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Bekanntlich hat man in unseren Tagen den Versuch gemacht, Karten nicht nur vom Umriß, von den horizontalen und vertikalen Verhältnissen der Länder und von ihren politischen Abgrenzungen zu entwerfen, sondern es gibt dermalen Wolken- und Regen-Karten, botanische, climatologische, geognostische, mineralos gische Karten-kurz, die Unters und die Ober-Welt hat sich müssen auf Karten projiziren lassen, der historischen Atlasse gar nicht zu gedenken. Kein Wunder, wenn denn auch Karten der verschiedenen Religionen erschienen sind. Wir hatten bisher freilich nur Gelegenheit, solcher Religionskarten ansichtig zu werden, die sich mit der relativen Verbreitung des Christenthums, des Mohammedanismus und des Heidenthums zu schaffen machten, wobei denn natürlich die Länder des lehteren wörtlich von dicker Finsterniß bedeckt dalagen, die Reiche des Halbmonds in einem graulichen Halbdunkel dámmerten und die christlichen Staaten und Kolonien natürlich in hellem Weiße erglänzten und kaum die Anwesenheit oder Abwesenheit eines kleinen Kreuzchens, den Unterschied des Katholizismus oder Protestantismus für die Eingeweihteren andeutete. Glückliche Einfalt, die, hiemit befriedigt, der Kunst keine schwerere Aufgabe mehr stellen wilk! Allein wir können den boshaften Wunsch nicht ganz unterdrücken, etwa einmal eine Spezialfarte des nordamerikanischen Christenthums von dieser oder jener Landschaft zu sehen, die so ziemlich für's große Ganze gelten dürfte und die wir jedem protestantischen Prediger an die Wand, und recht oft unter die Augen in feinem Studirzimmer wünschen möchten.

Unsere Leser fühlen wohl, daß wir weit entfernt davon sind, scherzen zu wollen. Der Zustand der Verwirrung unter den Bauleuten am Tempel des HErrn ist keine Sache, die irgend Einer von denen leicht nehmen sollte, die Haushalter über die göttliche Geheimnisse zu seyn sich berufen wissen. Er ist auch nicht auf dieses oder jenes Land beschränkt, sondern er geht so weit die Predigt vom Kreuze erschallt; er trennt auch nicht nur die Christenheit in etliche große Heerlager, die gegenseitig protestiren, sondern gerade so weit Protestanten gehen, so weit geht der Krebsschaden des Sichwidersprechens mit ihnen. Dieser Zustand der Verwirrung beruht auch durchaus nicht darin, daß am Ende Alle

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dasselbe, nur auf verschiedenen Wegen wollen, sondern vielmehr gerade im Kampf um die Fundamentalwahrheiten stehen die Parteien sich ganz diagonal entgegen. Er ist freilich auch nicht erst von gestern her, sondern er ist ein alter, längst bes flagter; aber so wie er sich gerade dem lebenden Geschlechte darstellt, so scheinen sich die entgegengesehtesten Richtungen wie auf einen naheliegenden Entscheidungstag zu rústen und diese und jene benimmt sich so, als ob am siegreichen Ausgange für sie gar nicht zu zweifeln wäre. Daß man denn doch auch von daher und dorther Klagen vernimmt über dieses Elend, beweis't wenigstens, daß man die Krankheit gesteht; die vorgeschlagenen Mittel der Heilung wollen aber kaum den Glauben wecken, daß man sie auch versteht, und sind am Ende eben so kraftlos als die Klagen selbst. Weiser scheinen sogar diejenigen zu seyn, welche nur ruhige Zuschauer und Beobachter sind, und in ihrem kleinen Kreise nach bestem Wissen und Gewissen wirken, vertrauend der göttlichen Vorsehung, die, den Rath der Heiden zu nichte macht, und die Gedanken der Völker lenkt.“ Diesen aber wollen wir jene nicht gleichstellen, welche ein so unbegrenztes Vertrauen in den Geist der Geschichte seßen, daß ihnen der Weltgeist siegreich ein neues Studium durchlaufen zu haben scheint, wenn er in der Verwirrung der französischen Revolution Gott vom, Throne seht, um ihn nachher, gleich der Linie Bourbon, wieder einsehen zu können.

Die Verwirrung unserer Tage gibt sich freilich durchaus nicht nur auf kirch= lichen Gebiete zu erkennen. Dieß ist vielmehr eine der mannigfaltigen Seiten, in denen der Geist der Zeit sein buntes Farbenspiel zeigt. Es ist eine eigens thümliche Erscheinung unserer Tage, daß in den höheren Lebensgebieten, in Religion und Politik und philosophischem Wissen, alle Prinzipien wanken zu wollen scheinen, während der Blick in die Gebiete der Natur, in denen der Geift nur in gebundener Form, als unbewußtes, starres Gefeß herrscht, täglich tiefer dringt, und Schlag auf Schlag bisher unerkannte Erscheinungen, staunens werthe Wunder in dem Bereich des Wissens als bleibende Eroberungen aufge= nommen werden. In welch' einer. Gährung befinden sich alle politischen Elemente Europa's seit mehr als fünfzig Jahren! Noch vor wenigen Jahrzehnten håtte man den für bethört gehalten, der dem alten Heerde germanischer Bildung ein baldiges Erlöschen der heiligen Flammen geweissagt hätte, und heute schon ist es kaum zu viel gewagt, wenn man behauptet, daß in wenigen Jahrzehnten Europa's Bildung, und mehr noch sein politischer Einfluß überflügelt sein werden, wenn anders nicht sein jeßiges Elend schnell einem kaum zu erwartenden, gesegneten Wiederaufblühen Raum machen sollte. Es schüttelt seine rostzernagten Ketten wie mit zitternden Händen, und kann sie doch nicht zerbrechen; es ist alt und schwach geworden, es redet von der Glorie alter Tage und freuet sich des Privilegiums, von Freiheit träumen zu dürfen. Aber das Mark ist ihm ausgesogen; das Bürgerthum, die wahre Nervensubstanz des Staates, ist ohne moralische Kraft, ohne intellectuelle Selbstständigkeit; das Volk ist in Maffe verarmt und ruft nach Brod, und seine Dränger bieten ihm den Stein ihrer Selbstsucht, eingewickelt in die Folic historischer Prårogative und göttlich

authorisirten Majestätsrechtes, prassend und schwelgend aus den Fenstern ihrer Paläste dieß Elend der Nationen in der verkleinernden Perspective betrachten zu dürfen. Und wer sind die, deren Stimme da und dort für die Rechte der Völker, das Recht des Menschen sich hören läßt? Wie ihnen kein frischer, kräftiger Hauch der Freiheit aus der Menge entgegenweht, so bringen sie auch kein frisches Leben in sie hinein; ja, selbst die besten unter ihnen besihen kein volksthümliches Vers trauen, und wenn die Einen auf ihrer Leyer den Klang der Freiheit hören lassen, die Anderen im Wege des Parteikampfes Rechte stürzen wollen, um sich Rechte zu erringen, so sind sie beide keine Männer des Volkes, und umsonst sieht man sich in unseren Tagen in den weiten Landen der alten Welt nach einem Namen um, der mit einer Mision der Freiheit für die Völker betraut zu seyn scheinen würde. Daher der frühreife Jubel, der an den Stufen des Ruinenthrones dort zu Rom heute von allen Enden der Welt her sein tausendfaches Echo widerhallen láßt.

Dieser Zustand politischer Gährung und eines sich an so vielen Orten, aber meistens unkräftig kundgebenden Ringens nach Emanzipation wird aber gänzlich mißverstanden, wenn wir ihn nur in seiner Sonderung vom religiösen Leben der Völker, von den Interessen der Kirche auffaffen. Die modernen Staaten sind freilich eben gewagte Versuche, das öffentliche Wohl, die öffentliche Sittlichkeit allzusehr nur auf die Grundlage des natürlich-sittlichen Gefühles und des auss serlichen, historischen Rechtes zu stellen; sie sind eine Art Marionettentheater, wobei Gesez und Strafe wie unsichtbare Fäden die einzelnen Individuen ihre Rolle abspinnen lassen, ohne Rücksicht darauf, daß diese Lehteren ganz andere Lebenszwecke in sich tragen, als nur den, mit sich nach einem mehr oder weniger zufälligen Plane spielen zu lassen. Ein Blick auf das gewiß manchen Lesern vorschwebende deutsche Vaterland macht dieß ganz deutlich. Wir mögen die gesammte Bevölkerung desselben leicht in drei Klassen eintheilen. Die erste ist die der Regierenden, zusammen mit der großen Masse der Staatsbeamten und Staatsdiener. Sie sind meistens Leute von solider Fachkenntniß und allgemeiner Bildung. Ihr ganzes Interesse ist an den Staat geknüpft; der bes stehende Zustand der Dinge ist ihnen gut genug, und ist er schlimm genug, so mögen sie sich damit trösten, daß sie ihn nicht erzeugten, daß Recht und Gefeß vor ihnen da war und daß sie keine Befugniß zu einer Aenderung haben. Hiezu kommt, daß, so lange Ehre, Reichthum, Macht in den Händen der Fürsten liegt, nur der Dienst am Throne dem Bejahrteren eine glänzende Laufbahn eröffnet. Nimmt man diese Vortheile zusammen mit den eingewurzelten Vorurtheilen des Standes, mit dem Gefühle der Ueberlegenheit in jeder Art weltlicher Bildung, -ist es dann ein Wunder, daß eben bei denen, die täglich das Geschick des Volkes in ihren Händen tragen, kein wahres Herz für die Wohlfahrt, für das Glück desselben sich finden will? Das Volk ist die todte Masse, welche sie in dem Namen des bestehenden Rechtes schlagen, und dem sie den Stempel von tausend willkührlichen Geseßen aufzudrücken haben. Und sollte dieser Zustand mit der religiös-sittlichen Stellung der Beamtenwelt im großen Ganzen Nichts

zu thun haben? Man gehe in Deutschland von Stadt zu Stadt, ja, beinahe von Dorf zu Dorf, und man mag sich überzeugen, daß denen, die des Volkes höchstes Glück, sein sittliches Wohl bewachen sollen, die rechte Basis aller Moral, der religidse Glaube, abhanden gekommen zu seyn scheint. In allen Kirchen Deutschlands sind die Stühle der Beamten Jahr aus Jahr ein die leers sten; ja, man weiß Staatsdiener, die sich mit einem Roman unter der Predigt zu amúsiren suchen, wenn sie etwa einmal des Jahres am Geburtstage des Fürsten zur Kirche zu gehen genöthigt sind, und die freundschaftlichen Bezich ungen, in welchen sie bisweilen zu den Predigern stehen, sind weit mehr für diese als für sie ein zweideutiges Lob. Das alles aber, eine so vielfach ausgedrückte Verachtung gegen Religion und Kirche, geschicht angesichts des Volkes, das Vertrauen zu seinen Vorgeseßten um ihrer Liebe zum Guten willen haben sollte. Die zweite Klasse umfaßt einen greßen Theil der sogenannten Heneratioren, greift aber noch tiefer herunter in die Schichten der Gesellschaft; es sind Lehrer, Künstler, Aerzte, Kaufleute, selbstständige Prakticanten des Rechtes, auch eine bedeutende Anzahl der Handwerker in den Städten mag hierher gerechnet werden. Ohne gesehlichen Einfluß auf's Ganze zu haben, nehmen auch fie an einer gewissen allgemeinen Bildung Theil, aber eben so an den krankhaften Seiten der zuvor genannten Klasse. Ohne deren solidere Kenntnisse zu besigen, übertreffen sie dieselbe häufig an der oberflächlichsten, geistlosesten Art von Freiz geisterei, kommen des Abends im Wirthshause zusammen, viel weniger um zu trinken als über Gott und Welt zu raisoniren, gehen im Uebrigen jeder seinem Nußen nach, und wenn ihre Erbitterung über Regierungsgewaltthaten den höchsten Gipfel erreicht, so machen sie eine gewaltige Faust in den Sack! Freilich es gibt auch unter ihnen tüchtige Månner; aber der ist noch nicht gekommen, der ein neues volksthümliches Bewußtsein in der Masse zu wecken, und die dafür vorhandenen Elemente organisch zu verbinden wüßte. Gerade dieser Klasse gehört allerdings die sogenannte liberale Partei Deutschlands an, aber auch bei ihnen zeigt sich vielmehr nur Haß gegen die Regierenden als Liebe zu den Regierten, und ihnen sich in die Arme werfen zu wollen, hieße wohl noch etwas Schlimmeres suchen, als nur die Ketten wechseln. Und endlich, die dritte Klasse. Sie bildet die große Masse des årmeren Volkes, vor Allem der Stand der Landleute. Will man noch irgendwo in Deutschland substantielle Gottesfurcht, einen kindlichen Glauben suchen, so mag es im Ganzen eben hier seyn, wo kirchlicher Sinn sich noch am meisten erhalten hat. Und doch hat auch bei diesem, bei weitem größten Theil der Bevölkerung, das Verderben des Zeitgeistes schon tief einges rissen. Kein Wunder! Was ist in den lehten fünfzig Jahren von den meisten Landesregierungen, von so vielen unkirchlichen Kirchenadministrationen unterlassen worden, um das Volk um die alten heiligen Güter und Schäße der Kirche zu bringen? Ein dem wahren Wesen der Religion entfremdeter Geist moderner philosophischer Bildung erklärte sich in der Person von Professoren, Doctoren und Consistorialräthen für identisch mit der Kirche, und wer den größten Schaden davon hatte, das war die Masse des Volkes, dem auch nicht der Schein eines

Ersages für die reellsten Verluste zu Theil werden sollte. Aber man blicke nur hin auf den allgemeinen geistigen Zustand desselben. Ist in den langen dreißig Jahren des gegenwärtigen Friedens seine Emanzipation nur auch um Einen tiefer in das Staatsleben eingreifenden Punkt vorgeschritten? Ist es bei all' dem großen Wesen von deutscher Schulbildung wirklich mündiger geworden? Wir glauben kaum, daß ihm troß des langen Friedens nur auch seine äußeren Lasten in etwas Wesentlichem erleichtert wurden. Aber doch ist das noch der Boden, in welchem das kirchliche Leben auch heute noch am Besten gedeihen kann. Und wahrlich, die Früchte, die von diesem Segen zeugen, sind der Bes achtung wohl werth. Wir wissen ein kleines deutsches Land, wo eine Bevölkerung von etwa einer Million Protestanten außer allen Leistungen für Staatswaisenhäuser, etwa fünf und zwanzig Rettungshäuser für verwahrloste Kinder erhält durch freie Beiträge, und der Theil der Geber, dessen Liebesgaben nicht nur nach der Proportion des Vermögens, sondern absolute am meisten in Betracht kommen, das sind die bei faurer Arbeit selbst in Armuth lebenden Bebauer des Feldes. Und wie seltsam! Eben diese Klasse ist mit ihrem Loose eben noch am meisten zufrieden, und scheint wenigstens instinctartig zu erkennen, daß ihr in Nichts geholfen wäre, wenn die Pläne derer durchgeführt würden, die das Bestehende in allen Kreisen der öffentlichen Gesellschaft zu stürzen beabsichtigen.

Es kann nicht unsere Absicht seyn, speciellere Schattirungen der deutschen Zustände zu geben, so ferne sie sich auf die Wechselwirkung von Kirche und Staat beziehen. Wir håtten dann freilich auch Veranlassung, manche gúnstigere Seiten und einzelne leichte Punkte in's Auge zu fassen. Was wir aber an Deutschland sehen, das möchte sich auch nicht gar schwer an anderen Staaten Europas nachweisen lassen. Der Einfluß der Kirche ist auf sein Äußerstes

reducirt.

Während aber in Deutschland der Staat der sittlichen Einwirkung der Kirche die größten Schwierigkeiten darbietet, und ihr keine Protestation gegen seine maaßlosen Eingriffe in ihre und in natürlich-sittliche Rechte gestattet, so scheint freilich in anderen, besonders in den vorherrschend katholischen Ländern, die Kirche einer freieren Entwickelung des Staatslebens die größten Hindernisse in den Weg zu legen, und vor Allem macht sich dieß selbst in dem doch so frei constituirten protestantischen England bemerklich. Allein wir wollen lieber den Blick auf unsere unmittelbare Umgebung richten. Wir lassen es gänzlich dahingestellt, aus welchen Motiven der Gedanke der Trennung von Kirche und Staat bei dem hervorging, der die Ausführung desselben zuerst beantragte. Das Factum steht fertig vor uns da, und wir freuen uns von Herzen im Blick auf die Zukunft. Aber zu leicht wollen wir seine nächsten Folgen auch nicht nehmen. Der Staat hat dadurch wenigstens offen ausgesprochen, daß er seine dermalige Existenz nicht von dem Fortbestehen der christlichen Kirche abhängig denke; eine Toleranz die der Indifferenz im großen Maaßstabe nicht sehr fremd seyn kann. Es ist auch Nichts damit ausgerichtet, zu sagen, daß stillschweigend das Fortbestehen der christlichen Kirche doch vorausgeseßt werde. Die Consequenzen des Systems

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