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Hellenisches Heidentum und Christentum pflegten früher gern

als polare Gegensätze gefaßt, und der heitere Optimismus, der kirchen- und dogmenlose Kult, die harmonische, von Sünde und Erlösung absehende Ethik als Kennzeichen der griechischen Religion gefaßt zu werden. Allein die eifrigen Forschungen des letzten Menschenalters haben mit Sicherheit festgestellt, daß die griechische Seele keineswegs so einfach organisiert war, wie der Moderne glaubt, daß die homerische Heiterkeit keineswegs typisch ist für den hellenischen Glauben überhaupt. Einzelne hervorragende Geister hatten selbstverständlich tiefere Ahnungen und Anschauungen als die Menge, damals wie heutzutage. Aber auch weitverbreitete Sekten lösten sich von dem antiken Glauben in bemerkenswerter Weise los und näherten sich in wesentlichen Punkten der weltabgewandten Anschauung des Christentums. Seit dem sechsten Jahrhundert vor Chr. hat sich eine an den einheimischen Dionysosdienst angelehnte Mystik entwickelt, die in vielen Beziehungen als eine Antizipation christlicher Lehre und christlichen Lebens erscheint. Die Geheimlehre der Orphiker, wie sie unter Peisistratos und den Peisistratiden in Athen von den Propheten um Onomakritos literarisch festgelegt und kultisch organisiert ward, sieht der Religion des Kreuzes in den Kernpunkten so ähnlich wie keine andre der vor oder neben ihr auftretenden Religionsformen. Die pessimistische Grundauffassung des Lebens, der Sündenfall, die Verachtung der Leiblichkeit, die Askese, die Unsterblichkeit der individuellen Seele, die stark ausgebildete Eschatologie mit Paradiesesfreuden und Höllenstrafen, das reich entwickelte Zeremoniell des Kultes, der von stark hervortretenden Priestern geleitet wird, die sakramentale Bedeutung des Kelches, endlich die ausgebildete Dogmatik mit monotheistischer Spitze,

dies alles läßt sich bereits für die orphische Sekte der Peisistratidenzeit mit befriedigender Sicherheit feststellen '). Aber das Leben dieser Sekte war stets vom Schleier des Geheimnisses umhüllt. Der Kult hatte von vornherein die Form der Mysterien und spielte sich, nachdem der Orphizismus mit den Peisistratiden in Athen verfemt worden, nun um so mehr im Verborgenen ab. Die Orpheotelesten mußten sich damit zufrieden geben die Armen im Geist zu erquicken und mit den Almosen der „Deisidämonen“) sich kümmerlich durchzuschlagen.

Neben Athen tritt Sizilien und namentlich Großgriechenland im sechsten und fünften Jahrhundert als besonders fruchtbares Erdreich für diese und ähnliche Mystik uns entgegen. Der Pythagoreismus, der eine Vereinigung delphischer und orphischer (also apollinischer und dionysischer) Religion mit ionischem Rationalismus und politischem Konservativismus darstellt, hat Unteritalien über hundert Jahre geistig, zum Teil auch politisch beherrscht. Dann mit dem endgültigen Fall dieser Politik versinkt auch diese Sekte, soweit sie sich nicht in die platonische Akademie flüchten konnte, in die plebejischen Schichten, und der arme Pythagorist wird wie der Orpheotelest im Laufe des vierten und dritten Jahrhunderts zum Spott der Gebildeten. Die Orphik verkriecht sich in das literarisch nicht mehr faßbare Vulgus, aus dem sie erst nach langen Jahrhunderten wieder auftaucht, als das siegende Christentum die Intellektuellen des Heidentums zwang, kräftigere, volkstümlichere, mit uralten heiligen Schriften ausgestattete Kultformen der heidnischen Religion aus dem Dunkel hervorzuziehen und diese alte, aber seit dem sechsten Jahrhundert stetig vermehrte und modernisierte „Offenbarung“ des Orpheus nach den Prinzipien der neuplatonischen Schultheosophie zu kommentieren.

Auf die Zwischenzeit vom ausgehenden vierten Jahrhundert vor bis zum vierten nach Chr., in der die orphische Mystik wieder in die Tiefen des Volks versank, aus der sie einst durch die volksfreundlichen Tyrannen emporgeführt worden war, in der

1) Außer den direkten älteren Zeugnissen, die in meinen Vorsokratikern II 469-482 zusammengestellt sind, ist auch manches, was spätere Überlieferung bietet, durch Plato und Empedokles (Vors. 12 205-216) verifiziert worden.

2) Theophrast. charact. 16 (Vors. 473, 20).

kein Schriftdenkmal, kein Leichenstein) verläßliche Kunde gibt von dem, was in jenen untersten Schichten die religiöse Seele bewegte, haben einige Goldtäfelchen überraschendes Licht geworfen, die in unteritalischen Gräbern des vierten Jahrhunderts vor Chr. aus der Gegend des alten Thurioi, und ganz ähnlich in kretischen Grabstätten römischer Zeit sich vorgefunden haben.

Diese kleinen Goldfolien, die zusammengefaltet wie ein Brief dem Verstorbenen in die Erde mitgegeben wurden, stellen einen von den orphischen Weihepriestern ausgestellten Reisepaß *) in die Unterwelt dar, in dem bezeugt wird, daß der Tote zur Gemeinde der „Reinen“ (kadagoi) gehört und darum Anspruch auf Einlaß in das Elysium erheben darf. Mit solchem Ausweise stellt sich also der Verstorbene den Herrschern des Schattenreiches, besonders der schrecklichen Persephoneia vor, um auf die rechte Straße gelenkt und zu dem kühlen Brunnquell geführt zu werden, der nicht der Lethe, sondern der Mnemosyne geweiht ist. Ein öfter wiederholtes Formular lautet 5):

,,Zur linken wirst du im Hause des Hades eine Quelle finden und daneben eine weiße Zypresse. Von dieser Quelle halte dich fern. Du wirst vielmehr eine zweite treffen. Das ist der See der Mnemosyne, aus dem das kühle Wasser) fließt. Wächter stehen davor. Zu ihnen sprich: »Ich bin ein Kind der Erde und des gestirnten Himmels, aber mein Geschlecht stammt vom Himmel. Das

3) Die Orpheusvorstellungen, die nachher auch in den christlichen Katakomben eine Rolle spielen, müssen als allgemein übliche Symbole des Unterweltgedankens (wie Alkestis) außer Ansatz bleiben.

*) Die Annahme, daß diese Verse nur Auszüge aus den heiligen Schriften der Orphiker darstellen, wie in christlichen Gräbern entsprechende Bibelstellen den Toten mitgegeben wurden, trifft nur ausnahmsweise (z. B. auf Vors 66 B 21 S.481) zu. Vielmehr sind diese Paßformulare zu diesem besondern Zwecke erfunden, wie sich aus dem hier vorzugsweise behandelten römischen Stück mit Sicherheit ergibt. Die Analogie der ägyptischen Totenbücher, die Foucart Recherches sur l'origine des myst. d'Eleusis p. 71 heranzieht, ist auch nur entfernt vergleichbar.

5) Vors. 66 B 17.

6) yvzoòv ïdog findet sich ähnlich seit dem mittleren Reich in ägyptischen Totenbüchern. Vgl. Cumont, Relig. orientales (Paris 1907) 27989. Wie wenig diese im Süden selbstverständliche Metapher auf inneren Zusammenhang zu schließen berechtigt, beweist die ganz ähnliche Formel der Babylonier, deren Tote sich wünschen in der Unterwelt ,,klares Wasser" zu trinken. Delitzsch, Babel und Bibel 15 7228.

wißt ihr ja auch selber. Ich vertrockne und vergehe vor Durst. So reicht mir denn rasch das kühle Wasser, das aus dem See der Mnemosyne fließt. Dann werden sie dir selbst den Trank aus dem göttlichen Quell kredenzen, und dann wirst du als Herrscher thronen mit den anderen Seligen ")."

Eine andere in mehrfachen Abwandlungen und Verschlechterungen erhaltene Reihe hat folgenden Inhalt®):

,,Als Reine von den Reinen komme ich zu euch, Totenkönigin, Euklos, Eubuleus und ihr unsterblichen Götter allesamt. Aus eurem seligen Geschlechte rühm' ich mich zu stammen. Aber zur Strafe für ungerechte Werke hab' ich den Tod erlitten. Mich bezwang das Schicksal und andre unsterbliche Götter, mich traf ein Blitzschlag aus dem Sternenzelt'). Doch ich bin nun dem leidvollen, kummerreichen Kreislauf der Geburten 1) entronnen und habe mit hurtigen Füßen mich zur ersehnten Sphäre 11) emporgeschwungen, wo ich mich flüchtete in den Schoß der königlichen Erdenmutter."

Darauf ertönt eine Stimme:

,,Seliger, Hochgebenedeiter, ein Gott bist du worden

aus einem Sterblichen."

Zum Schluß steht das Losungswort12):

,,In die Milch fiel ich als Bock."

Das heißt vermutlich: „als geweihter Dionysodiener gelangte ich in das Land, wo Milch und Honig fließt" 13). Ein anderes Formular') schließt ähnlich:

,,Gott bist du aus einem Menschen geworden, als

ἢ καὶ τότ' ἔπειτ' ἄλλοισι μεθ ̓ ἡρώεσσι ανάξεις.

8) 66 B 18. 19.

9) Da das Formular gerade an dieser Stelle in den zwei Exemplaren, die sonst variieren, übereinstimmend eine offenbare Lücke aufweist, sieht es beinahe so aus, als ob die Todesursache jedesmal individueller ausgefüllt werden sollte, was freilich nicht geschehen ist.

10) Der orphisch-pythagonischen Metempsychose, die auch Empedokles

(21 B 17, 13) Kiλog nennt.

11) juɛotov otepávov (vgl. Parmenides lors. 18A 37).

12) Solche Losungsworte waren zur Fernhaltung der Nichteingeweihten

in den Mysterien üblich, ja unerläßlich.

19) A. Dieterich, de hymnis Orphic. (Marb. 1891) 36.

14) a. O. 66 B 20.

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