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Verlauf des Gemeindeopfers.

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einem solchen Feste entzogen, bei welchem sogar der übermässigste Genuss von Speise und Trank nicht allein keine nachteiligen Folgen nach sich ziehen konnte, sondern im Gegenteil dem Geniessenden die grössten Vorteile brachte. Denn je mehr Minne jemand trinkt, um so stärker und schöner wird er, und je mehr er isst, um so sicherer kann er sein, dass er das ganze Jahr hindurch von Krankheiten verschont bleibt. Zum Schlusse es mag wol oft der helle Morgen gekommen sein, ehe ein solches deutsches Opferfest beendet war nimmt ein jeder etwas von den Kohlen und der Asche des Feuers und den übrig gebliebenen Resten des Opferschmauses mit sich nach Hause, um die Dinge dort in allerhand Nöten als kräftige Heilmittel zu gebrauchen. Ausserdem erhält noch jede Familie ein brennendes Scheit von dem Opferfeuer, mit welchem sodann auf dem Hofe das vorher sorgfältig ausgelöschte Herdfeuer wieder neu entzündet wird, damit auf diese Weise auch das Haus der Segnungen des Opfers teilhaftig werde.

So ging es bei dem Mittsommeropfer her und ganz ähnlich verliefen auch die andern Jahresopfer unserer heidnischen Vorfahren.

Von Opfern, welche der einzelne Hausstand brachte, seien nur die bei der Aussaat und nach der Ernte erwähnt. Der Hausvater und sein Ingesinde brachten ein Brotopfer, mit Trankopfer verbunden, bei dem Treiben des ersten Pfluges in den Acker für die mütterliche Göttin Erde, damit sie aus ihrem Schoosse heraus dem Lande die erforderliche Feuchtigkeit und dadurch der Saat Gedeihen gebe; ein Körneropfer beim Ausstreuen der ersten Handvoll Saatkorn für den Windgott, dass er die Frucht vor Vogel-, Wild-, Mäuse- und Würmerfrass bewahre; nach vollendeter Bestellung des Saatfeldes ein Eier- oder Hahnopfer für den Wettergott, um von ihm gnädigen Schutz vor Hagelschauer und Wetterschlag zu erbitten. Dabei wurden zauberkräftige Gebete gesprochen, etwa wie die angelsächsische Flurbesegnung mit dem feierlichen Anruf: Heil dir Erde, wachse in des Gottes Umarmung, erfülle dich mit Frucht den Menschen zu Nutze.1) Kleinere Opferfeuer mögen auch dabei entzündet worden sein. Das letzte Ährenbüschel

1) Die angelsächsische Flurbesegnung bei Grein-Wülker, Bibliothek der ags. Poesie 1, 312 ff.; Wülker, Grundriss der ags. Litt. 347 ff.; Kögel, Geschichte der deutschen Litt. I, 1, 40 ff.

Golther, Germ. Mythologie.

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aber gehörte dem Wode und seinem Pferde als Dankopfer. Auch hier fehlten die Weihsprüche nicht. Daneben begegnen Hahnund Bocksopfer als Erntebrauch, wol mit Beziehung auf Donar. Hirtenopfer werden in Milch, Butter und Käse bestanden haben; dazu gehören die Viehbesegnungen, die allerdings nur in christlicher Fassung uns überkommen sind.

So greift der Opferdienst in die ganze Acker- und Viehwirtschaft des Einzelnen wie der Gesamtheit fortwährend ein. Wenn diese Opferbräuche auch in der christlichen Zeit nicht versäumt wurden, darf füglich angenommen werden, dass das Heidentum nicht weniger eifrig dem Opferdienst oblag.

6. Festliche Umzüge.

Noch heute ist,,begehen" die gewöhnliche Bezeichnung für die Feier eines Festes. Das Wort besagt aber eigentlich ,,einen feierlichen Umzug halten". Ein Aufzug 1) gehörte zum Opfer und Gottesdienst. Unter verschiedenen Formen und mit verschiedener Bedeutung treffen wir solche Festzüge im germanischen Heidentum. Am klarsten und genauesten kennen wir den Zug bei der Nerthusfeier und bei der schwedischen Freysfeier. Den Wagen der Nerthus schirrte der Priester und begleitete seine Umfahrt durch die Gaue der verbündeten Völkerschaften. Wohin der Wagen kam, wurde Fest und Frieden gehalten. Vermutlich zog das Volk, wie später beim Sommerempfang, dem Wagen der Göttin entgegen, um sie feierlich einzuholen. Das Volk nahm den heiligen Wagen in geordnetem Zuge in die Mitte und führte ihn zu sich heim; der weiter fahrenden Göttin wurde dann später Geleit gegeben. Spiel und Tanz fehlten dem Aufzug so wenig wie den Frühlingsfesten. Freyr besuchte, auf dem Wagen fahrend und von einer Priesterin geleitet, zur Winterszeit die schwedischen Gaue. Der Gott wurde festlich eingeholt und gefeiert. Sein Umzug segnete das Land zur Fruchtbarkeit. Der Gotenkönig Athanarich befahl, das Bild eines gotischen Gottes auf einem Wagen vor den Wohnungen aller des Christentums Verdächtigen herumzuführen. Weigerten sie sich, niederzufallen und zu opfern, so sollte ihnen das

1) Über Aufzüge, mit Chorgesang verbunden vgl. J. Grimm, Myth. 159, 560; W. Müller, Altdeutsche Religion 113 f.; Müllenhoff, De antiquissima Germanorum poesi chorica S. 10 ff.; 21 ff.; Kögel, Geschichte der deutschen Litteratur I, 1, S. 6, 30 ff.

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Haus über dem Kopfe angezündet werden.') Also auch derselbe Brauch eines umfahrenden Wagens. Der Schiffszug in den Niederlanden hing vielleicht einstens mit dem Isis-Nehalenniadienste zusammen. Der Grundgedanke dieser Feier scheint der Einzug der Gottheit ins Land zu sein. Aufzüge scheinen überhaupt jedem Opfer eigentümlich zu sein. Flurgänge, um Ackerland fruchtbar zu machen, wobei Götterbilder herumgeführt wurden, bezeichnet der indiculus superstitionum als heidnische Sitte: de simulacro quod per campos portant. Die Kirche hat sich des Brauches bemächtigt, der in den Flurgängen der Gemeinde mit Priester und Heiltum statt des alten Götterbildes fortlebt. Romanischer Glaube mag übrigens in deutschen Festzügen mehrfach nachwirken.

Der feierlichste Aufzug war der zur Schlacht. Die Götter schritten, ihre Anwesenheit durch die heiligen Feldzeichen bekundend, den Heerscharen voran, aus deren Mitte feierlicher Gesang, besonders zu Ehren Donars, erscholl. Es mag ein kurzes Lied mythischen Inhaltes gewesen sein, das, eine Ruhmthat des Gottes ins Gedächtniss rufend, diese als Beispiel göttlichen Heldentums hinstellte. Darauf ertönte der Kriegsruf, der unter den vor den Mund gehaltenen Schilden tosend anschwellende barditus. 2) Wie die kurze vorgeschickte Göttersage zum Zaubersegen, etwa in den Merseburger Sprüchen, so mag sich das Donarlied zum barditus verhalten haben, einem brausenden, dem Feinde fürchterlichen Hurra, unter dem die Germanen nach Beendigung des Schlachtliedes den Sturmlauf begannen.

1) Sozomenus, Historia ecclesiastica 6, 37.

2) Über Schlachtgesang und Kriegsgeschrei vgl. Müllenhoff, De antiquissima Germanorum poesi chorica S. 16 ff.; Kögel, Geschichte der deutschen Litteratur I, 1, 17 ff. Tacitus Germ. 3 nennt allerdings den Gesang der Lieder barditus (carmina, quorum relatu, quem barditum vocant, accendunt animos). Über barditus vgl. Vegetius, De re milit. 3, 18; Ammianus 31, 7, 11, wo der Kriegsruf gemeint ist und barritus steht. Barditus gehört entweder zu an. bardi, Schild, und bedeutet,,Schildruf“, „,Schildgeschrei" oder zu bard (barba) und bedeutet,,Bartruf". Von Thor heisst es, dass er zornig den Bart schüttelte (Prymskv. 1 skegg nam at hrista); zornig bläst er in seinen roten Bart und erhebt den donnernden Bartruf (skeggrodd, skeggraust) gegen seinen Feind (Fornmanna sögur 1, 303 Olafssaga Tryggvasonar).

7. Ständige Jahresfeste.

Gab es bei den Germanen eigentliche Festzeiten, die sich jährlich an bestimmten Tagen wiederholten? Die Frage ist darum schwer zu beantworten, weil die ursprüngliche Jahresteilung der Germanen nur mangelhaft bekannt ist. Das Jahr zerlegten die Germanen in zwei Hälften, Winter und Sommer, denn diese Wörter gehen durch alle Sprachen gleichmässig hindurch. Ob die andern Jahreszeiten, Lenz und Herbst schon der Urzeit angehören, ist zweifelhaft. Das Jahr hub mit dem Winter, im Oktober vielleicht in der Tag und Nachtgleiche oder im November, an. In der altdeutschen Sprache hat das Wort Winter geradewegs auch die Bedeutung Jahr. Zu Winters Anfang und zu Sommers Anfang waren grössere Opferfeste üblich, die nicht bloss in der Gemeinde, sondern in der Völkerschaft, im ganzen Lande gefeiert wurden. Da kamen die Volksgenossen zum Herbstding und Frühlingsding aus Nah und Fern zusammen, da wurden Opfer und Gottesdienst gefeiert, Gericht gehalten, Volksfeste begangen u. dgl. mehr. Ein festes Datum für die Zusammenkünfte lässt sich nicht behaupten. Es war wol auch nach Klima und Landesbeschaffenheit verschieden und wurde eben allgemein auf den ersten Winter- oder Sommermond verlegt. Ostern, die Märzfelder der Merowinger, die Maifelder der Karolinger, die zahllosen Frühlingsfeste, die im Volksbrauche auch unter dem Christentum fortlebten, die uralten Volksspiele vom Einholen des Sommers, vom Streit zwischen Sommer und Winter, Feste, die sich im allgemeinen zwischen Fasten und Pfingsten abspielen, andererseits die herbstlichen Kirchweih und Schlachtfeste dürften einzelne Züge aus den altgermanischen Winter- und Sommeropfern bewahren. Aber ein Gesamtbild lässt sich nimmer gewinnen. Denn das alte grosse Volksfest ist mit Gemeindefesten der Bauern und Hirten vermischt und auf verschiedene Tage des römisch-christlichen Kalenders verstreut. Ausserdem sind viele fremdartige und junge Bräuche eingedrungen. Es versteht sich wol von selbst, dass eine Vereinigung des ganzen Volkes nicht allzu oft stattfinden konnte. Denn die Reise zum Ding war zeitraubend. Andererseits forderten aber die Angelegenheiten des Volkes solche Versammlungen, die aber keineswegs bloss dem Opferfeste, vielmehr ebenso dem Gerichte und der Beratung, die im Heidentum vom Gottesdienste gar nicht zu trennen sind, gewidmet waren. Darum betont J. Grimm in den Rechts

Volksding im Herbst und Frühjahr.

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altertümern S. 245, 821 ff. mit Fug die ursprüngliche Zusammengehörigkeit von Volksding und Volksopfer. Je nach Umständen wird bald die eine, bald die andere Bedeutung stärker hervorgetreten sein. Im Christentum fiel das Opfer weg, aber Volksding und Volksfest hafteten. Die Frühlingsfeste, welche in Verbindung mit Waffenübungen und Schützenfesten stehen, weisen zurück auf eine Zeit, wo die Ankunft des Frühlings nicht nur mit einem Danke an die Götter für das, was die Natur gab, sondern mit einer Zusammenkunft der gesamten waffenfähigen Mannschaft begrüsst wurde, wo die während des Winters nicht geübten Fertigkeiten bei Kampfspielen erneuert und die Kriegszüge des Sommers beschlossen wurden. Sie erinnern an die fränkischen März- und Maifelder, wo die Musterung im Vordergrund steht. Die wesentlichen Merkmale jener Versammlung im Herbst und Frühling waren etwa diese: Gebet und Opfer um gutes Jahr und glückliche Unternehmungen, Beratungen über Angelegenheiten des Volkes, zu Sommersanfang besonders über bevorstehende Feldzüge, Waffenmusterung, Gerichte, Umzüge und Volksspiele, Opferschmaus und Gelage. Besonders im Norden finden wir den alten Brauch der Volksdinge am besten auch unter der christlichen Religion bewahrt. Die Norweger hatten neben dem Heradsding, dem Ding der Hundertschaft, Volklandsdinge. In vier grossen Verbänden traten die Norweger zusammen. Die Isländer vereinigten sich im Herbst und Frühling in kleineren Verbänden, im Juni zum Allding. Zugleich hören wir im Norden von besonders grossen Opferfesten der Dänen und Schweden. Die Zeiten der nordischen Dinge sind allerdings teilweise eigenartig und ohne Zusammenhang mit den altgermanischen ungebotenen Dingen, namentlich auf Island allein durch die Landesbeschaffenheit bestimmt.

Weil die ungebotenen Dinge der Germanen vielfach zu Winters und Sommers Anfang stattfanden, weil zur selben Zeit der Volksbrauch noch allerlei Spiele und Feste kennt, weil die Germanen das Jahr in Winter und Sommer einteilten, wird man nicht fehlgehen, wenn man dahin ständige Festzeiten der heidnischen Germanen verlegt, die im grösseren Verband, unter Teilnahme des ganzen Volkes, als Volksfeste gefeiert wurden.

Noch weitere Volksfeste scheinen vorhanden gewesen zu sein. Zu Mittwinter wurde jul gefeiert. Das nordische jól, júl begegnet auch im englischen yule; in Pommern ist Jul eine Bezeichnung für

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