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Die Grundzüge von Saxos Erzählung.

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Nebenbuhler, beide um Nanna, des Gevarus Tochter werbend. Hother, der von Nanna begünstigte, dem Walküren mit weisem Rate hilfreich zur Seite stehen, gewinnt Mimings Schwert, das einzige Waffen, wodurch Balder der Göttliche verwundbar ist. Nachdem das Kriegsglück lange zwischen ihnen geschwankt, erlegt zuletzt Hother mit dem Schwerte den Balder, dem Hel, seines nahen Besitzes froh, vorher erscheint, ehe sie ihn zu sich nimmt. Dem Balder wird ein feierlicher Leichenbrand auf dem Schiff gerüstet (von Saxo auf Gelder, einen Genossen Balders übertragen). In seinem Bruder Bous (an. Búi) ersteht Balder der Bluträcher. Unter die Zusätze und Neuerungen Saxos darf man wol die unnötige Dehnung der Handlung verweisen, die Wiederholungen desselben Zuges z. B. der Erscheinung der Walküren, den liebeskranken, schmachtenden Balder und seine kräftigende Speise, die wiederholten Schlachten, die Kundschaft Hothers in Gestalt eines Harfenspielers u. dgl.

In seinen Untersuchungen über Saxos Quellen verficht Axel Olrik') den Grundsatz, dass Saxo aus verschiedenartigen Vorlagen seine Darstellung entnahm, so auch hier aus einer in Dänemark heimischen Sage von Balder und Hoder und aus einer norwegischen Hodersaga. Die dänische Überlieferung, an einige Ortsnamen geheftet, bot wenig Einzelheiten, sie beschränkte sich auf einen kurzen Bericht über die Feindschaft zwischen Balder und Hoder und von Balders Tod. Die norwegische Hodersage aber war mit all den bunten Zügen ausgeschmückt, welche den mythischen Sagen, den sog. Fornaldarsögur, eignen. Die Hauptunterschiede vom isländischen Bericht liegen darin, dass der Kampf unter den Menschen vor sich geht, dass die Götter wie Menschen mitkämpfen und dem Helden der Sage weichen, dass Hoder der Held der Sage ist, dass Nannas Besitz die Triebfeder der Handlung bildet. Für die mythische Verwertung des Inhaltes macht es übrigens keinen wesentlichen Unterschied, ob Saxo oder ein Sagaschreiber, sein Gewährsmann, für die mancherlei Zuthaten und Umänderungen oder auch für Erhaltung älterer Züge verantwortlich ist.

1) Sakses oldhistorie, norröne sagaer og danske sagn, Köbenhavn 1894,

S. 13 ff.

4. Vergleichung der beiden Baldrsagen.

Wie verhalten sich die zwei verschiedenen Berichte in den isländischen Quellen und bei Saxo zu einander? Neuerdings bricht sich die Anschauung Bahn, dass Saxo die ältere Sagenform bewahre. Die jüngere isländische Überlieferung hat demnach Zusätze und Änderungen eingeführt. Balder kämpft mit Hother um den Besitz der Nanna; Nanna, die Kühne1) ist eine Frauengestalt wie etwa Hilde, die Streit unter tapfern Helden veranlasst. Balder erliegt nur einer bestimmten Waffe und wird von seinem Bruder gerächt. Die jüngere Sage führt Loki ganz neu ein. Loki verkörpert das Böse unter den nordischen Göttern, daher musste er auch diese Unthat übernehmen. Dass Loki aber dem späten nordischen Heidentum angehört und im Teufel sein Vorbild hat, ist sehr wahrscheinlich; ebenso dass Baldr in der isländischen Sage Züge von Christus annahm.2) Die Verschmelzung des lichten weissen Baldr mit dem weissen Christus (an. hvítakristr) wurde bewirkt infolge von Erzählungen, welche die Nordleute in England vom,,bealdor", wie bei den Angelsachsen Christus. heisst, vom Herrn vernahmen. Damit ergab sich notwendig die Gegnerschaft zwischen Loki und Baldr, Lucifer und Christus. Baldrs Lichtwesen, ursprünglich im eigentlichen Sinn als Ausfluss seiner glänzenden Heldengestalt genommen, wurde nun bildlich verstanden, der strahlende Held wurde zum Gott der Reinheit und Unschuld. Der tapfere Ritter wandelte sich zum thatenlosen, sanften, duldenden Gott. Hod verliert gleichmässig die kräftigen Züge, die ihm früher zukamen. Er wird das blinde Werkzeug Lokis, wie Lucifer den blinden Kriegsknecht heranführt, damit er Christi Seite durchbohre. Loki wird darauf in Fesseln geschlagen, wie Lucifer in der Hölle gefesselt liegt und erst am jüngsten Tage wieder loskommt. Mit Hods Vernachlässigung verliert auch die Blutrache an ihm merklich an Bedeutung, da alles Gewicht auf Loki entfällt. Besondere Bewandtniss hat es aber

1) Nanna zu an. nenna, got. nanþjan, aħd. ginenden, wagen; so erklärt J. Grimm, Myth. 202. Vgl. Bugge, Studien 175. Vom selben Stamm sind die deutschen Namen Nando, Nandger, Nandwin, Nandung, Ferdi-nand gebildet. Nanna erwähnt der Skald Kormak, Corpus poet. 2, S. 64, 25 u. 66, 75. Vɔl. 31 heissen die Walküren Herjans nonnor, wodurch ebenfalls der Name Nanna vorausgesetzt wird.

2) Christliche Einflüsse im isländischen Baldrmythus erweisen Bugge, Studien S. 34 ff.; E H. Meyer, Völuspa S. 137 ff.; 157 ff.; 198; 220.

Vergleichung der verschiedenen Berichte.

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mit dem Mistelzweig, den Frigg allein nicht vereidigt hatte. Auch Christus hatte alles Holz in Eid genommen mit Ausnahme eines Kohlstengels in Judas Garten, an dem Christus auch gehenkt wurde. Mistelteinn begegnet in nordischer Sage mehrfach als Schwertname.1) Bei Saxo fällt Balder nur durch ein besonderes Schwert, das Hother dem Miming abgewinnt, und darin liegt wol die ältere Sagenform vor. War vielleicht der von Saxo verschwiegene Name des Schwertes Mistelteinn? In diesem Falle würde sich manches Rätsel der isländischen Fassung lösen. Der Schwertname Mistelteinn, buchstäblich verstanden, ergab die Sage, Baldr sei durch einen Mistelzweig umgekommen. Ähnlich wurde ja auch Freys goldener Eberhelm zum goldenen Eber, Mimirs Quellenhaupt zum abgeschnittenen Kopf des weisen Wassergeistes. So lassen sich die Abweichungen des isländischen Berichtes einigermaassen erklären. Jedenfalls ist die isländische Fassung leichter und ungezwungener aus der Saxos abzuleiten als umgekehrt, und daraus ist zu schliessen, dass bei Saxo die Baldrsage ursprünglicher und älter erscheint als in den nordischen Quellen. Da letztere fürs 9./10. Jahrhundert vorauszusetzen sind, zeigt Saxos Darstellung eine noch frühere Gestalt der Baldrsage. Nur ein Zug findet keine vollständig befriedigende Erklärung, freilich weder auf dem einen noch auf dem andern Weg. Warum ist Nanna im isländischen Bericht Baldr ganz in Liebe ergeben und bis zum Tode getreu, während sie bei Saxo dem Hotherus gehört? Wenn die isländischen Quellen Hod zurückdrängen, ergibt sich allerdings auch für Nanna eine veränderte Stellung. Aus andern Ursachen, durch Lokis Tücke, erfolgt Baldrs Tod. Soll die Frau nicht gänzlich aus der Sage schwinden, so kann sie nur in Verbindung mit Baldr sich halten. Die Wirkung des rührenden Bildes vom Morde des reinen Gottes wird erhöht, wenn das liebende Weib ihm zur Seite steht, dessen Herz vom Todesstosse mit getroffen wird. Man kann auch annehmen, dass vielleicht Saxo Nannas Verhältniss zu Balder nach eignem Ermessen, weil er den Sohn Odins nicht mit günstigen Augen betrachtet, absichtlich kälter und ablehnender schilderte, als seine Vorlagen, dass Nanna in der ursprünglichen Sage so zwischen Hod und Baldr stand, dass

1) Mistelteinn als Schwertname in SE. 1, 564; Hervararsaga, Bugges Ausgabe S. 206; Hromundarsaga (Fornaldar sögur 2, 371); in Zusammensetzungen bedeutet „lein“ häufig Schwert, wie benteinn, bifteinn, eggteinn, hjorteinn, hræteinn, sárteinn, valteinn.

sie mehr zum Gotte neigte. Es könnte schliesslich in diesem Zug auch der isländische Bericht ursprünglich sein, Baldr gewann das Weib und darum erschlug ihn Hod, Nanna aber starb mit dem Geliebten. Dann hätte Saxo willkürlich, was ihm wol zuzutrauen ist, Nanna dem Hotherus gegeben.

Mit kühnster Kombination und durch Heranziehung sehr zweifelhafter Sagen, die demselben Mythus entwachsen sein sollen, stellt Detter ') eine eigenartige Urform der Baldrsage fest. Darnach handelt es sich ursprünglich um zwei Brüder, Baldr und Váli (Wanilo, d. h. der Wane), zwei Freyshelden. Odin, der einäugige blinde Kampfgott, sucht mit gewohnter tückischer List Streit unter den Brüdern zu erregen. Seinen Speer in Gestalt des unscheinbaren Mistelzweigs spielt er dem Váli in die Hände, der damit den Baldr erschiesst. Nicht Loki ist der Anstifter des Unheils, Odin selber steht im Hintergrund und lenkt die Schicksalsfäden so, dass ein Held zur Wal fällt. Eine solche Sage geht weit über das, was in den Quellen überliefert ist, hinaus.

5. Ursprung der Baldrsage.

Die Entstehung der Baldrsage wird verschiedenartig erklärt. Die beliebte mythologische Auslegung sieht in Baldr das Licht, das zu Mittsommer die Höhe seiner Herrschaft erreicht, dann aber sich neigt. Wenn die Tage sich kürzen, stirbt Baldr. Dass der Lichtgott von den Mächten der Finsterniss befehdet wird und ihnen erliegt, ist ein naheliegender Gedanke. Doch alle Deutungen im einzelnen sind verfehlt. Bugge und Kauffmann betrachten die Sage als reine Dichtung; Bugge 2) meint, die dänische Baldrsage, Saxos Bericht entstamme der mittelalterlichen Trojanersage, Erzählungen von Paris-Alexander und Achilles. Gewiss finden sich viele merkwürdige Übereinstimmungen, jedoch anderer äusserlicherer Art, als die zwischen dem isländischen Baldr und Christus, wo die ganze Art der Auffassung dem heimischen nordischen Wesen fremdartig ist. Auch lässt sich weit eher ein Bekanntwerden der Nordleute mit Vorstellungen von Christi Tod denken als mit den mittelalterlichen Trojaromanen.

1) Beiträge 18, 82 ff; 19, 495 ff.

2) Studien $3 ff. Vgl. namentlich S. 153 die Zusammenstellung der beiderseits entsprechenden Züge.

Ursprung der Sage. Baldrdienst.

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Kauffmann') hält eine Heldensage für die Grundlage des Baldrmythus.,,Weder Baldr noch seine Gemahlin Nanna noch sein Gegner Hod waren ursprünglich Götter, sie alle haben einst auf Erden gewaltet." Baldrs Name bezeichnet ihn als kühnen Kriegsfürsten. Er wurde Odins Sohn etwa wie Hermod, Sigmund, Bragi, und endlich versetzte ihn die Sage völlig unter die Asen. Bei dieser Auffassung bleibt natürlich kein Zeugniss eines ags. oder eines deutschen Balderdienstes bestehen. Wir hätten gar keinen. altgermanischen Götternamen Balder anzunehmen, vielmehr nur das Hauptwort balder, Fürst, König, welches zum Eigennamen erhoben wurde. Ein göttlicher Baldr wäre allein der nordischen Göttersage des 9. und 10. Jahrhunderts zuzuweisen.

6. Baldrdienst.

Von einer Verehrung oder Anrufung Baldrs ist nirgends in den alten geschichtlichen Quellen des Nordens die Rede. Nur die wenig zuverlässige, in der Hauptsache erdichtete Fridthjofssaga im 14. Jahrhundert berichtet von einem Hofe in der norwegischen Landschaft Sogn, der,,im Baldrshag" (i Baldrshagi) hiess. Dort war ein befriedeter Platz und ein grosser Tempel mit einer Umzäumung ringsherum. Im Tempel waren viele Götter, aber Baldr wurde doch am meisten verehrt. Dort durfte man weder Vieh noch Menschen Schaden anthun und Männer durften dort nicht Umgang mit Frauen haben. Bei Festen wurden die Götterbilder von Frauen gesalbt, am Feuer gewärmt und mit Tüchern abgetrocknet. Örtlichkeiten wurden in Norwegen, Schweden und Dänemark frühzeitig nach Baldr benannt.2) In allen nordischen Ländern ist Baldrs Braue (brá) als Blumenname gebräuchlich für Vereinsblütler mit den weissesten Strahlen und gelber Scheibe. Schon Snorri erwähnt die Blume, die in ihren Farben Baldr glich, den man sich licht und glänzend, mit weissen Wimpern und goldgelbem Haar dachte. Wenn Baldr seit Urzeiten ein Name des Licht- und Sonnengottes war, so konnte die Blume als irdisches Bild der Sonne sehr wol nach ihm genannt werden. Dass die Johannisfeuer von alter Zeit her Baldrs bål, Baldrs Holzstoss benannt wurden oder überhaupt mit Baldrs Scheiterhaufen etwas 1) Mythologie 82 ff.

2) Ortsnamen in den nordischen Ländern und sonstige Spuren, die auf Bekanntschaft mit der Baldrsage hinweisen, verzeichnet Bugge, Studien 287 ff.

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