische Mythologie I, Breslau 1891; Oldenberg, Die Religion des Veda, Berlin 1894.

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und Morgenröte. Später heisst es: sie sind es wirklich, und dann entsteht der Mythus von Ross und Reiter, von der rosenfingrigen Eos, von den Kühen, die der Dämon des Dunkels raubt, die aber morgens wieder ausgetrieben werden. Müller räumt der Sprache einen grossen, aber auch gesuchten Einfluss bei Schöpfung der Mythen zu. Die Götter des Lichts, welche das Grauen der Nacht verscheuchen, sind die Beschützer und Freunde des Menschen. Zu dieser Glaubensidee erhub sich bereits das indogermanische Urvolk. Bei der Mythenbildung ist auch die sogenannte „Hypostase" von Belang, dass aus einer Urgestalt mehrere hervorgehen als einzelne Verkörperungen ihrer Eigenschaften und Beinamen. Der Himmel ist der helle (Zeus), der blitzende, donnernde, welche Namen und Eigenschaften in vielen Mythologien die Vorstellung eines besonderen Gewittergottes neben dem Lichtgott hervorriefen. So ergeben sich zahllose Möglichkeiten von Mythendeutungen. Zwei Grundsätze wurden von den Vertretern der vergleichenden Mythologie als unumstösslich erwiesene Thatsachen betrachtet: dass die Hauptgöttergestalten und eine Anzahl von Mythen in der Urzeit und Gemeinschaft des arischen Stammes entstanden seien, dass die Mythen aus meteorischen Erscheinungen hervorgingen. Der Grundgedanke der vedischen und damit indogermanischen Mythologie ist ein Kampf der Lichtgötter mit den Dämonen der Finsterniss, zwischen Tag und Nacht, Sonne und Gewitterwolke. Wenn auch schwer bedrängt und fast besiegt ringt sich doch das Licht immer wieder empor. Die allgemeine Anschauung von himmlischen Lichtgöttern mag allerdings sehr wahrscheinlich als indogermanisch gelten. Mannhardt, der eine Zeit lang ein eifriger Anhänger der vergleichenden Schule war, unternahm es, in Einzeluntersuchungen (germanische Mythen 1858) und in zusammenhängender Betrachtung (die Götterwelt der deutschen und nordischen Völker 1860) die germanische Mythologie von diesem Standpunkte aus zu bearbeiten. Sein Buch blieb der einzige wissenschaftlich begründete Versuch, es rief keine neue Bewegung hervor, es bildet im Gegentheil den Abschluss der eigentlich vergleichenden Mythologie in ihrer Anwendung auf die germanische Überlieferung. Man erkennt klar daraus, wie viel oder wie wenig mit dieser Methode zu erreichen war.

6. Die Lehre vom Dämonenglauben.

Wilhelm Mannhardt'), der aus einem einstigen Anhänger J. W. Wolfs zur vergleichenden Schule übergetreten war, verleugnete schliesslich auch diese und begründete eine selbständige Lehre, die Volksglauben und Volksbrauch, namentlich soweit er mit dem Ackerbau zusammenhängt, obenan stellt. Auf Grund umfassender Sammlungen, auf Grund sorgsamer Erforschung alter und neuer Überlieferung bekennt er sich zur Anschauung, dass Wald-, Feldund Hausgeister der Einbildung des Volkes zuerst lebendig wurden, dass diese Gestalten dem niedern Volke auch stets lebendig blieben, gleichviel welche Mythen die fortschreitende Kultur unter den höheren Kreisen zeitigte. Diese im Kerne sich gleichbleibende Volksmythologie war der gemeinsame Besitz der ungeteilten Indogermanen. Die Annahme einer ausgebildeten indogermanischen Götter- und Heldensage gibt Mannhardt zuletzt fast ganz auf. Nur einige wenige gemeinsame Götternamen und Vorstellungen wie Dyaus-Zeus lässt er gelten.

Die Untersuchung der Wald- und Feldkulte zeigt, dass diese einen gemeinsamen Grundstock von Anschauungen und darauf beruhenden Gebräuchen enthalten, der sich bei allen europäischen Völkern findet, welch verschiedene Religions- und Göttersysteme sie auch haben mögen. Die Dämonen des Erntefeldes, des Waldes, des Baumes, die, Vegetationsgeister" machen die Grundvorstellung aus in den Glaubens überlieferungen der alten und neuen Kulturvölker Europas. Nur wenig ist von dem Mythenkreis der Dichter und Priester, der wie der Glaube der Gebildeten über dem der Ungebildeten, d. h. der geistig und gesellschaftlich Niedrigeren sich erhebt, in diese Überlieferungen eingedrungen. Am meisten noch hat das katholische Christentum sich mit ihnen vermischt, sie teilweise umgeformt oder verhüllt.

Die modernen Volkssagen und Volksbräuche sind die unmittelbaren Abkömmlinge jener urzeitlichen, wennschon auch viele spätere Neubildungen oft erst aus der christlichen Zeit darunter begegnen. Der Volksglaube wird zwar immer neu geboren, aber

1) Eine Würdigung Mannbardts gibt E. H. Meyer, AnzfdA. 11, 141 ff. Der Entwicklungsgang des immer mit sich selbst ringenden, stetig vorwärts strebenden Forschers wird trefflich geschildert. In der Einleitung in die antiken Wald- und Feldkulte kennzeichnet Mannhardt selber seine Stellung zu den Hauptströmungen der mythologischen Forschung.

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jedesmal auch in veränderter Gestalt, den Verhältnissen angepasst. Aus dem Volksglauben wachsen dann oft höhere Mythen hervor. So wird der Sturmgeist Wode zum Gott der Helden und Dichter, zu Wodan. Besteht einmal der Glaube an lichte, himmlische Götter, so mögen sie manche Gestalt aus der Dämonenschar zu sich hinauf ziehen. Entkleidet man einzelne Götter ihres herrlichen Aufputzes, so kommen wieder die altbekannten Spukgestalten zum Vorschein. Im allgemeinen Gedanken berührt sich also Mannhardt mit Schwartz, dass der Kunstmythus aus dem Volksglauben und nicht umgekehrt dieser aus jenem hervorging. Die Möglichkeit, dass beide unabhängig seit Alters neben einander her liefen und nur zeitweilig auf einander, einwirkten, wird nicht erörtert. Im Roggenwolf 1865 erklärt Mannhardt die Elementargeister für Windgeister. Die Windfurchen im Korn waren die Spuren der in Tier- und Menschengestalt hindurchlaufenden Geister. In den Korndämonen denkt er daneben an Seelengeister. Im Baumkult der Germanen 1875, in den antiken Wald- und Feldkulten 1877, in den mythologischen Forschungen wird dagegen die Pflanzenseele als Ursprung mythologischer Vorstellungen hingestellt. Aus der Beobachtung des Wachstums in der Pflanzenwelt habe der Mensch auf Wesensgleichheit geschlossen und einen Pflanzengeist erdacht. Die Pflanzenseele entwickelte weiterhin den Glauben an dämonische Wesen überhaupt. Mit seiner Mythenerklärung irrt Mannhardt sicher; diese Gedankenreihe ist viel zu künstlich und abstract. In seinen früheren Arbeiten stand er in diesem Punkte der Wahrheit näher. Ferner erregt die Behauptung indogermanischer Korndämonen Bedenken, da sie sehr entwickelten Ackerbau voraussetzt, während wir die Indogermanen als ein schweifendes Hirtenvolk zu denken haben.

Die vergleichende Schule zumal bei Kuhn und Müller nahm die kunstvollen Göttermythen zum Ausgang, deren Ursprung aus Wind und Wolken und Himmelslicht abgelesen wurde. Schwartz hatte mit richtigem Gefühl die Volkssage in den Vordergrund gestellt, blieb aber in der rein meteorischen Auslegung befangen. Mit Mannhardt tritt immer mehr der Volksglaube als die ursprüngliche Religion in den Mittelpunkt, dem gegenüber zumal bei den Griechen. der Götterglauben wie eine künstlerisch stilisierte Neugestaltung desselben Grundgedankens erscheint. Elard Hugo Meyer baute diese Ansicht aus. Er nimmt verschiedene Entwicklungsstufen der mythischen Gestalten an nach dem Grundsatze, dass das mensch

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