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Der Priester als Rechtweiser.

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wird éosago auf die Schriftgelehrten angewandt. Die Bezeichnungen êwart und ésago lehren, der germanische Priester ist der Wächter und Verkündiger des Gesetzes, er hat das geltende Recht dem Volke vorzutragen, das Recht zu weisen und den Rechtsbruch zu ahnden.

Der friesische âsega 1) steht neben dem Vorsitzenden des Dinges und neben den Urteilern, dem Volke. Sein Amt ist weder zu richten noch zu urteilen, vielmehr das Recht zu wissen, die geltenden Satzungen vollauf inne zu haben und jederzeit über das geltende Recht zu belehren. Da gewinnt die Sage von den zwölf Asegen, die von einem Gotte des Rechtes unterwiesen wurden, damit sie es in den friesischen Gauen einführten, tiefen, uralten Sinn. Die Rechtweiser sind vom Gotte selber mit ihrem Amte betraut, sie sprechen im Namen des Gottes das von ihm gelehrte Recht. Noch im 12./13. Jahrh. meint aber Asega im Friesischen nicht allein den Rechtweiser, sondern auch den Priester, wie im Deutschen Ewart. Der Schluss liegt nahe: in ältester Zeit war eben der Priester und der Rechtweiser eine und dieselbe Person. Beim Ding vollzog der Priester Opfer und Recht, er besorgte den Dienst der Götter und vermittelte dem Volke ihren Willen, der auch im Rechte kundbar ward.

3. Adelige Herkunft und Tracht.

Der Staatspriester wurde wie der König aus den ersten Adelsgeschlechtern und zwar auf Lebensdauer gewählt.2) Keine Krisis erschütterte seine Stellung. Er ist, wie Ammianus 28, 5 sagt, perpetuus, obnoxius discriminibus nullis ut reges. Der burgundische Name,,sinistus" scheint anzuzeigen, dass der Priester als der

1) Über den friesischen âsega, insbesondere auch über seinen Zusammenhang mit dem nordischen logmann, dem isländischen logsọgumann vgl. Richthofen, Untersuchungen über friesische Rechtsgeschichte 2, 455 ff., 487 ff. Über den nordischen Gesetzsprecher, der sich aber allmälig als Sonderamt aus dem ursprünglichen Priestertum losgelöst zu haben scheint, vgl. Maurer, Das Alter des Gesetzsprecheramtes in Norwegen, München 1875; Sitzungsberichte der Münchener Akademie 1887, phil.-hist. Klasse II, 3, 363 ff. und die dort verzeichnete Litteratur; zur ganzen Frage vgl. Richard Schröder, Gesetzsprecheramt und Priestertum bei den Germanen in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte 1883, Germanistische Abteilung, 4. Band, S. 215 ff.

2) Vgl. Müllenhoff, ZfdA. 12, 346 ff.; über den Zusammenhang zwischen Priestertum und Adel, J. Grimm, Rechtsaltertümer 267 ff.

Älteste, d. h. als der Vornehmste und Adligste im Volke galt, dass er den seniores, den seigneurs, den adligen Herrn angehörte. Jordanes Kap. 5 erklärt ausdrücklich, Könige und Priester der Goten seien dem Adel entnommen (pileatos, qui inter eos generosi extabant, ex quibus eis et reges et sacerdotes ordinabantur). Nach einer andern Stelle, im Kap. 11, werden die Edelsten und Weisesten zu Priestern gemacht (elegit nobilissimos prudentioresque viros ... fecitque sacerdotes). Der Zusammenhang zwischen der hohen Geistlichkeit und den hohen Adelsfamilien im Mittelalter setzt vielleicht die alte Gewohnheit, dass die Priester adlig sein müssen, fort. Der Alcispriester war vermutlich ein Mitglied des wandalischen Königsgeschlechtes der Hasdinge.

Über Tracht und Aufzug der germanischen Priester verlautet nur weniges und ungenügendes. Tacitus (Germ. 43) gedenkt eines sacerdos muliebri ornatu bei den Nahanarvalen, was Müllenhoff (ZfdA. 12, 346) auf den Haarschmuck bezieht. Es waren Priester mit weichem, langwallendem Haare, hazdingos, an. haddingjar, d. h. Männer im Frauenhaar (an. haddr). Im Gegensatz hierzu hiessen die gotischen Priester pileati, mit Hüten versehen, weil sie bedeckten Hauptes die Opferhandlung vollzogen, während das übrige Volk im freien Haarschmuck (capillati) verharrte (Jordanes Kap. 5 und 11). An Hut und Haar scheinen demnach die Priester besondere Auszeichnungen geführt zu haben. Im weissen Gewande schritten die gotischen Priester (cum vestibus candidis, Jord. Kap. 10). Dem angelsächsischen Priester war es verboten, Waffen zu tragen und anders als auf einer Stute zu reiten (non enim licuerat, pontificem sacrorum vel arma ferre vel praeterquam in equa equitare, Bäda hist. eccl. 2, 13). Zur Ausrüstung des Priesters gehörte wol auch ein Eidring 1), den er bei allen öffentlichen Handlungen am Arme trug. Er diente zur feierlichen Eidesabnahme, die demnach dem Priester oblag, besonders zum Gerichtseid. Der Ring wurde beim Opfer mit Blut gerötet.

1) Dass der Eidring, der auf dem Altar des isländischen Tempels lag, aber bei jeder Rechtshandlung vom Goden an der Hand getragen wurde, auch in Deutschland und bei den Goten vorkam (vgl. den Eigennamen Eidring in einer Lorscher Urkunde vom Jabre 834 und die brachiales bei Mansi, Concil. 3, 617), schliesst Müllenhoff, ZfdA. 17, 428 f.

Adelige Abstammung u. Tracht der Priester. Der Leiter des nord. Opfers. 619

4. Im Norden leiten die weltlichen Herrscher das Opfer.

In Norwegen gab es wol Hofgoden, Besitzer von Tempeln, die sie mit nach Island nahmen, jedoch tritt nirgends bei Schilderung der grossen Volklands- oder Hundertschaftsopfer ein Gode hervor; der weltliche Herrscher, der König, Jarl oder Herse erscheint als der alleinige Vorsitzende und Leiter des Opfers.') Dass es in Norwegen niemals Staatspriester gab, darf daraus nicht geschlossen werden. Das Vorhandensein von Goden und Logmenn weist deutlich auf den altgermanischen Priester und auf seine Ämter im Gottesdienst und Volksding hin. Jedoch scheint er in den letzten Zeiten des Heidentums vor dem weltlichen Herrscher völlig zurückgetreten zu sein, vermutlich infolge der Sonderentwicklung des Gesetzsprecheramts, das aber den eigentlich religiösen Charakter verlor. Beim Ding wirkte der ursprüngliche Priester nur als logmann, die Opferhandlung vollzog der König oder Jarl. Untergeordnete priesterliche Gehilfen, Tempel- und Opferdiener, wird es wol immer gegeben haben, aber staatsrechtlich treten diese natürlich nirgends hervor. Zum Beweise, dass die weltlichen Herren Opferleiter sind, dient der Bericht der Hákonarsaga góda Kap. 16.2) Sigurd, der Jarl zu Hladir, war der eifrigste Opferer und so war auch sein Vater Hakon; der Jarl Sigurd hielt alle Opfermahle da im Dingverband von Drontheim ab im Namen des Königs. Sigurd Jarl war der freigebigste der Männer; er that ein Werk, das sehr berühmt war, dass er ein grosses Opferfest zu Hladir hielt und allein alle Kosten trug. Der christliche König Hakon wird von den heidnischen Bauern in Drontheim genötigt, altem Brauch gemäss beim grossen Opferfest zu Winters Anfang den Vorsitz zu führen. Im folgenden Jahre muss er das Julfest feiern. Dabei ist von acht namentlich angeführten Volklandshäuptlingen die Rede, die in der ganzen Landschaft Drontheim, d. h. in den zum Dingverband vereinigten acht Volklanden dem Opferdienst vorstanden. Dem König und den Jarlen obliegt der Opferdienst, kein Gode wird erwähnt. Zu Hunthorp im Gudbrandsdal in Norwegen lebte ein Mann namens Dala Gud

1) Über die Vereinigung von weltlicher Oberhoheit, insbesondere Königtum, und Opferleitung im Norden vgl. H. Petersen, om nordboernes gudedyrkelse og gudetro i hedenold, Kjöbenhavn 1876, S. 1 ff.

2) Die Berichte über Hakons Teilnahme am Opfer bei Maurer, Bekehrung 1, 158 ff.

brand, dessen Herrschaft in den Thälern der eines Königs vergleichbar war, obwol er nur ein Hersir (Vorsteher eines Herads, einer Hundertschaft) hiess. Der berief alle Leute aus der Umgegend zum Thorstempel nach Hunthorp. Olaf der Heilige liess das Thorsbild zerschlagen und zwang die Leute zum Christentum.') Hier also ist der Hersir Eigentümer des Heradstempels und Vorsteher des Gottesdienstes im Gau. Im Drontheimischen wird auch einmal ein gewöhnlicher, aber angesehener Bauer, Ölver von Eggja, mit zwölf anderen Männern als Vorsteher der Opfermahlzeiten zu Winters Anfang, Mittwinter und Sommers Anfang bezeichnet. 2)

5. Priesterinnen.

Da der Priester ursprünglich Gottesdienst und Rechtspflege vereinigte, ist ohne weiteres klar, dass das Priesteramt, sofern es von Frauen besorgt wurde, gewöhnlich nur einen Teil davon, Opferdienst und Tempelpflege umfassen konnte. Priesterliche Frauen und Jungfrauen sind aber altbezeugt, doch mehr Wahrsagerinnen als eigentliche Priesterinnen. 3) Dem ganzen weiblichen Geschlechte wohnte nach dem Glauben der Deutschen prophetische Gabe bei (Tac. Germ. 8). Caesar (bell. gall. 1, 50) erzählt, dass die deutschen Hausmütter durch Loosung und Wahrsagekunst (sortibus et vaticinationibus) erforschen mussten, ob eine Schlacht zu liefern sei oder nicht. Man hörte auch in Sachen, die das Volk angingen, auf den Rat und Ausspruch weiser Frauen. Zu Loos und Zukunftsdeuterei gehört aber auch Opfer und Beschwörung, Zauberei, und so vollziehen Frauen zuweilen bei wichtigen öffentlichen Angelegenheiten das Opfer. Nach Strabo 7, 2 befanden sich kimbrische Wahrsagerinnen unter den Frauen, die das Heer geleiteten. Es sind grauhaarige, barfüssige Weiber in weissem Gewand, das ein eherner Gürtel umschliesst, mit linnenen Mänteln angethan. Sie führen die Kriegsgefangenen zu einem grossen ehernen Kessel und durchschneiden ihnen darüber die Kehle. Aus dem hervorströmen

1) Vgl. die ältere Olafssaga helga Kap. 33/8; die jüngere Kap. 107/8; Maurer, Bekehrung 1, 532 ff.

2) Vgl. die ältere Olafssaga helga Kap. 112/5; die jüngere Kap. 101/4; Maurer, Bekehrung 1, 528 ff.

3) Über germanische Priesterinnen und Weissagerinnen vgl. J. Grimm, Myth. 84 ff.; 374 ff.; Weinhold, Die deutschen Frauen, 2. Aufl. Wien 1882, Bd. 1, S. 62 ff.

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den Blute weissagen sie. Andere prophezeiten aus den Eingeweiden den Ihren den Sieg. Während der Schlacht schlugen sie auf die abgenommenen Deckfelle der grossen Wanderwagen und machten damit gewaltigen Lärm, der gewiss Zauberwirkung haben sollte. Ein paar Jahrhunderte später erzählt Eunapius (excerpt. ed. Bonn. 82) von den Westgoten, die in das römische Reich einbrachen, wie jeder Stamm (qu) die Heiligtümer der Heimat mit sich führte, samt Priestern und Priesterinnen. Weinhold meint: Diese gotischen Priesterinnen (iégea) werden wir aus den kimbrischen Seherinnen (πgoμávτεis) erklären dürfen. Es sind die Wahrsagerinnen, die über Wagen und Gewinnen im Kriege entscheidende Stimme hatten, während den Priestern altem Brauche gemäss (Tacitus, Germ. 7) die Götterbilder und die heiligen Zeichen während des Feldzuges anvertraut wurden. Unter Kaiser Vespasian war den Römern die Brukterin Weleda ') bekannt geworden, die weithin hochgeehrt ward, nachdem sie die Vernichtung der römischen Legionen durch die Bataver vorausgesagt hatte. Sie wohnte in einem Turme und zeigte sich den Abgesandten der umwohnenden Stämme nicht selbst; einer ihrer Verwandten vermittelte Frage und Antwort. Man ehrte sie durch allerlei Geschenke. Vornehme Gefangene, besondere Triumphstücke der Beute sandte man ihr zu. Die Römer selbst verschmähten nicht, sich an sie zu wenden und sie aufzufordern, ihren Einfluss auf die Deutschen zur Beilegung des Krieges zu verwenden. Sie soll schliesslich von den Römern gefangen worden sein. Als eine ältere, berühmte Seherin nennt Tacitus in der Germ. 8 die Albrûna (handschriftlich Auriniam, von Wackernagel als Albrûna gedeutet), die wahrscheinlich in den Feldzügen unter Drusus und Tiberius ihr Ansehen erwarb.2) Unter Domitian stand Ganna bei den Semnonen in hohen Ehren (Dio Cass. 67, 5). Dem Drusus, als er die Weser überschritten hatte und sich der Elbe näherte, trat im Lande der Cherusker eine übermenschliche Frau (γυνή τις μείζων ἢ κατὰ ἀνθρώπου

1) Über Weleda vgl. Tacitus Germ. 8; Hist. 4, 61, 65; 5, 22, 24; Statius, Silv. 1, 4, 90; Müllenhoff, Zur Runenlehre S. 55; der Name Weleda ist vielleicht nur eine Standesbezeichnung,,weise Frau, Seherin", gleich urkelt. velet, Seher, Dichter; vgl. Windisch, Philol. Wochenschrift, 1883, S. 930 und A. Fick, Vergleichendes Wörterbuch der idg. Sprachen, 4. Aufl., Bd. 2, 1894, S. 277.

2) Über Albrúna, die mit elbischer Runenkraft Begabte, vgl. Müllenhoff, Zur Runenlehre S. 51, 53.

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