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verlangte einen Trunk, erhielt ihn aber nicht früher, als bis er sein eines Auge zum Pfande setzte. Das Auge des Gottes barg nun Mimir in seinem Quell. Später sagt die Seherin, Odin raunt mit Mimirs Haupt, womit vielleicht auf die in der Ynglingasaga erhaltene Erzählung angespielt wird. Beim Friedensschluss zwischen Asen und Wanen tauschten sie Geiseln. Die Asen entsandten Hönir und gaben ihm den weisen Mimir zum Begleiter. Diesem schlugen jedoch die Wanen das Haupt ab und schickten es an die Asen zurück. Odin salbte das Haupt so ein, dass es nicht verfaulen konnte, und sprach Beschwörungen darüber, dass das Haupt ihm Rede stand und verborgene Dinge kund that. Weiter wird von dem Ursprung der Denkrunen gesagt, sie habe Hropt (Odin) erdacht, geritzt und ersonnen aus dem Trank (d. h. von ihm begeistert), der aus dem Schädel Heiddraupnirs und aus dem Horne Hoddrofnirs fliesst. Heid-draupnir, Klarheit oder Gold träufelnd, Hodd-rofnir, Hort-brecher (d. h. Verteiler des Reichtums) sind vermutlich Beinamen Mimirs, der auch Hodd-Mimir, Hort-Mimir, der reiche Mimir heisst. Auf dem Berge stand Odin mit Schwert und Helm, da murmelte Mimirs Haupt weise das erste Wort und sprach wahre Worte. Endlich wird Mimameid, Baum des Mimi genannt. Kein Mensch weiss, aus welchen Wurzeln er wuchs. Wenige ahnen, was ihn zu fällen vermag; Feuer und Eisen thuts nicht. In Hoddmimirs Gehölz verbirgt sich beim Weltuntergang das Menschenpaar, von dem in der neuen Welt ein neues Geschlecht ausgeht. Offenbar ist mit diesem wunderbaren Baum die Weltesche, die sonst Yggdrasil heisst, gemeint. Die verstreuten Züge geben vereinigt dieses Bild: Aus den Wurzeln der Weltesche entspringt der Quell des weisen Mimir oder Mimi, dort birgt der Mimirquell sein Haupt. Der Ursprung der Quelle, wie Ortsnamen Brunnhaupt, Bachhaupt, Seeshaupt, Salhaupt (des Baches Sal) u. ä. zeigen, wird ihr Haupt genannt. Nach dem urweisen Wassergeist heisst der Baum auch Mimameid. Mimir (urgerm. * Mimiaz) oder Mimi (urgerm. *Mimio), der Denkende, war ein allen Germanen bekannter Geist der Gewässer, der Beherrscher der Gewässer, die seine Söhne heissen (Vol. 46), dessen Sitz im Schatten der Wälder unter heiligen Bäumen gedacht wurde. Ihm eignete tiefes, unergründliches Wissen. Auf besondere Weise ist die Sage im Norden entwickelt und mit Odin und dem Weltbaum verknüpft worden. Ob man Odins Einäugigkeit auf die Sonne deuten darf, scheint zweifelhaft. Aber vorerst ist keine bessere Erklärung gefunden.

Dichterische Bildersprache mag die Sonne als das Auge des Himmelsgottes bezeichnen, wie die Sonne das Auge des Zeus ist. Ihr Spiegelbild im Gewässer ist das andre Auge, das der Gott, um Weisheit zu erholen, in den tiefen Quellengrund hinabsenkte. In ständigem Verkehr stehen Sonne und Wasser, die Sonne zieht Wasser, das Wasser nimmt ihr Bild zum Pfand. So mag zur Not das Verhältniss zwischen Odin und Mimir gedeutet werden. Auch das Versinken der Sonne im Meer könnte den Mythus veranlasst haben. Liegt die Sonne im Quellengrunde, in Mimirs tiefem Brunnen, aus dem alle Gewässer ihren Ursprung haben, dann mag auch dadurch die Vorstellung, dass ein Strom aus Odins Pfande fliesst, erklärt werden. Die Sage von Odin und Mimir ist schwerlich sehr alt, sie ist allzu geistig und weist auf bewusst schaffende, kunstreiche dichterische Erfindung. „Mimirs Haupt", Quellursprung, wurde später missverstanden, wörtlich genommen. Dazu mag auch mitgewirkt haben, dass Mimir an den Fuss des Weltbaumes verlegt worden war. Der Weltbaum ist aber der Kreuzesbaum und unmöglich aus dem nordischen oder gar germanischen Heidentum allein zu deuten. Der Kreuzesbaum steht, wie noch zahlreiche Krucifixe erkennen lassen, auf Adams Schädel, auf einem Menschenhaupt. Geheimnissvolle Beziehung webt vom Grunde zum Stamm hinauf, von Adam zu Christus. An der Weltesche hängt Odin, wie Christus am Kreuzesbaum. So steigt die Sage von Odin und Mimir aus ihren einfachen, volkstümlichen, germanischen Anfängen. in geheimnissvolles Dunkel, in kühne Phantasien auf, deren Entstehung in eine bereits von christlichen Einwirkungen erfüllte Zeit fällt.

Odin erzählt in den Hóvamól: 135 Ich weiss, dass ich hing

am windbewegten Baum

Neun Nächte hindurch,

Verwundet vom Speer,

geweiht dem Odin,

Ich selber mir selbst,

An dem mächtigen Baum,

von dem Menschen nicht wissen,

Aus welchen Wurzeln er wuchs.

139 Man bot mir kein Horn noch Brot zur Labung,

Nach unten spähte mein Auge,

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Odin am Baume.

Und den Trank erlangt ich des trefflichen Metes,
Aus Odrerirs Inhalt geschöpft.

141 Zu gedeihn begann ich und bedacht zu werden,
Ich wuchs und fühlte mich wol;

Ein Wort fand mir

das andere Wort,

Ein Werk das andere Werk.

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Die Deutung dieser Strophen ist überaus schwierig. Zunächst muss man erkunden, welche Vorstellung ihnen zu Grunde liegt, ob die Reihenfolge ursprünglich oder zufällig ist, ob Einschaltungen (etwa 140) anzunehmen sind, ob wirklicher alter Zusammenhang der Strophen und damit auch der darin berührten Ereignisse herrscht, oder ob sie aus verschiedenen unabhängigen Gedichten zusammengestellt sind. Es wird nie gelingen, über diese verhältnissmässig leichten und einfachen Grundfragen Gewissheit zu erhalten, noch weniger natürlich über den Ursprung der seltsamen Sage. Wer die Strophen als ein Ganzes betrachtet, kann etwa diese Deutung versuchen: Odin wird aus unbekannten Gründen am windumrauschten Baum aufgehängt. Ohne Labung hängt er dort und späht in die Tiefe. Ächzend erhält er Runenzauber, der ihn erlöst, dass er herabfällt. Bolthorns Sohn verleiht ihm kräftigen Zauber und erlabt ihn aus Odrerir. Darauf wächst und gedeiht er. Bolthorns Sohn weilt offenbar am Fusse des Baumes, der sicherlich die Weltesche ist. Dort fanden wir Mimir, also ist der sonst nirgends erwähnte Sohn Bolthorns, des Grossvaters Odins, mit Mimir gleichzusetzen, welcher Odins Oheim mütterlicherseits wäre. Der ganze Vorgang spielt in Odins früher Jugend, weil er danach erst gedeiht und wächst. Aber 140 ist eher aus einem ganz fremden Gedicht über Odrerirs Erwerbung hier eingeschaltet, wie ja die Hovamól gerade an dieser Stelle aus allerlei Liedbruchstücken zusammengeflickt sind. Nirgends ist Mimir im Besitz Odrerirs, wie man bei obiger Auslegung annehmen müsste. Die Strophe 140 muss als fremdartig ausgeschaltet werden; sie besagt, dass Odin von dem Sohne seines Ahns, einem weisen Riesen neun kräftige Zaubersprüche erhielt, mit deren Hilfe er den Dichtermet Odrerir erlangte. Dann bleibt nur die Sage übrig, dass der speerdurchbohrte Odin am Baume ohne Labung neun Nächte und Tage lang hing, er selber sich selbst zum Opfer hingegeben. In die Tiefe spähend hob er Runen auf, die ihm Wachstum und Gedeihen brachten. Die Weltesche heisst Yggdrasil. Ross des Yggr. Yggr ist ein vielgebrauchter Name Odins, drasil

eine Benennung des Pferdes. Das Hängen am Galgen wird aber als Reiten auf dem Rosse bezeichnet. Yggdrasil heisst demnach Odins Galgen. Die Weltesche heisst nach dem Gott, der als Opfer in ihrem Gezweig hing, und gerade dieses Opfer beschreiben die ausgehobenen Strophen. Bugge hat nachgewiesen, wie der speerwunde Odin am Baume Zug für Zug ein Seitenstück zum speerwunden Christus am Kreuz, das bei den Germanen Galgen genannt wurde, ergibt. Das Kreuz ist aber gerade in seiner Eigenschaft als Galgen des höchsten Gottes ein Weltbaum, dessen Wurzeln zur Hölle reichen, dessen Wipfel den Himmel rührt, dessen Arme über die Erde deuten. Auf zwei entscheidende Punkte kommt es einzig an, für die das nordische Heidentum nicht die geringste Voraussetzung bietet, die aber ohne Schwierigkeit aus der christlichen Mythologie ihre Lösung finden: dass der Gott sich selber opfert und dass der Galgenbaum, an dem solches geschah, eben dadurch Sinnbild der Welt wurde. Dass etwa Odin mit diesem Opfer den Helden den Weg nach Walhall zeige, wie er sich nach der Ynglingasaga, wo er aber als irdischer menschlicher König gedacht ist und daher auch sterben muss, mit dem Speere ritzen lässt, ist nicht anzunehmen, schon weil der Gedanke gar nirgends angedeutet wird. Da hätte Odin auch schwerlich den Galgentod des Kriegsgefangenen, welcher den Göttern geopfert wird, gewählt, sondern den Heldentod im Schlachtsturm. Yggdrasil, Odins Selbstopfer, wie er vielleicht als Har dem Odin, er selbst sich selber, nach der Dreieinigkeit Christus Gottvater, die eins sind wie Har und Odin, am Galgen hingegeben wird, ist nur als Nachbildung christlicher Vorstellungen verständlich.') Nimmt man die Strophen 138, 139, 141 als zusammenhängend, so gewann Odin damit Runenweisheit, Wachstum und Gedeihen.

Odrerir.

Der Wundertrank Odrerir ist mit der schönen Riesin Gunnlod, Suttungs Tochter verknüpft. Gunnlod hütet ihn im Berge. Odin

1) Odin am Galgen Bugge, Studien 317 ff. Vgl. schon Munch, Das heroische Zeitalter der nord. germ. Völker S. 22 Anm. 2. Kauffmann, Beiträge 15, 195 ff. wendet sich gegen die Ableitung aus christl. Vorstellungen. Seine Ausführungen sind auf ziemlich willkürlich zurecht gemachter Überlieferung aufgebaut, 140 wird als ursprünglich angesehen (gegen Müllenhoff, Altertumskunde 5, 270) und dann mit prolepsis" in den Zusammenhang gezwungen. Die Hauptsache, dass Odin sich selber opfert und dass der Baum darum Weltbaum ist, findet gar keine Berücksichtigung. Christlichen Ursprung nimmt auch E. H. Meyer. Völuspa 23 ff. an.

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gewinnt listig ihre Liebe und damit den Trank. Bereits oben unter Odins Liebesabenteuern wurde die Sage mitgeteilt. Dass Riesen im Besitze alter Weisheit gedacht wurden, zeigte sich bei Wafthrudnir. An Odins Aufenthalt bei Gunnlod gemahnen Volkslieder aus Schweden und Dänemark vom Ritter Tinne, den der allbezaubernde Runenschlag einer harfespielenden Zwergtochter in den Berg lockt, wo man ihm Met einschenkt und er auf goldenem Stuhl einschläft, dann durch hervorgetragene Runenbücher vom Zauber entbunden und mit heilkräftigem Segen für Streit, Reise und Seefahrt, sowie mit der Gabe, treffliche Worte zu sprechen, entlassen wird. Zweifellos ist eine Volkssage von Bergjungfrauen, die in das unterirdische Reich hineinlocken, in den Kreis der Odindichtungen hineinbezogen worden. Aber mit dem Trank Odrerir hat es doch noch besondere Bewandtniss. Odrerir wurde als der Begeisterungstrank, der den Sinn erregt, gedeutet; vielleicht ist es ursprünglich ein Trank der Verjüngung, ú-hrerir, der nicht verfallen, altern lässt. In der Odinsdichtung gilt er aber nur als der Dichtermet. Suttungs Met ist für die bestimmt, welche gut dichten können. Zahlreiche Anspielungen auf den begeisternden Trank, wie ihn Odin raubte, dass er aus verborgener Tiefe aufstieg zur bewohnten Erde, finden sich bei den Skalden.') Dem Odrerir ist noch eine wunderliche und umständliche Vorgeschichte angedichtet, wie er entstand und aus dem Besitze der Zwerge und Riesen endlich zu den Göttern und Menschen kam. Der wenig ansprechenden Erzählung in ihrer Gesamtheit kommt weder hohes Alter noch volkstümliche Grundlage zu, sie scheint auf gelehrtem Wege ausgesonnen, allerdings noch unter den heidnischen Skalden.

Die Asen und Wanen schlossen auf die Art Frieden, dass sie beiderseits an ein Gefäss traten und hineinspuckten. Aus dem Speichel schufen die Götter einen Mann namens Kwasir, der war so weise, dass er auf alle Fragen Bescheid wusste. Als er auf seinen Wanderungen einmal zu zwei Zwergen Fjalar und Galar zu Gaste kam, erschlugen ihn diese und liessen sein Blut in zwei Krüge und einen Kessel rinnen: der Kessel heisst Odrerir 2), die

1) Anspielungen auf den Dichtermet bei den Skalden sammelt Gudbrand Vigfusson, Corpus poeticum II, 462 f.

2) Nach dieser Stelle, nach Hóv. 140, ist Odrerir Name des Kessels, der den Trank aufbewahrt, nach Hóv. 106 ist der Met selber damit gemeint. Der Name haftet am Kessel auch beim Skald Einar skálaglamm, wenn er die Dichtkunst als,,die Woge Odrerirs" bezeichnet.

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