ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

sollen uns nach seiner Meinung lieber an das halten, was aus protestantischem Wesen geboren ist, als daß wir versuchen, aus einigen Fetzen des transzendentalen katholischen Meßgesanges für die evangelischen Kirchen ein priesterliches Kleid zurechtzuschneiden. Aber bei aller Verehrung für den Großmeister protestantischer Kirchenmusik wird kein Liturgiker der Meinung sein, daß man durch die Einführung der Bachschen Kantate den Charakter des evangelischen Gottesdienstes von Grund auf ändern dürfe, und dieser Vorschlag, den man für gelegentliche Nebengottesdienste und für Jahresfeste kirchlicher Vereine mit Begeisterung aufnehmen darf, kann nicht als eine Regel für das gesamte gottesdienstliche Leben gelten. Den bedeutsamsten Vorschlag für eine Veränderung der Liturgie zugunsten des Chorgesangs hat Freiherr v. Lilienkron durch seine „Chorordnung für die Sonn- und Festtage des evangelischen Kirchenjahres" gegeben. Seine Forderung ist, daß alle Kirchenmusik liturgisch sei, d. h. daß der Text sich klar verständlich einfüge in den Gedankengang des Gottesdienstes. Luther hat den Chorgesang aus der altkirchlichen Liturgie zugleich mit denjenigen Texten herübergenommen, welche jedem einzelnen Sonn- und Festtage sein besonderes Gepräge geben und im römischen proprium missarum de tempore zusammengestellt sind. Die Liturgie muß für Dom und Dorf dieselbe sein, so daß man nicht, wie es in den bestehenden Agenden geschieht, gezwungen wird, für kleinere Gemeinden „vereinfachte", d. h. verarmte Nebenformen aufzustellen. v. Lilienkron stellt folgende Ordnung auf: Der Gottesdienst beginnt nach der Anrufung des dreieinigen Gottes mit dem Tagesspruch, gesungen in gregorianischer Melodie vom Chor. Es folgt das Kyrie eleison, gesungen vom Chor, und nach dem Gnadenspruch das Gloria mit dem Liedvers ,,Allein Gott in der Höh sei Ehr", gesungen von der Gemeinde. Umgekehrt kann auch das Kyrie von der Gemeinde und das Gloria mit dem Laudamus te vom Chore gesungen werden. Luthers Vorschlag, hier in gregorianischer Melodie den Vers ,,All Ehr und Lob soll Gottes sein“ zu singen, ist wegen der schwierigen Melodie nicht durchgedrungen. Es folgt dann in der Liturgie eine bedeutsame Stelle, an welcher die Eigenart des betreffenden Sonn- oder Festtages am stärksten zum Ausdruck kommt. Luthers Absicht, die längeren lateinischen Stücke der Liturgie durch das deutsche Gemeindeled zu ersetzen, mußte sich hier beim Graduale noch

mehr als beim Introitus durchsetzen. Denn hier wurden in der römischen Kirche wie noch heute an bestimmten Festtagen die Segnungen und in der Fastenzeit der Traktus gesungen, eine hymnische Auslegung des Evangeliums. Die Lieder, welche Luther aus diesen Sequenzen gebildet hat, sind recht eigentlich de tempore-Lieder, welche in vielen Gesangbüchern des 16. Jahrhunderts als solche ausdrücklich gekennzeichnet sind. Nun lag es nahe, diese Lieder, in denen sich in gewissem Sinne der Höhepunkt der gesanglichen Beteiligung der Gemeinde am Gottesdienste darstellte, in reicherer Ausgestaltung dem Chore zu übertragen. So gibt schon Walthers Geistlich Gesangbüchlein von 1524 die damals vorhandenen und von Luther für den kirchlichen Gebrauch gut geheißenen Lieder in der vier- und mehrstimmigen kontrapunktischen Gestalt des damaligen Kunstliedes. Es sollte im Wechsel mit dem einstimmigen Gesang der Gemeinde zur Erhöhung der Feier gesungen werden. Später kam die Sitte auf die Melodie, welche aus dem Tenor in die Oberstimme verlegt worden war, von der Gemeinde singen zu lassen und in Ermangelung eines Chores die übrigen Stimmen der Orgel zu übertragen, so daß nun allmählich die Orgel überhaupt die Führung des Gemeindegesanges übernahm. Um so freier entfaltete sich nun das figuraliter gesetzte Chorlied, der evangelische Kunstchoral, in dessen Dienst die größten Meister der evangelischen Kirchenmusik ihre Gaben stellten. Diese Lieder verlangt v. Lilienkron für den evangelischen Gottesdienst zurück, und zwar soll der figuraliter gesungene Choral den hymnischen Höhepunkt des ersten Teiles des Gottesdienstes bis zum Kredo darstellen. An der Stelle, wo das alte Graduale ausgefallen ist, singt der Chor einen oder mehrere Choralverse, und hier muß vor allen anderen J. S. Bach zu Ehren kommen. „Das Gesuchte liegt in dem die Bachschen Kantaten so herrlich abschließenden vierstimmigen Choral. Wer kann sich beim Anhören einer Kantate oder der Bachschen Passion dem Eindruck entziehen, den der a capella gesungene vierstimmige Choral macht, der mit seiner schlichten und dennoch so farbenreichen Ausführung und in seiner kirchlichen Erhabenheit alle vorhergehende Kunst der Kontrapunktik und des Sologesanges überstrahlt. Das ist das ureigenste Kunstwerk der evangelischen Kirche, errichtet auf dem Unterbau der einfachen, volksmäßigen Choralmelodie." Im Gottesdienst bezeichnet dieser Choral, das „Sonntagslied", den litur

gischen Höhepunkt; in der folgenden Woche bleibt es in ständigem Gebrauch. Die Kurrenden tragen es auf die Straße und in die Häuser, in den Schulen wird es als Wochenchoral gesungen, vom Kirchturm herab an jedem Morgen geblasen, und der Weckruf in den Kasernen wird durch das Sonntagslied zugleich zum geistlichen Weckruf gestaltet.

Für die Schlußliturgie verlangt v. Lilienkron die Verwendung der feierlichen Präfation mit dem dreimaligen Sanktus ausschließlich in der Abendmahlsfeier. Nach der Predigt soll ein Altarspruch, der ebenfalls den de tempore-Charakter tragen muß, vom Chor gesungen werden. Hierzu geeignete Sprüche sind in dem alten Graduales, Offertorien und im Antiphonarius missae in reicher Fülle vorhanden.

Diese Vorschläge für die organische Einfügung des Chorgesanges oder wenigstens des Wechselgesanges zwischen der Gemeinde und einem Schülerchor werden für die weitere Erörterung liturgischer Fragen und für die künftige Entwicklung des evangelischen Gottesdienstes von großem Einfluß sein. Es wird aber nicht an wichtigen Einwendungen fehlen. Man darf fragen, ob notwendig jeder Sonntagsgottesdienst auf einen bestimmten Leitgedanken zugeschnitten sein muß. Jedenfalls führt der Versuch, die Perikopen eines jeden Sonntags unter einen gemeinsamen Grundgedanken zu bringen, zu subtilen und unklaren Künsteleien. Immerhin ließe sich unter Einschluß der neuen Perikopen-Reihe für vier Jahrgänge eine Ordnung aufstellen, welche je nach einer der vier Perikopen die Wahl des Introitus, der Gemeinde- und Chorgesänge bestimmt. Dazu würde aber die Herstellung eines Anhanges im Gesangbuche mit den sämtlichen Gottesdienstordnungen oder die jedesmalige Verteilung von Druckblättern nötig sein. Wenn wir aber fragen, was von diesen Vorschlägen im Rahmen der preußischen Landesagende zunächst durchführbar ist, so kommen außer der verlangten Wiedereinführung der alten Introitus-Texte hauptsächlich das Sonntagslied und der Altarspruch in Betracht. Da die Agende den Chorgesang nach dem Halleluja und einen kürzeren Gesang nach dem Kanzelsegen gestattet, so wird es der Erwägung wert sein, ob nicht zunächst für ein Kirchenjahr eine Ordnung ausgearbeitet und den Gemeinden empfohlen werden könnte, welche den Kirchenchören ganz bestimmte und gewiß gern durchgeführte Aufgaben stellt. Es würde dadurch dem Chorgesang die ge

wünschte, in der Richtung der altevangelischen Versuche und Bestrebungen liegende Einfügung in den harmonischen Bau der Gottesdienstordnung gegeben sein. Der Kirchenchor darf bei seiner Mitwirkung im Gottesdienst nicht das Gefühl haben, nur einem musikalischen Interesse zu dienen; er muß sich seiner hohen Würde bewußt sein, daß er die singende, bekennende und betende Gemeinde selbst darstellt. Bei der gegenwärtigen Lage der Dinge wird es wenige Vereine für Kirchengesang geben, denen ein klares Verständnis über den liturgischen Zweck ihrer Mitwirkung vermittelt ist. Hier kann die theoretische Belehrung wenig ausrichten; ein Kirchenchor muß sich in das Verständnis und die Wertschätzung seiner Mitarbeit hinein singen, und dazu tut es not, daß ihm solche Aufgaben gestellt werden, deren Bedeutung für den Zweck des Gottesdienstes - die Anbetung der Gnade Gottes in Christo und die Erbauung der Gemeinde sich auch ohne theoretische Reflexion dem Verständnis und Empfinden jedes Mitgliedes des Kirchenchors aufdrängt. Welches immer wieder erneute Gefühl der Befriedigung wird es mit sich bringen, wenn der Kirchenchor in jeder Sonntagsfeier sich sagen darf, daß seine Mitwirkung für eine wirkungsvolle Gestaltung des Ganzen von hoher Bedeutung gewesen ist!

Über die rationale Begründung des

religiösen Glaubens.

Von

Emil Walter Mayer.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »