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hat Goethe mit so unverhüllter Ironie durchgeführt, daß die später eingeschalteten Bekenntnisse der schönen Seele kaum anders als unter diesem mitwirkenden Gesichtspunkte zu fassen find. Einstweilen verläßt Wilhelm mit der Schauspielergesellschaft das gräfliche Schloß und hat eine sehr entschiedene Neigung, sich der vornehmen Welt zu nähern, sich zu ihr emporzubilden, mitgenommen. Er verteidigt sie nicht ohne Geschick, als die undankbare Gesellschaft in sehr rücksichtsloser Weise ausspricht, wie sich die vornehme Welt in diesen Köpfen spiegelt. Er hat aber auf dem Schlosse von Jarno, dem kräftigen, etwas schonungslosen Vertreter des gesunden Menschenverstandes, den Shakespeare erhalten, der nun die wunderbarste Revolution in seinem Kopfe hervorbringt. Zum erstenmale beginnt er sich mit dem Wesen eines dramatischen Gedichtes einzulassen, und bei den wunderbar raschen Entwicklungen seiner Fassungs- und Beurtei lungskräfte hat er, obwohl er auf der Wanderung sich dem Prinzen Harry anähnelt, denjenigen Charakter Shakespeares, der mit dem seinigen die größte Verwandtschaft zeigt, so tief durchdrungen, daß, wenn nicht Goethe ihm soufflierte, dieses rasche Verständnis zu den Wundern gehören würde. Eher traut man ihm den Heroismus bei dem räuberischen Ueberfall zu, da er auch bei andern Veranlassungen, seiner sonstigen Unentschiedenheit ungeachtet, rasch entschlossenen persönlichen Mut zeigt. Unglücklicherweise richtet sein Mut bei dem Ueberfall nichts aus; er selbst bleibt verwundet und bewußtlos auf dem Plaze und würde, wenn die gutmütige Philine und die treue Mignon nicht gewesen wären, elend umgekommen sein, obwohl er, undankbar genug, seine Rettung der schönen vornehmen Amazone (Natalie) zuschreibt, die, mit dem Oheim und dem Wundarzte reisend, ihn antrifft, ihn verbindet und ihn pflegen läßt. Sobald er genesen, reist er in die große Stadt, um seine Theaterstudien bei Serlos Bühne fortzusehen. Vorzugsweise ist es wiederum Hamlet, was den Mittelpunkt der dramaturgischen Gespräche und Bestrebungen bildet. Serlos Schwester ist eine Art von Ophelia, da sie von dem schwärmerisch geliebten

Lothario verlassen ist; doch tritt ihr Wilhelm zu nahe, wenn er ihr zutraut, was er bei seiner Auffassung der Ophelia allenfalls konnte, daß der kleine dreijährige Felix ein unerwünschter Mahner an diese unglückliche Liebe sei, während er den Hamlet allerdings so nahe angeht, wie ein illegitimes Kind den Vater. In den Unterredungen über Hamlet fällt einmal das bedeutende Wort: daß der Held keinen Plan habe, das Stück aber planmäßig sei, ein Wort, das sich ebenso sehr auf den vorliegenden Roman bezieht, wie auf das englische Drama. Denn wenn auch Wilhelm von sich gerade das Gegenteil behauptet, gehört dies doch zu seinen Selbsttäuschungen. Er hat wohl Absichten, aber keine Schäßung der Wege, die zur Erreichung derselben führen; er hat eine Vorempfindung der ganzen Welt, aber von der Welt in ihren wirklichen Entfaltungen keine Vorstellung. Indem er mit sich selbst einig zu werden strebt, entfernt er sich immer mehr von der heilsamen Einheit, und seine Bildung, die wieder nichts anders sein kann, als eine naturgemäße gefunde Entfaltung dieser Einheit mittels der in derselben organisch gewordenen Einwirkungen der Welt, glaubt er nur auf dem Theater vollenden zu können. Er wird selbst Schauspieler und hat als Hamlet großen Beifall, weil er in der Rolle nicht aus sich herauszugehen genötigt war. seine Aufgabe, sich vermittelst des Theaters für das Leben zu bilden, angreift, zeigt er bei seinen Studien für die Darstellung des Prinzen in Emilia Galotti. Er wählt die Rolle, um sich vornehmen Anstand anzueignen, da doch die Rolle nur den Schein mehren, dem Wesen aber nichts geben konnte. Das fünfte Buch, in dem diese Entwicklungen vor sich gehen, ist in Bezug auf dramaturgische Studien das reichhaltigste. Freilich ist nur Hamlet der eigentliche Gegenstand, aber die Methode der allseitigen Untersuchung ließ sich nach diesem Vorbilde mit Leichtigkeit auf die Untersuchung jedes andern Stückes übertragen, und wenn man den ungeheuren Unterschied der Kritik, die nach mitgebrachten Regeln, und derjenigen, welche aus der Sache heraus erkennt und urteilt, sich deutlich machen will, darf man nur das beste Stück der

Lessingschen Dramaturgie mit diesen Goetheschen Studien über Hamlet zusammenhalten. Der Kontrast zwischen zersehender Verstandesschärfe und liebevoll schaffender Hingebung kann nicht stärker sein. Nach den darstellenden Versuchen, bei denen es Wilhelm allmählich deutlich zu werden beginnt, daß zwischen seinen Ideen von der Wirkung des Theaters und den reellen mit den Ansichten der Schauspieler und des Publikums harmonierenden Erfolgen eine große Kluft liege, bedurfte Goethe der ferneren Mitwirkung der Schauspielergesellschaft nicht weiter. Er läßt sie allmählich veränderte Gestalt annehmen und dem Verfall zueilen. Philine ist mit Friedrich, einem 'Jungen aus gutem Hause', dem Bruder der Gräfin, Nataliens und Lotharios, Neffen der Stiftsdame, durchgegangen; mit ihr ist ein bindendes Element verschwunden; Melina drängt zur Oper, die den dramatischen Geschmack zerstört, wie sie den musikalischen vollendet. Aurelie ist, nachdem sie kurz vorher die Bekenntnisse einer schönen Seele gelesen, aber wenig Trost daraus gezogen hat, nach einer Darstellung der Orsina gestorben; mit ihr entweicht das Element der strengen Oekonomie. Die Bühne Serlos ist auf die abschüssige Bahn des Untergangs gerückt. Wilhelms Abgang wird kaum bemerkt. In Aureliens Auftrage bringt er einen Brief an den untreu gewordenen Lothario, den er mit einer eindringlichen, wohl einstudierten Rede zu überreichen entschlossen ist. Bevor er auf dem Schlosse ankommt, macht uns der Dichter mit den Verhältnissen des Kreises, in den Wilhelm nun eintreten soll, durch Einrückung der Bekenntnisse einer schönen Seele bekannt. Die Verfasserin ist bekanntlich Goethes alte Freundin Susanna Katharina von Klettenberg (geb. 19. Dezember 1723, gest. 13. Dezember 1774), deren im Geschmack der römischen Oktavia verfaßte, die Personen und Verhältnisse unter erdichteten Namen getreu schildernde Selbstbiographie in Goethes Hände gekommen war und hier, nur stilistisch zu seinem Eigentum gemacht und am Schlusse zur Einfügung für den Roman verändert, als wesentlicher Teil aufgenommen wurde. Es gewährt wenig Interesse, zu erfahren, daß die darin

erwähnten Thatsachen wahr sind, daß die Vermählung des Erbprinzen in die Kaiserkrönung Karls VII. zu verwandeln, unter Narziß der bekannte Rechtsgelehrte J. D. v. Olenschlager, unter dem gewissen Hause, wo der Skandal zwischen Narziß und dem Hauptmann (Ant. Ulr. Wilh. v. Klettenberg) vorfiel, das Haus J. Wolfg. Textors, Goethes Großvaters von Mutterseite, unter dem Weltmann der Schwede Gustav v. Tessin, unter dem Oheim der bekannte Sammler H. Chr. v. Senkenberg, unter der gewissen Freundin die Frau Griesbach, unter Philo der Präsident Fr. Karl v. Moser, unter dem Oberhofprediger der Senior Ministerii Fresenius, unter dem adligen Apostel ein Herr Fr. v. Bülow, unter dem Bischof Friedr. Wenzel Reißer, unter dem Herrn v. 2. endlich ein Loreh zu verstehen ist. Für die Dichtung interessanter ist es, zu erfahren, daß die Schwester der Stiftsdame im Jahr 1763 vermählt wurde und 1768 starb, also vor dem Tode der Klettenberg etwa elf Jahre verheiratet war und keine erwachsenen Kinder hinterließ. Der einzige Sohn war 1767 geboren, die einzige Tochter, die am Leben blieb, etwas früher. Diese Kinder, geborne v. Trümbach, konnten demnach nicht die sein, die Goethe schildert. Er schuf sie für seine Dichtung und bildete aus ihnen die vornehme Welt, in welche der Roman hinüberleitet. Wichtiger ist es, zu erkennen, was Goethe mit der Einrückung der Denkwürdigkeiten der schönen Seele zu bezwecken willens war. Das erbauliche Element in den sehr weltlichen Roman einführen? So faßten es die frömmeren Leser. Nach Goethes ganzer Sinnes- und Denkungsart konnte er nichts andres wollen, als einen Einfluß, den er einmal auf sich wirksam gefühlt hatte, objektiv festhalten. Diesen Einfluß hatte die Klettenberg allerdings auf den jungen kranken, nach der Heimkehr von der Universität Leipzig in Frankfurt hinsiechenden Goethe geübt; aber schon in Straßburg machte er sich von diesem Einflusse frei. Wie mußten ihm, als er zwanzig Jahre nach dem Tode der Klettenberg diese Bekenntnisse wieder durchsah, dieselben erscheinen! Bei aller Pietät vor dem Andenken der alten Freundin mußten ihm diese gewiß aus der Fülle des reinen Herzens kommenden

Selbstbeschauungen deshalb um nichts weniger wie Selbstgefälligkeiten vor die Seele treten, und als er sie, wie sie waren, aufnahm, konnte er sie in keinem Falle mit innerer Beistimmung einschalten. Die herrnhutische Neigung, die den eigentlichen Gipfelpunkt der Bekenntnisse bildet, wurde schon in der gleichen Neigung der gräflichen Familie in das bezeichnende Licht gerückt, und der Grundgedanke, daß dieses Mädchen, scheinbar als Gegensatz zu Wilhelm, deutlich weiß, was sie will, unablässig vorschreitet, die Mittel zu ihrem Zweck kennt und zu ergreifen und zu brauchen weiß, verkehrt sich bei genauerer Betrachtung in ein Seitenstück zu Wilhelm, da die schöne Seele mit aller ihrer Deutlichkeit, ihrem unablässigen Vorschreiten u. s. w. zwar nicht die Mittel zu ihrem Ziele verfehlt, aber gar nicht bemerkt, daß dies Ziel auch erreichbar blieb, wenn sie ihr wahres Ziel nicht verrückt gehabt hätte. Denn das Ziel eines frommen Mädchens kann nimmermehr richtig sein, wenn es darauf hinauskommt, daß fie eine alte Jungfer wird, wie es die Stiftsdame mit Absicht wird. Sie ist wenigstens in einer falschen Stellung zur Welt und kann darum nicht in der rechten zu Gott sein, wovon sie allerdings innerlich überzeugt ist. Aber diese Gewißheit im Inneren bekennt nur sie; wir sehen keine äußere Bestätigung ihrer Aussagen, und der Dichter selbst glaubt nicht an ihre volle innere Befriedigung; er gibt ihr, was sie sich selbst eigenwillig versagt hat, die süße menschliche Freude an den Kindern, wenn auch nur an den Kindern ihrer Schwester. Er glaubt auch sonst nicht an das Bild, das sie von sich selbst entwirft, da er sie aus ihrer Demut und Beschränktheit in die Region des Reichtums hinaufrückt und mit Perlen und Juwelen ausstattet, von denen die arme Klettenberg nichts besaß. Was aber entscheidender für die Beurteilung dieser Bekenntnisse als Bestandteil des Romans ist, scheint der Umstand zu sein, daß sie, mit Ausnahme einer etwas mildernden Wirkung bei Aurelien, in dem Romane ohne allen Einfluß bleiben, da die Erziehung der Kinder nicht von der Stiftsdame, sondern vom Oheim bestimmt wurde und im übrigen keine Gestalt des Romans Bild und

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