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„Faust" die Rede ist, muß darunter also dies „Fragment" verstanden werden. Die Wirkung, die Faust" in dieser Gestalt auf das große deutsche Publikum hervorbrachte, kam in keiner Weise der Erschütterung gleich, welche ihrer Zeit „Göß“ und besonders Werther" und später Dichtungen wie Schiller's „Räuber" verursacht hatten, und welche unzweifelhaft auch dies so viel größere und ebenso lebendige Werk begleitet haben würde, wenn es warm aus der Werkstatt, 1775 oder 1776, mit derjenigen Abrundung, die ihm Goethe damals mit Leichtigkeit hätte geben können, in die Welt getreten wäre. Diese war inzwischen eine andre geworden, die politischen Vorfälle in Frankreich nahmen allen Sinn gefangen, der Faust" wurde nicht mehr wie ein Messias erwartet, und sein endliches Erscheinen, in so unvollendeter Gestalt, war kein großes Ereigniß mehr. Für die zahl reichen literarischen Kreise, für Goethe's noch zahlreichere Freunde, für die Gelehrtenwelt und das gebildetere Publifum im Allgemeinen blieb es zwar immer ein Ereigniß. Die Wirkung war jedoch mehr eine stille, sich sehr allmählig forterstreckende, aber nachhaltig wachsende, die zuleßt, ebenso begünstigt durch die Tendenzen der neuen Romantischen Schule der Schlegel und Tieck als durch die Schelling'sche Naturphilosophie, an Einfluß auf die Zeitgenossen die aller übrigen Goethe'schen Werke, jedes einzeln genommen, weit überragte. Die großen Perspektiven des Fragments, die innere Vollständigkeit der Dichtung ließen das Werk bald auch äußerlich als kein unvollständiges erscheinen, da „was nicht darin stand, dastehn würde, wenn das Fragment vollendet wäre" (Niebuhr). Die Kritik kam anfangs dem Werke nicht besonders anerkennend entgegen. Man fand die

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Sprache,dunkel, unverständlich und inkorrekt," manche Szenen räthselhaft, andre durchaus unverdaulich, in der Herenküche und in Auerbach's Keller Handlungen und Ausdrücke, „die nur den Pöbel vergnügen können," die Urtheile oft sehr ähnlich denen, die noch heute über den zweiten Theil gefällt werden. *) Selbst Körner, dessen Freund Huber den "Faust" von Anfang an richtiger schäßte, (Brief vom 28. Juni 1790 in den Werken) stieß sich an dem Bänkelsängerton". **) Neben der Huber'schen spätern Recension der acht Bände der Goethe'schen Schriften vom Ende 1792, ***) in welcher Gretchen bald mit einer Madonna, bald mit einer Magdalena verglichen ist, muß besonders des jungen A. W. Schlegel Besprechung vom Jahre 1790†) hervorgehoben werden; hier wird die hinreißende Darstellung, die treueste Wahrheit, der überlegene Geist, der manche Vorsicht vernachlässigen darf und doch sein Ziel nicht verfehlt, die Verbindung des Erhabenen und Burlesken vorurtheilsfreier gewürdigt, allerdings noch nicht in dem hohen Tone, mit dem einige Jahre später Friedrich Schlegel††) in Goethe den Stifter einer neuen Poesie, den Dante unsers Zeitalters, im „Faust" mit das Größte, was die Kraft des Menschen je gedichtet habe," entdeckte. Das größte Intereffe würde ein eindringendes Urtheil Schiller's über den „Faust" aus damaliger Zeit darbieten. Sicherlich gab es auf der Welt Niemand, für den

*) Neue Bibl. der schönen Wissenschaft. Bd. 41. und Allg. Deutsche Bibliothek. Bd. 110, S. 311.

**) Briefw. mit Schiller, II, 193.

***) Jenaische Lit. Zeit. 4. Sp. 281 ff.

†) In den Gött. Gel. Anz. 93 und 134. Werke X, 4.

††) Athenäum III, 2, 180. Werke V, 311.

Goethe's von 1787 bis 1790 unmittelbar nach einander erscheinende große Dramen,,,Iphigenie",,,Egmont", „Taffo" und Faust" wichtiger gewesen wären, als grade Schiller. Nach dem schon angeführten Körner'schen Briefe muß man zwar annehmen, daß der „Faust" Schiller ebenso wie Wieland nicht ganz befriedigt habe. Aber aus den Briefen seiner Frau geht hervor, wie großen Antheil er daran nahm. Später in dem Briefe an Goethe vom 29. November 1794 nennt Schiller das Fragment den „Torso des Herkules", es herrsche in diesen Szenen eine Kraft und eine Fülle des Genius, die den ersten Meister unverkennbar zeige", und (1795) in dem Aufsaße „Ueber naive und sentimentalische Dichtung“ hebt Schiller (in dem Abschnitt „Elegische Dichtung“) den im „Faust" verkörperten Konflikt des Ideals mit der Wirklichkeit hervor, ihn hierin psychologisch mit Werther", „Taffo" und ,,Wilhelm Meister" vergleichend. Auch Herder rühmte mit Bezug auf "Faust", daß Goethe aus dem Reiche der Unformen Formen hervor. zurufen wiffe. *) Klopstock verspottete dagegen in einem Epigramm **) sowol Goethe's "Faust" als die ganze Faustsage.

Kanonische Bedeutung erhielt das Gedicht erst, wie schon erwähnt, mit dem Auftreten der Romantischen Schule, der "Faust" alle Eigenschaften eines im höchsten Sinne romantischen Dramas zu vereinigen schien, ganz ebenso, wie später A. Hoffmann Mozart's „Don Juan“, der gern mit „Faust“ verglichen ***) zu werden pflegt,

*) Briefe zur Beförderung der Humanität, VIII, 141.

**) S. Dünger „Aus Goethe's Freundeskreise“, 1868, S. 41.

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***) Vergl. Grabbe, „Faust und Don Juan", 1829; Hesekiel, Faust und Don Juan" (Roman) 1846; Grenzboten 1849. Nr. 46.

als Vorbild der romantischen Oper hinstellte. Die phi losophische Seite des Gedichts sette es andrerseits mit der Entwicklung der Philosophie zu Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts sowol mit dem transscendentalen Idealismus als mit der Naturphilosophie in näheren Rapport, und Schelling*) war es vornehmlich (auch Hegel 1807 in der Phänomenologie" S. 271 ff.), der auf die Bedeutung des Faust in dieser Beziehung hinwies, ihn ,,einen ewig frischen Quell der Begeisterung" nannte, allein hinreichend, die Wissenschaft zu dieser Zeit zu verjüngen und den Hauch eines neuen Lebens über sie zu verbreiten," und Alle, die in das Heiligthum der Natur eindringen" wollten, aufforderte, sich mit diesen Tönen einer höhern Welt zu nähren und in früher Jugend die Kraft in sich zu saugen, die wie in dichten Lichtstrahlen aus diesem eigenthümlichsten Gedicht der Deutschen ausgehe und das Innerste der Welt bewege."

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Die alte Faustsage, mit dem Aufblühn der neuern deutschen Poesie überhaupt und mit dem früher unbekannten Studium Shakespeare's und des Volksliedes zugleich zu frischem Leben erwacht, hatte nach diesen Zeugnissen durch Goethe eine ungeahnte Bedeutung für unser Kulturleben gewonnen, wogegen alle übrigen zahlreichen Bearbeitungen. derselben Fabel nicht aufzukommen vermochten. Da die Leffing'sche bis auf ein vielverheißendes Bruchstück (von 1759) verloren gegangen ist, so kann neben den schon erwähnten grellen Skizzen des Malers Müller aus jener Zeit

*) 1803 in den Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums G. 258 ff.

nur noch der Klinger'sche Faust*) in Betracht kommen, nicht, weil Klinger der Sturm- und Drang-Periode den Namen gegeben, noch weil er Goethe's Freund und Landsmann war, sondern weil sein in Prosa geschriebener „Faust" zu einer scharfen und bittern Satire auf seine ganze Zeit, deren Geschichte, Politik, Gesellschaft und Literatur, zu einew moralisch-polemischen Roman benußt ist. Hiezu eignet sich der Stoff wie kein zweiter, und in dieser Richtung, nur nicht in dem bittern, menschenfeindlichen, fast Swiftischen Geiste Klinger's, bewegt sich auch der neue, nicht mehr neueste, vierbändige "Faust" von Stolte (1859 bis 1869); poetische Ansprüche bleiben jedoch bei Kiinger unbefriedigt, während Goethe die höchsten erfüllte, aber auch seinerseits nicht unterließ, in das Mysterium satirische Fastnachtsspiele einzufügen. **)

Unberührt von diesen und andern Bearbeitungen, noch weniger von den Faust-Dramen eines Schink (1782), Schreiber (1792), Graf Soden (1797) u. A. m., nahm Goethe in der Blüthezeit seiner Freundschaft mit Schiller, durch dessen Zuruf und tiefes Verständniß ermuthigt, unmittelbar nach der Beendigung von Hermann und Dorothea" die Arbeit an seinem nie aus den Augen verlornen Drama wieder auf. Diese Rückwendung aus der eingeschlagenen „klassischen“ Richtung zu dem Sturm und Drang seiner Jugend, im Juni 1797, bezeichnet die elegische „Zueignung“ (S. 3), in jeder Beziehung das Gegenstück zur Elegie „Hermann und Dorothea," und auch das darauf folgende „Vorspiel

*) „Faust's Leben, Thaten und Höllenfahrt." 1791.

**) Das Vorzüglichste über Klinger und seinen „Faust“ findet sich bei Schloffer im 7. Bande der Geschichte des 18. Jahrhunderts, Seite 94 bis 101.

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