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wurde, erschien bald unter dem ironischen Gesichtspunkte einer kindlichen, wenn nicht kindischen Tändelei und, im Hinblick auf das Mißverhältnis zwischen Ziel und Erfolg, wie ein verfehltes Unternehmen. Die Wirkung der geheimen Gesellschaften stellte sich noch entschiedener unter. jenem Ge sichtspunkte dar; das feierliche Streben, die Menschen von außen her und in geheimnisvoller Weise zu erziehen, nahm den Charakter einer belustigenden Mummerei an.

Goethe mußte sich nach seiner Art von diesen Dingen befreien, und seine Art bestand darin, dieselben künstlerisch darzustellen. Als er im Jahre 1777 seinen Roman, in dem er das ganze Theaterwesen vortragen wollte, langsam auszuarbeiten begann, hatte er ganz andre Zielpunkte als im Jahr 1796, wo er die letzte Redaktion beschloß. Denn durch diesen Zeitraum von zwanzig Jahren zog sich die Arbeit am Wilhelm Meister, wenn gleich mit Unterbrechungen. Goethe selbst war in diesem Zeitraum ein andrer Mensch geworden, seine künstlerische Natur hatte sich auf verschiedenen Durchgangsstufen vollkommen entfaltet; er stand beim Abschluß in einem ganz andern Verhältnis zu seinem Stoffe als beim Beginn. Das Persönliche, das er in dem Roman abzustreifen beabsichtigt hatte, konnte er zwar nicht ganz ausschließen, aber er mußte es, der Stufe seiner menschlichen, ästhetischen und künstlerischen Bildung entsprechend, gehaltvoller, tiefer und resultatreicher erscheinen lassen. Bei aller Entschieden heit, mit welcher das Verfehlen des eigentlichen Zieles dargestellt werden sollte, konnte doch eine Fülle von Resultaten, die im einzelnen gewonnen waren, aufgezählt werden, so daß die Gestalt, die den Mittelpunkt bildet, zwar eine noch unfertige, mehr von den Einflüssen des Zufalls und von andern abhängige, als durch entschiedenen Willen sich energisch aus sich selbst herausbildende Natur sein und doch in ihren Reflexionen die Summe der augenblicklichen Erfahrung wie aus innerem längst besessenen Reichtum bar und blank hinlegen konnte. Aber nicht allein dieser Teil der Darstellung hatte sich geändert, auch die Anlage war nicht dieselbe geblieben. Wilhelm, der ursprünglich sich auf den Kreis des Bühnen

wesens beschränken und seine ästhetische Erziehung nur durch und für das Theater zu gewinnen suchen sollte, allenfalls von einer geheimen Gesellschaft mehr gehänselt als geführt, wuchs über diese Sphäre hinaus und suchte nun auch, wie Goethe selbst, sich durch und für die sogenannte Welt zu bilden, so daß das spezielle Problem mit einem allgemeineren verbunden und aus der Darstellung einer fast ironischen Aufgabe eine Darstellung des sozialen Lebens nach erweiterten Gesichtspunkten hervorging. Da es sich nun nicht allein mehr um den Bildungsgang eines bestimmten, durch den Stand beschränkten Individuums handelte, sondern die Forderungen lebendiger wurden, die Hauptgestalt zum Repräsentanten einer allgemeineren Bildung, wenn nicht selbst der Bildung des Jahrhunderts zu machen, so drängten sich andre Aufgaben heran, die dem ursprünglichen Plane fern lagen. Das religiöse Element schien nicht zu umgehen und wurde bereitwillig in den Kreis der Darstellung aufgenommen, da sich alte Papiere als willkommenes Hilfsmittel darboten. Auch durch das spekulative Reich der Philosophie konnte Meister geführt werden, wie denn eine Durchführung durch das politische Reich kaum zu vermeiden schien. Beides wies Goethe ab, obwohl nicht mit der Strenge, daß man nicht hin und wieder in den am spätesten entstandenen Teilen des Werkes die Anfäße zur Hereinziehung dieser Elemente bemerken könnte. Uebrigens hält er sich auch hier so objektiv, daß er, wie in seinen Dichtungen überhaupt, nicht aus eigenem Munde spricht, sondern den bevorzugten Charakteren zuteilt, was man allenfalls als die eigene Meinung des Autors ansehen darf.

Goethe berichtet in den Tag und Jahresheften, die Anfänge des Romans seien aus dem dunkeln Vorgefühl der großen Wahrheit entstanden, daß der Mensch oft etwas versuchen möchte, wozu ihm von der Natur Anlage versagt ist, unternehmen und ausüben möchte, wozu ihm Fertigkeit nicht werden kann. Und doch sei es möglich, daß alle falschen Schritte zu einem unschäßbaren Guten hinführen, eine Ahnung, die sich in Wilhelm Meister immer mehr entfalte, aufkläre

und bestätige, ja zuletzt deutlich dahin ausgesprochen werde, daß er mehr gefunden, als er gesucht habe. Diese Deutung trifft teilweise mit der vorhin dargelegten, aus der Entstehungsweise des Romans hergeleiteten Auffassung zusammen, nur daß hier gleich von Anfang an beabsichtigt sein soll, was erst im Laufe der Jahre, im Kampfe mit der gewählten Form, den wachsenden Anforderungen des Dichters und mit deren Folgen, dem Wechsel des eigentlichen Zielpunktes, sich ergab. Denn Wilhelms Geschick ist nicht darauf angelegt, ihn zum Träger der allgemeinen Ideen zu machen, die den Roman, wie er gegenwärtig vorliegt, durchdringen. Jung, sinnlich, unerfahren, unterrichtet, aber nicht gebildet; durch sein Aeußeres mehr gewinnend, als durch sein geistiges Wesen; ein guter Junge, aber träg, keiner Energie fähig, verwechselt er die Liebe zur Kunst mit der Liebe zu einer leichtfertigen Schauspielerin, die in ihm ebenso nur den jungen Mann, wie er in ihr nur das anmutig sinnliche Mädchen liebt und es auf die Dauer bei ihm, dem Kargen und Langweiligen, nicht ausgehalten haben würde. Ehe die Lösung des Verhältnisses auf die in der Verschiedenartigkeit der Charaktere begründete Weise eintreten konnte, wurde Wilhelm, der sich für den allein begünstigten Liebhaber Marianens gehalten, von der Jrrigkeit dieser Meinung überführt und gab das Verhältnis auf. Man darf die begleiten: den Umstände nicht allzu genau prüfen; denn ein Roman hat nicht wie ein Kriminalreferat die Gesetze der strengsten Folgerichtigkeit zu beachten. Wilhelms Krankheit müßte dem verlassenenen Mädchen und besonders ihrer kupplerischen alten Barbara bekannt geworden sein, und diese Kenntnis würde die Alte zu ganz andern Maßnahmen geführt haben als denen, welche nach Marianens Tode und Felix' Geburt mehr erwähnt als nachgewiesen werden. Genug, der erste Irrtum des jungen Mannes liegt einstweilen hinter ihm. Er will der Theaterwelt entsagen und tritt als Reisender für sein väterliches Geschäft eine Fahrt in die ihm völlig unbekannte Welt an, von der er nicht zurückkehrt. Er hat das Unglück, auf Schritt und Tritt wieder zu dem Gegenstande, dem er

fich abwenden will, zu dem Theaterwesen zurückgewiesen zu werden, zuerst durch die Bekanntschaft mit Melina, der sich mit einer Schönen heimlich davon gemacht hat, dann auf dem Ritt ins Gebirge durch das Dilettantentheater der Fabrikarbeiter, durch die Seiltänzergesellschaft, von der er die mißhandelte Mignon an sich kauft, und dann durch die Verbindung mit der leichtsinnigen Philine und den übrigen Komödianten, die sich in dem Städtchen allmählich zusammenfinden. Unter dieser bunten, beweglichen, leichtfertigen, interessierten, großmütigen, aus allerlei lustigen und unlustigen Elementen geformten Menschensammlung wird es Wilhelm gemütlich und ungemütlich, innig und zum Davonlaufen unwohl, die Spazierfahrten, die ästhetisch-patriotischen Gelage, die Wasserpartien mit improvisierten Komödien füllen betäubend den müßiggängerischen Tag aus und bringen Wilhelm endlich dahin, daß er dem dringenden und zur zeitigen Unzeit wiederholten Wunsche Melinas nachgibt und die Mittel zum Ankauf einer Theatergarderobe aus der ihm anvertrauten Kasse vorschießt und von da an gleichsam zur Gesellschaft dieser wandernden Kunstjünger gehört, die er an Streben und Einsicht weit überragt, weil ihn der Dichter mit den Resultaten seiner eignen Lebenserfahrung reichlich ausstattet, denen er es jedoch in der Ausübung nicht einmal nachthun könnte, da er alles auf sich bezieht und sich, wie es der Schauspieler in jeder Rolle muß, außer sich und in eine andre Individualität zu versehen vollkommen außer stande ist. Diese zusammengewehte Gesellschaft, so lebensfrisch sie geschildert ist, würde für eine ernste Dichtung kaum erträglich sein, wenn sie nicht in der Vitalität ihres Durcheinander für Wilhelm eine Art von negativer Lebensschule und Vorbereitungsstufe zu einem andern Leben sein sollte, und wenn sie nicht durch die Beimischung tiefernster Elemente Haltung bekäme. Der unglückliche Augustin, der in schuldloser Schuld, im Incest mit der eignen Schwester Sperata, und noch dazu als Ordensgeistlicher, Vater eines geraubten und totgeglaubten Töchterchens geworden und nun im halben Wahnsinn als Harfner mit seinem niegesehenen

Kinde Mignon in dieser Gesellschaft die tiefsten Laute der schuldigen Menschenbrust anklingen läßt, dem der Morgensonne Licht den reinen Horizont mit Flammen färbt, während über seinem schuldigen Haupte das schöne Bild der ganzen Welt zusammenbricht; er und Mignon, deren wunderbare Lieder nach einer schönen dunkel geahnten Heimat, wie nach einer ewigen, unirdischen, alles sehnsüchtige Verlangen der Seele wach rufen: diese beiden Gestalten treten bedeutungsvoll in dies bunte Treiben. Aber Meister hat kaum eine vorübergehende Ahnung seines schuldbelasteten Daseins und nicht einmal vorübergehend eine Anwandlung von Sehnsucht nach den schönen warmen sonnigen Gegenden, welche die Kunst als ihre Heimat anerkennt. Er fühlt nur den lebendigen Trieb, die große Welt näher kennen zu lernen, und begleitet deshalb in zweifelhafter Stellung die Schauspielergesellschaft auf das Schloß des Grafen, wo er denn freilich Gelegenheit genug findet, auch diese Karikatur des Lebens im Grafen, Baron, in der Baronesse und der ganzen Sippschaft genauer kennen zu lernen, leider nur nicht als übel geratene Kopie eines wahrhaft vornehmen Lebens, von dem allenfalls im Prinzen und der schönen Gräfin ein Abglanz lebendig vor Augen tritt. (Beide sind bekanntlich Kopien, jene vom Prinzen Heinrich von Preußen, diese von der Gräfin Werther in Neunheiligen, einer Schwester des preußischen Ministers Stein.) Zwar fängt er an zu wittern, daß es in der Welt anders zugehe, als er es sich gedacht (Buch 3, Kap. 8), aber von der Wirkung dieser Ahnung wird wenigstens nicht sehr viel sichtbar, da er sich gleich darauf zu einer gewagten Posse brauchen läßt, in deren Folge der an sich nicht sehr gescheite Graf sein bißchen Wit vollends einbüßt und die schöne Gräfin schwach genug ist, ihn in Wilhelms Armen für einen Moment zu verraten, bis die diamantne Fassung des Herrn Gemahls sie empfindlich an ihren Fehltritt erinnert, worauf sie selbst die Grillen des Grafen teilt und mit ihm sich für Herrnhut vorbereitet. Die ganze Behandlung dieser Entschließung des gräflichen Paares, das ärgerliche Welttreiben mit dem gottgefälligen Leben in Herrnhut zu vertauschen,

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