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Die Götter als Beschützer der Menschen.

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ein. Mithin ist das Einzelopfer ein wichtiger Bestandteil der Religionsübung, welche dem Privatleben zufällt. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass auch der Einzelne den grossen und mächtigen Göttern seines Volkes eine eifrige Pflege widmet. Manche schliessen mit ihren Lieblingsgöttern einen schier menschlich gedachten Bund, ein Verhältniss gegenseitiger treuer Freundschaft und Zuneigung, das auf der einen Seite die Pflicht zu Dienst und Gehorsam, auf der andern die Pflicht zu Schutz und Schirm hervorkehrt, etwa wie es zwischen einem König oder Häuptling und seinem bevorzugten Gefolgsmann besteht. So war Thorolf aus Mostr in Norwegen ein besonderer Freund Thors; seinen Sohn Steinn schenkte er dem Thor und nannte ihn daher Thorstein. Dieser verfährt nachher ebenso, macht seinen Sohn zum Tempelpriester und heisst ihn Thorgrim. Der Grönländer Thorhall betrachtet den rotbärtigen Thor als seinen verlässigsten Freund. Dem Hrafnkell ist Freyr befreundet; Hrafnkell gab dem Gotte die Hälfte seiner Habe zu Eigen. Thorkell hat den Freyr zum Freunde und so auch die beiden Freysgoden, Thorgrim und Thord. Man wundert sich bloss, dass sie nicht auch den Namen ihres Gottes führen, sondern wie die Thorsdiener heissen. Sigurd der Wurmtöter ist Freys vinr, Freys Freund. Prachtvoll führt die Sagendichtung bei Odin, der den jugendlichen Heldengeist weckt, leitet und endlich zu sich nimmt, solch persönliche Neigung und Schirmherrschaft zwischen Gott und Helden uns vor. Aber eine solche Freundschaft kann auch schnell zerrissen werden, wenn die Götter einmal ihren Schützling im Stich lassen. So gelangt der trotz seines eifrigen Opferdienstes von seinen Feinden besiegte Hrafnkell zur Verleugnung jeglichen Götterglaubens. Dem Grimkell, einem eifrigen Opferer, weissagt die Thorgerd Hölgabrud seinen Tod; aus Zorn darüber legt er Feuer an ihren Tempel. Übrigens plündern und brennen auch gläubige Heiden die Göttertempel ihrer Feinde, worauf sie allerdings auch der Acht anheimfallen. Das Verhältniss einzelner Leute zu Haus- und Folgegeistern, zu Kobolden und Fylgjen ist beim Geisterglauben geschildert.

Beim Tode des Menschen greift der Glaube wiederum mit allerlei Bräuchen und Vorstellungen ein. In der Göttersage weiht Thor Baldrs Holzstoss mit seinem Hammer; die Runensteine, die Denkmäler wurden öfters dem Schutze des starken Gottes empfohlen: Möge Thor diese Runen weihen! Man wies den Verstorbenen förmlich und feierlich nach Walhall. Der Glaube, dass

der Tote eine weite Fahrt ins Jenseits zurückzulegen habe, veranlasste die in alten Quellen häufig erwähnten, in den Gräbern auch wirklich entdeckten mannigfachen Zugaben. Dem Toten folgten Pferde, Wagen, Schiff, damit er so die Reise mache, oder wenigstens wurden ihm Schuhe beigelegt, um die weiten dornichten und steinichten Wegstrecken durchwandern zu können. Streng wurde die Besorgung und richtige Bestattung der Leiche beachtet. Die Vorstellungen vom Schicksal nach dem Tode waren auch unter der Dauer des Walhallglaubens sehr verschiedenartig. Man dachte, die Seele des Abgeschiedenen gehe zu den mannigfachen Klassen von Geistern, zu den Göttern oder zum allgemeinen Totenreich, zur Hölle. Wie bereits in den betreffenden Abschnitten aufgezeigt ward, war kein fester, einheitlicher Glaube vorhanden. Odin ladet vornehme, tüchtige, waffentote Helden gen Walhall. Aber dennoch fährt mancher, der diese Bedingungen vollauf erfüllt, zur Hölle, und mancher geht in Walhall ein, ohne auf dem Walfeld geblieben zu sein. Thor nimmt sich die Bauern; die Weiber fahren zu Freyja, der aber andererseits auch die Hälfte der Wal zugewiesen wird, die Jungfrauen zu Gefjon. Allen steht ein herrliches, freudenreiches Leben bevor. Aber auch die Riesen und Unholde aller Art, die Elbe und Zwerge holen sich ihre Beute. Der Überrest der Menschheit, die ganze feige und thatenlose Menge, die weder Gott noch Dämon mag und die ruhmlos auf dem Siechbett dahinstirbt, bevölkert die Hölle. Zur Hölle gehen alle die Toten, die nicht durch besondere Wahl von anderer Seite ihr entzogen werden. Diesen Stand nehmen im allgemeinen die nordischen Überlieferungen des 9./10. Jahrhunderts ein. Endlich war auch der Erbschaftsantritt mit einem Opferfeste verbunden. Im selben Jahre, da der Erblasser gestorben war, hielt der zur Erbschaft Berufene ein feierliches Gastmahl; mancherlei Minne wurde da getrunken, endlich aber sollte beim Hauptbecher der Erbe ein feierliches Gelübde thun und dadurch sich erst das Recht erwerben auf den Sitz und den Nachlass des Verstorbenen.

Von dem Augenblicke an, da der Knabe, mit Wasser begossen, seinen Namen beigelegt erhielt, bis zu dem andern, da über dem Leichname des Greises die Flamme zusammenschlug oder der Grabhügel sich wölbte, geleitete seine Religion den Nordmann treu durch das Leben, alle wichtigen Ereignisse weihend, verschönernd und verklärend.

Ehrung der Götter mit Anrufung und Spende.

4. Gebet und Opfer.

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Gebet und Opfer gehören fürs Heidentum unlöslich zusammen, eines ohne das andere ist kaum denkbar. Das Gebet ist gleichsam die Begründung des Opfers. Die Gabe, die einem höheren Wesen gespendet wird, soll verpflichten oder sühnen, wozu und wofür, spricht das Gebet aus. Das Gebet wird aber auch nicht ohne Not, ohne Spende oder wenigstens Gelübde einer solchen gethan.

Beim heidnischen Gebet ') pflegte man im allgemeinen ähnlicher Gebärden, wie beim christlichen. Man neigte den Leib und warf sich wol auch nieder, namentlich wo man das Gebet im Heiligtum vor den Götterbildern verrichtete. Die Hände wurden vors Gesicht gehalten, als wäre man geblendet vom Glanze der Gottheit, oder auch umgekehrt suchte der Blick den Himmel. Das Haupt wurde beim Gottesdienst, bei Gebet und Opfer gewöhnlich entblösst, wenigstens heissen gotische Priester ausdrücklich pileati, mit Hüten versehen, da sie bedeckten Hauptes opferten. Die Richtung des Betenden war gen Norden im Gegensatz zu den Christen, welche gen Osten beteten. Bestimmte Gebetsformeln waren wol vorhanden. Im Norden begegnet das Verbum duga, taugen, für gnädig sein. Also scheint der göttliche Beistand etwa mit den Worten:,,Ich bitte die Götter, dass sie mir taugen (helfen)", angefleht worden zu sein.

Der echt germanische Ausdruck für opfern, das ja aus lateinischem offerre entlehnt ist, lautet blôtan. Das Wort ist gotisch, angelsächsisch, altnordisch (blóta) und althochdeutsch (pluozan) bezeugt. Die ursprüngliche Bedeutung und Konstruktion ist aus dem Gotischen und Nordischen ersichtlich: einen mit Opfer ehren. So heisst im Gotischen blôtan fraujan, den Herrn mit Opfer ehren, entsprechend im Nordischen blóta þór. Das Opfer ist got. blôstr, ahd. pluostar, oder an. blót, ahd. ploaz, also lauter durchgehende gemeingermanische Wörter. Der heidnische Begriff verschwindet frühzeitig im Deutschen, wol damit die daran geknüpften heidnischen Erinnerungen vergessen werden, um dem Lehnwort, das die Kirchensprache einführte, Platz zu machen. Im Nordischen begegnen neben blót, blóta auch die Wörter fórn stf., fórna.

Weitere Bezeichnungen für ,,Opfer" liegen vor in got. hunsl, ags. húsel, an. húsl; wie die urverwandten Wörter lehren, liegt darin der Begriff,,heilig", es ist das Sakrament, die heilige Hand

1) Zum Gebet vgl. J. Grimm, Myth. 28 ff.; Maurer, Bekehrung 2, 203 f.

lung darin angezeigt.') Ahd. kelt, as. geld, ags. gield meint die Spende, das Entgelt, das der Mensch den Göttern entrichtet. Lehrreich ist das angelsächsische Wort lác für Opfer. Der germanische Ausdruck laikaz, Leich, steht für das aus der Vereinigung von Tanz und Lied hervorgegangene Kunsterzeugniss. 2) Dass im Angelsächsischen die Bedeutung,,Gabe" überwog und lac geradewegs Opfer ist, erklärt sich nur aus der uralten festen Zugehörigkeit des laikaz zur Opferhandlung, die von Spiel und Tanz und Lied begleitet war. Das gotische saups im Sinne von Opfer bedeutet Sud, das Gesottene, und zielt auf das gesottene Fleisch des geschlachteten Opfertieres. Altnordisch saudr, Widder, meint wol eigentlich nur das zum Sud auserlesene Opfertier.

Beim Opfer sind zwei Arten zu unterscheiden, ein privates und ein öffentliches. Ersteres gilt in der Regel den Geistern in Haus und Hof, Feldern und Wäldern, Berg und Thal, Wind und Wasser, Licht und Wärme, und den Seelen der Abgeschiedenen. Wo die Geister hausen, wird geopfert ohne besondere Zurüstung und Feierlichkeit. Die Spenden sind einfach, Speisen, Milch und Honig, Blumen und Früchte. Geopfert wird um Gedeihen der Wirtschaft, um Gesundheit und Reichtum, zur Abwehr von Schaden. Der Hausvater ist Priester und Opferer. Solche Opfer sind einfacher und ärmlicher; die Geschichte gedenkt ihrer kaum, weil sie alltägliche Vorkommnisse sind, nicht der Mühe der Erwähnung oder gar eingehender Schilderung wert. Um so fester und länger haften sie in der Volkssitte. Dass neben dem Geisterglauben auch der Götterglauben für den privaten Gottesdienst in Betracht kommt, wurde schon gesagt. Aber auch hier fehlen uns Nachrichten über feste Regeln, in denen die Kulthandlungen verlaufen.

Ganz anders beim öffentlichen Opfer, das die Gemeinde oder die Gesamtheit des Volkes, der König, Häuptling oder bestellte Priester darbringt. Da herrscht grosse Feierlichkeit, blutige Tier- und Menschenopfer fallen der Wichtigkeit der Sache gemäss, die ja das Schicksal eines Gemeinwesens betrifft. Opferplätze, Tempel sind gewöhnlich zur Vornahme der Handlung bestimmt. In der Regel richtet sich das öffentliche Gemeinde- oder Staatsopfer an die Volksgötter, doch unter Umständen mögen auch

1) Brugmann, Grundriss der vergleichenden Grammatik der idg. Sprachen 1, 160, 305; die verwandten Wörter lit. szwentas, preuss. swints, kirchenslav. svetu, avest. spenta bedeuten alle heilig.

2) Über laikaz Kögel, Geschichte der deutschen Litteratur I, 1, 8 ff.

Das öffentliche und das private Opfer.

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Geister das Staatsopfer entgegennehmen. So etwa die Flussgeister des Po, denen nach Prokop 2, 25 die Franken, um ungeschädigte Überfahrt zu erhalten, die gefangenen gotischen Frauen und Kinder opfern und in die Wogen werfen. Die Wichtigkeit der Angelegenheit, besonders insofern sie viele, nicht einen Einzelnen berührt, scheint den Ausschlag für die Grösse und Feierlichkeit des Opfers zu geben. J. Grimm, Mythologie 37, stellt die Grundzüge des Opferdienstes also dar:,,Beweggründe der Opfer waren überall, entweder den Göttern Dank für ihre Wolthaten abzustatten oder ihren Zorn zu versöhnen, die Götter sollten gnädig erhalten oder wieder gnädig gemacht werden, also zwei Hauptarten, dankende und sühnende Opfer. Wenn das Mahl begangen, ein Wild erlegt, ein Erstling vom Vieh geboren, Getreide geerntet wurde, gebührte dem verleihenden Gott voraus ein Teil der Speise, des Tranks und des Ertrags; dagegen sobald Hungersnot, Misswachs, Seuche über das Volk hereinbrach, säumte es wiederum nicht, abwendende Gaben darzubringen. Solche Sühnopfer haben ihrer Natur nach etwas Unständiges, während die dem gnädigen Gott zu leistenden gern in regelmässig wiederkehrende Feste übergehen. Eine dritte Art von Opfern ist, wodurch der Ausgang eines Unternehmens erforscht, und die Hilfe des Gottes, dem es gebracht wird, herbeigeführt werden soll. Doch war Weissagung auch ohne Opfer thunlich. Ausserdem gab es besondere Opfer für einzelne Gelegenheiten, z. B. bei Königswahlen, Geburten, Hochzeiten und Leichenbestattungen, die meistens auch mit feierlichen Mahlzeiten

verbunden wurden."

Menschenopfer1) sind also die wichtigsten und höchsten; für Tiuz, Wodan, Donar, Odin, Thor, Freyr, Fosite, Thorgerd Hölgabrud sind sie mehrfach bezeugt. Zu beachten ist das umständliche dabei angewandte Ritual. Die Gottheit soll das blutige Opfer unter besondern Förmlichkeiten erhalten. Vielleicht war auch für die Wahl der Todesart das Loos entscheidend, das unter den Friesen bestimmte, ob die Götter ein Opfer forderten oder nicht. 2) Nach Sidonius Apollinaris opferten die Sachsen, ehe sie

1) Menschenopfer verzeichnet schon P. G. Schütze, De cruentis Germanorum gentilium victimis humanis, Leipzig 1743; vgl. J. Grimm, Myth. 38 ff.; Maurer, Bekehrung 2, 196 ff. Löhers Aufsatz über angebliche Menschenopfer bei den Germanen, in den Münchener Sitzungsberichten 1882, 373, wo Menschenopfer allen Zeugnissen zum Trotz geleugnet werden, verdient keine ernstliche Zurückweisung.

2) Über den Looswurf bei den Friesen, wodurch der Wille der Götter Golther, Germ. Mythologie.

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