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Ein zweiter Grund zu jener Verpflichtung liegt in dem Factum, daß bereits organisirte deutsche Kirchen, lutherische und reformirte mit deutscher Bildung und deutschen Sitten hier eristiren und einen überaus wichtigen Theil unserer Bevölkerung besonders in den mittleren und westlichen Staaten in sich begreifen. Durch die zunehmende Einwanderung wachsen sie täglich an Bedeutung und Einfluß. Ihre wissenschaftlichen Anstalten kommen mehr und mehr zum Bewußtsein ihres eigenthümlichen Berufes und wollen. zwar von ganzem Herzen amerikanisch, aber eben darum nicht rein englisch) oder schottisch, sondern anglogermanisch sein. Ist auch ihr Einfluß auf die Literatur des Landes bisher sehr gering gewesen, so läßt sich daraus kein ungünstiger Schluß auf die Zukunft ziehen. Wenn einmal die Massen geistig belebt sind und an allen Posten tüchtig gebildete Geistliche stehen, so wird sich die Sache wesentlich ändern. Gott hat gewiß nicht drei Millionen Deutsche in diese zukunftschwangere Welt verseßt, um spurlos in einer fremden Nationalität unterzugehen, sondern vielmehr damit sie als ein Sauerteig auf dieselbe wirken und ihr Elemente mittheilen sollen, welche ihre Kraft erhöhen und auf neue Bahnen der Entwicklung führen werden.

Dieß sind in flüchtigen Andeutungen unsere Ansichten über die Bedeutung der deutschen Literatur, insbesondere der Theologie in Amerika. Daß wir nicht träumen und phantasiren, beweis't das Factum, daß das Interesse an derselben seit etwa zwanzig Jahren besonders in Neu - England in stetem Wachsen begriffen ist, und eine Bekanntschaft damit immer mehr als ein nothwendiges Element höherer Bildung selbst unter Damen angesehen wird. In den leitenden Bücheranzeigen treffen wir gewöhnlich Ankündigungen von Uebersetzungen oder Verarbeitungen deutscher Werke, und unsere besten Schriftsteller zeigen in ihren eigenen Producten eine mittelbare oder unmit telbare Kenntniß und Würdigung der entsprechenden Leistungen der Deuts schen. Hinsichtlich der biblischen Philologie und Eregese verdient die Schule von Andover den größten Ruhm. Sie hat, unbekümmert um das bedenkliche Kopfschütteln der Ignoranz und Beschränktheit, den Zugang zu jenen reichen Quellen eröffnet und mit edler, ehrenvoller Lernbegierde daraus geschöpft. Ihre gegenwärtige Stellung und ihr weitverbreiteter Einfluß liefert einen glänzenden Beweis von den heilsamen Früchten, welche ihre Be mühungen bereits getragen. Die einmal begonnene Bewegung muß aber nothwendig sich fortseßen. Den Gang der deutschen Literatur in diesem Lande aufzuhalten, ist eben so unmöglich, als die Eisenbahnen, oder Dampfschiffe, oder den magnetischen Telegraphen aus der Welt zu schaffen. Die Puritaner gehören nicht zü denen, welche halbwegs und unverrichteter Sache umkehren. Go ahead! ist ihr Loosungswort in allen ihren Unterneh mungen. Was in Neu-England geschieht, das ist maaß- und geseßgebend für die Gesammtheit der Vereinigten Staaten. Es ist der mütterliche Bo den unserer religiösen und politischen Freiheiten, unserer socialen Sitten und Gebräuche. Diese tonangebende Stellung wird es auch mit Recht so lange

behalten, als es das Uebergewicht der Intelligenz, der wissenschaftlichen Bildung und des praktischen Geschickes hat, und daß dieß noch immer der Fall sei, erkennt auch der Schreiber dieser unvollkommenen Skizze troß seines deutsch pennsylvanischen Patriotismus freudig und bescheiden an.

Aber allerdings fehlt in unserer anglogermanischen Literatur noch sehr viel. Was bisher, wenigstens in Theologie und Philosophie herüberges pflanzt worden ist, gehört eigentlich nicht dem tiefsten Strome deutschen Geisteslebens an, sondern ist größtentheils gelehrter Apparat. Möchten die deutschen Kirchen dieses Landes und ihre wissenschaftlichen Anstalten recht bald allgemein zum klaren Bewußtsein kommen, daß es eigentlich hauptsächlich ihre ihnen von der Vorsehung angewiesene Aufgabe sei, neben deutscher Sprache und Gelehrsamkeit besonders auch deutschen Geist und deutsches Gemüth in englischem Gewande, das nun doch einmal das Nationalgewand ist und bleiben wird, auf diesem fruchtbaren Boden der Zus kunft einheimisch zu machen!

Anselm von Canterbury.

Anselm gehört zu den größten Heroen der Kirchengeschichte und ist mit dem dreifachen Ruhm eines Heiligen, eines Kirchenfürsten und eines Theos logen geschmückt.

Er wurde a. 1033 zu Aosta in Piemont aus einem lombardischen Adelsgeschlechte geboren. Sein Vater Gundulf führte ein verschwenderisches Weltleben, seine Mutter Eremberga aber gab ihm eine fromme Erziehung, welche in ihm frühzeitig den Entschluß weckte, Mönch zu werden. Nach ihrem Lode gewann er die Welt lieb, und das Beispiel seines Vaters übte einen schlimmen Einfluß auf ihn. Es gereichte daher zu seinem Besten, daß er mit demselben zerfiel und sich nach Frankreich begab. Nachdem er drei Jahre unstät umhergeirrt war, trat er, von dem Rufe seines gelehrten Landsmannes Lanfrank angezogen, in das Kloster Bec in der Normandie, das ein bekehrter Ritter Herluin a. 1040 nach der strengen Regel des heil. Benedict gegründet hatte, und widmete sich dort Tag und Nacht den Wifsenschaften. Hier nahm zugleich der Ernst seiner religiösen Richtung immer mehr zu. "Dieß soll meine Ruhestätte sein," sagte er, "da soll Gott allein mein Streben, seine Liebe mein Forschen, sein seliges und immerwährendes

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Gedächtniß mein Trost und mein Genüge sein." Er wurde a. 1060 im 27- sten Jahre seines Lebens Mönch, a. 1063 bereits an Lanfranks Stelle Prior, und a. 1078 nach dem Tode Herluins Abt des Klosters.

Mit der größten Treue und Gewissenhaftigkeit verwaltete er seine ausgedehnten Berufspflichten. Er unterrichtete die Mönche in der Grammatik und Dialektik, führte sie dann in das Verständniß der heil. Schrift und der Kirchenväter, besonders des Angustinus ein, in dem er ganz zu Hause war, und machte endlich den eregetischen und historischen Stoff in lebendigem Dialog zum Gegenstande freier Speculation, damit der Autoritätsglaube mit Hülfe der Dialektik zu selbstständiger Erkenntniß, zum innersten Besißthum des Geistes werde. Er ließ sich die Vermehrung der Klosterbibliothek angelegen sein, so daß selbst nach Canterbury hin Bücher verlangt wurden, gab sich der Krankenpflege und Seelsorge der Mönche mit unermüdlicher Liebe hin, führte eine ausgedehnte Correspondenz, nach allen Seiten hin weisen Rath ertheilend, sorgte als Abt auch für die äußere Verwaltung des Klosters, das öfter unter dem Drucke der Armuth litt, und hatte dabei doch noch Zeit zum eigenen Studium und zur Abfassung von Schriften. Das Wachen und Fasten war ihm durch Gewohnheit zur andern Natur geworden, und manche stille Nacht hat er im Gebet und in seliger Betrachtung ewiger Dinge zugebracht. Die Medidation, seine Lieblinsbeschäftigung, zog sich wie ein goldener Faden durch sein ganzes Leben hindurch. Oft bewegte er einen Gedanken wochenlang in seinem Geiste, bis er etwas niederschrieb. Die meisten seiner Bücher verfaßte er nur auf Bitten seiner Brüder." Das Monologium schickte er vor der Publication an Lanfrank und erlaubte ihm, es zu verbrennen, wenn es ihm nicht gefiele.

Im Jahr 1093 eröffnete sich ihm ein größerer Wirkungskreis, indem er nach dem Tode Lanfranks zu seinem Nachfolger als Erzbischof von Eanterbury und Primas der Kirche Englands gewählt wurde. Nur ungern verließ er die Stille des Klosterlebens. “Wie sollte ich," sagte er, "im Stande sein, eine ganze Landeskirche zu regieren, da ich kaum mit mir selber fertig werde ?" Aber all sein Widerstreben half nichts. Die Kirche Eng lands war damals in sklavischer Abhängigkeit vom König, und Anselm machte es sich daher zur ersten Aufgabe, dieselbe auf einen selbstständigen Fuß zu sezen, um dann eine Reformation der in Verfall gerathenen Disciplin und der verdorbenen Sitten der Geistlichkeit vorzunehmen. Er führte gegen den König Wilhelm II. und dessen Bruder und Nachfolger Heinrich I. denselben Kampf, welchen der Papst Gregor VII. gegen den deutschen Kaiser Heinrich IV. kurz vorher durchgekämpft hatte. Man kann ihn daher den englischen Hildebrand nennen. Es war dieß nicht etwa ein Kampf des Katholicismus und Protestantismns, sondern ein Kampf der Hierarchie gegen den militärischen Despotismus, der Autorität der Kirche gegen die drohende Uebermacht des Staates, des sittlichen Ernstes gegen den weltlichen Leicht

sinn. Darum standen die frömmsten Männer und treusten Freunde der Kirche auf Seiten Hildebrands.

In diesem ernsten Kampfe für die Freiheit und Unabhängigkeit der Kirche mußte Anselm in seinen alten Tagen harte Verfolgung und mehrfache Verbannung erleiden, ging aber doch zuleht als Sieger hervor und wirkte nun bis an sein Ende unermüdlich zur sittlichen Läuterung und Kräftigung der Geistlichkeit und Gemeinden. Er ist ohne Frage der größte Erzbischof, der je auf dem Stuhle von Canterbury gesessen hat. Sein Amt war ihm aber eine schwere Last. Hätte er seiner eigenen Neigung gefolgt, so wäre er wieder in die Verborgenheit des Klosterlebens zurückgekehrt. Oft mußten ihn seine Freunde aus öffentlichen Versammlungen, wo viel gestritten wurde und wo er weltliche Händel schlichten sollte, ohumächtig hinaustragen, und konnten ihn am besten durch Vorlegung tiefer religiöser Fragen wieder zur Besinnung bringen. Er äußerte nicht selten: “er möchte lieber in einem Kloster als Knabe vor der Ruthe des Lehrers zittern, als die höchste geistliche Fürsorge für ganz England tragen.”

Auch als Erzbischof setzte er seine asketische Lebensweise fort und aß so wenig, daß sich seine Freunde verwunderten, wie er nur davon eristiren könne. In den letzten Jahren litt er an einer krankhaften Schlaf- und Appetitlosikeit. Doch ließ er sich dadurch nicht abhalten, seine Berufspflichten auf's Gewissenhafteste zu erfüllen, und als er vor Schwäche nicht mehr gehen kannte, ließ er sich auf einem Sessel in die Kirche zum Gottesdienste tragen. Endlich schlug auch seine Stunde. Auf dem Todtenbette liegend, begehrte er, einen Abschnitt aus der Leidensgeschichte des Herrn zu hören. Als der Vorleser an die Worte kam: "Ihr aber seid es, die ihr beharrt habt bei mir in meinen Anfechtungen, und ich will euch das Reich bescheiden, wie mir's mein Vater beschieden hat, daß ihr essen und trinken sollt über meinem Tische in meinem Reiche” (Luf. 22, 28—30); da fing Anselm langsamer zu athmen an und entschlief bald darauf fanft und friedlich den 21sten April 1109 im 76sten Jahre seines inhaltschweren Lebens, um in den Armen seines Herrn von seiner Arbeit auf ewig auszuruhen.

Am berühmtesten ist Anselm als Theologe und er gehört zu den wenigen, vor denen sich die katholische und protestantische Kirche mit fast gleicher Ehrfurcht beugt. Er ist der Augustin des Mittelalters, der Vater der Scholas stik, welche sich's zum Ziele feßte, die überlieferte Kirchenlehre gegen alle Einwürfe des Verstandes dialektisch zu rechtfertigen und als die höchste Vernunft zu erweisen, und deren Riesenschöpfungen im 12ten und 13ten Jahrhundert mit Recht den gothischen Domen jenes Zeitalters verglichen worden sind. Anselm war frei von allen unnüßen Grübeleien und leeren Spißfindigkeiten, in welche sich diese Richtung später bekanntlich verloren und das durch ihre eigene Auflösung vorbereitet hat. Seine Theologie war im innigsten Bunde mit einer lebendigen Frömmigkeit, seine Speculation eine Frucht des Glaubens, der seinen geliebten Gegenstand immer deutlicher er

kennen wollte. Er eignete sich den bekannten Grundsaß des Augustin an: Fides praecedit intellectum, der Glaube geht dem Verständnisse voran, oder wie er sich auch ausdrückte: "Ich suche nicht zu erkennen, damit ich glaube, sondern ich glaube, damit ich erkenne. Denn wer nicht glaubt, der wird nicht erfahren, und wer nicht erfahren hat, der wird nicht erkennen.” 1) Bekanntlich hat Schleiermacher, das größte wissenschaftliche Genie der protestantischen Kirche seit Calvin, dieses tiefsinnige Wort zum Motto seiner Dogmatik gemacht. Die Liebe zu Gott war der Mittelpunkt wie des Lebens, so auch der Theologie Anselms. Er sagte, er wolle lieber die Hölle mit der Heiligkeit, als den Himmel mit der Sünde, wenn eine solche Wahl möglich wäre. Weil er nun aber so unerschütterlich von der Wahrheit des Christenthums überzeugt war, so hielt er eben darum die gläubige Speculation für unschädlich, ja beschuldigte diejenigen der Trägheit, welche das, was sie als Heiligthum des Herzens besißen, nicht auch im Lichte der Erkenntniß zu schauen wünschen. Als Norm leitete ihn die heil. Schrift und Augustinus, und er machte sich's zum Grundsaß nichts zu lehren, was er nicht aus dem göttlichen Worte beweisen könne. Wie bei Augustin, geht bei ihm die Speculation oft unwillkührlich in Gebet über und mündet in ein Lob des lebendigen Urquells aller Wahrheit und Erkenntniß.

Er hat sich besonders drei Verdienste in der Wissenschaft erworben. Einmal verhalf er auf dem Gebiete der Philosophie dem Realismus zum Siege im Kampfe gegen den Nominalismus des Roscelin, welcher in seinen Consequenzen auf häretische Vorstellungen von der Dreieinigkeit und Menschwerdung führte. Sedann hat er auf dem Gebiete der natürlichen Theologie, oder Religionsphilosophie den berühmten ontologischen Beweis für das Dasein Gottes erfunden, welcher von Hegel und Daub ungemein gepriesen wird, als sei in ihm schon das Princip der neueren deutschen Philosophie dem Keime nach enthalten. Endlich hat er in seiner Schrift: Cur Deus homo (Warum ist Gott Mensch geworden ?) eine neue und epochemachende Theorie von der Erlösung aufgestellt, welche im Wesentlichen von der orthodor protestantischen Kirche adoptirt worden ist.

Außerdem besißen wir von ihm viele herrliche Meditationen. Sie sind voll der innigsten Frömmigkeit und strahlen im Brillantfeuer tiefsinniger Erkenntniß und glühender Liebe zu Gott. Anselm war ein ganzer Mann, in dem Erkenntniß und Leben, Wissenschaft und Frömmigkeit, Geisteskraft und Demuth sich harmonisch durchdrangen und gegenseitig beförderten, ein Mann, wie ihn besonders auch unsere Zeit bedarf, wo jene beiden Gebiete so häufig in einem Mißverhältniß zu einander stehen.

1) Neque enim quaero intelligere ut credam, sed eredo ut intelligam. Nam qui non crediderit, non experietur, et qui expertus non fuerit, non intelliget. Prosl, 1. de fide trin. 2.

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