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Glauben nothwendig eine ganz andre Stellung als in dem alten, weil das protestantische Gewiffen den Kampf mit dem Bösen nicht wie das katholische der Kirche überlassen konnte. Er mußte von jedem Einzelnen persönlich aufgenommen, persönlich durchgeführt werden. Wie Luther, so hatte Jeder diesen unheimlichen Hausgeist. Der Verkehr mit ihm geschah auf dem Boden evangelischer Gewissensfreiheit, auf eigne Verantwortung und Gefahr, und die Rettungen, wie in der Theophilussage und in der von Frau Jutta, hier schon aus der Hölle, nicht vor der Hölle, waren mit dem Charakter der protestantischen Faustsage unvereinbar.

Als Goethe einen Stoff von so hervorragender nationaler und geistiger Bedeutung ergriff, um ihm eine poetische Gestalt zu geben, leitete ihn ein mehr oder weniger bestimmtes Gefühl der Verwandtschaft seiner Zeit mit dem Zeitalter der Reformation. Aus diesem hatte er seine GößTragödie geschöpft; dem Ritter, der seine Freiheit in der Selbsthilfe suchte, stellte er den Faust als Vertreter der Selbsthilfe und Selbstbefreiung auf geistigem, nicht blos auf religiösem Gebiete gegenüber. Der Göß konnte in seiner historischen Gestalt beibehalten werden; bei Faust sind die thatsächlichen Vorgänge zwar auch zeitlich in dieselbe Periode, räumlich ebenso nach Deutschland gelegt, obgleich nur Leipzig einmal als Ort der Handlung genannt ist, aber das ganze Drama ist in die Sphäre des Ueberfinnlichen gerückt, in welcher allein für das moderne Bewußtsein die Gestalt des Mephistopheles eine Existenz haben konnte, und mit innerer Nothwendigkeit ist die ganze Wirklichkeit des Stücks in symbolische Mythen, wie solche eben der Sage zu Grunde liegen, aufgelöst. Der nicht eigentlich mythische

- wenn man unter Mythen Götter mythen versteht, aber sagenhafte und legendarische Vorgang bestimmte ebenso die dichterische Behandlung wie die dramatische Form.

Die symbolische Behandlung machte also der Stoff nothwendig, der sich zu einer halb religiösen, halb weltlichen Legende ausgebildet hatte. Der Goethe'sche Faust, der sich, als ein zweiter Paracelsus, von der Scholastik des Mittelalters zur Natur wendet, die jener für ein Werk des Teufels galt, und der sich den verdammlichen aftrologischen, alchymistischen und theurgischen Studien ergiebt, die Rechte der Kreatur dem Dogma entgegenstellt und aus seiner Doktor-Zelle in das Leben, vom Studium zu Thaten, in die Welt vordringt, der zu entsagen die christliche Ascetik zum Heil der Seele verlangte, dieser Faust versucht, das Problem der Seelen-Errettung und -Erlösung unabhängig von religiösen Vorausseßungen in rein menschlicher Weise zu lösen. Die objektiven Mächte der Religion, der Sitte, des Staats sind hier, wie in einer ursprünglichen Welt, dichterisch zurückverlegt in das menschliche Innere, aufgelöst in den lebendigen Inhalt der freien Individualität selber. Sowol wegen

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des Grundthemas, ob die menschliche Selbstbefreiung im Einklange mit den ewigen göttlichen und ethischen Gefeßen und damit die Totalität unsrer Natur überhaupt erreichbar ist, als besonders wegen der überfinnlichen Kräfte, welche nicht wie in einigen Shakespeare'schen Stücken vorübergehend in die Wirklichkeit hineingreifen, sondern deren Spiel, wie in Calderon's Autos sacramentales, das Drama selbst ausmacht, ist Goethe's Faust mit Recht ein Mysterium zu nennen. Der Prolog im Himmel zu Anfang und Faust's Himmelfahrt am Schluffe rahmen als zwei

besondre Mirakelspiele die ganze Tragödie ein und bestim men ihren Charakter.*)

Da es Goethe unternahm, die Faust-Legende, also einen ausgebildeten biographischen Stoff, zu dramatisiren, so sah er sich auf jene ältere volksthümliche Darstellungsform angewiesen, in welcher die christliche Passion, die Legenden der Heiligen und das Leben der Märtyrer in Szene gesetzt zu werden pflegten. Das Drama des Mittelalters, welches folche Stoffe behandelte, stellt nicht einzelne Handlungen, sondern in epischer Weise einen Verlauf von Handlun gen in einem Entwicklungsgange dar, z. B. das Leben Christi von seiner Geburt bis an seinen Tod, und ebenso war der Teufel unserm ältern Drama als komischtragische Person durchaus nothwendig.**) Auch die Hans Sachs'sche Tragödie, an die Goethe unmittelbar anknüpfte, ist in diesem epischen Stil verfaßt. Wollte Goethe die Faust-Legende nicht in einem Cyklus einzelner Dramen, deren jedes eine besondre Handlung enthielte, zerstückeln, so blieb ihm nur die gewählte Form übrig. Die Wiederbelebung der Faustsage des sechzehnten Jahrhunderts ging so Hand in Hand mit der Wiederbelebung des Hans Sachs'schen Tons und der dramatischen Form, welche dasselbe Jahrhundert beherrscht hatte. Diese Form hat Goethe im Faust, so sehr er sie veredelt und mit den Vorzügen des Kunstdramas im Einzelnen wieder ausgestattet hat,

*) Der englische Uebersezer des Faust, Anster, nennt die Tragödie gleichfalls „Faustus, a Dramatic Mystery" (Frankfurt a. M. 1841).

**) Mone, altdeutsche Schauspiele, 1841, S. 15; Keller, Fastnachtsspiele, IV. 342; Mone, Schauspiele des Mittelalters, II. 29; Goedeke, Grundriß, I. 339, 286, 300. Lewes, II. 260 nennt Faust richtig „ein Schauspiel im großen Stil der alten Sage."

Goethe's Werke, 12.

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doch vollständig erfüllt. Die biblischen und allegorischen Beziehungen, die Polemik und Satire auf Zeitereignisse und Zeitgenossen, das Holzschnittartige der Figuren im altdeutschen Stile, der Mangel an Gliederung in Aufzügen und Auftritten, wie solchen die in Ober- Ammergau seit 1634 noch erhaltene Mysterienbühne, nicht das moderne Theater gestattet, ebenso der an eigentlich dramatischer Verwicklung und strenger Verknüpfung der Szenen, die Unbefangenheit und Unschuld, mit der Profanes und Heiliges sich berühren, die von dem Hans Sachs'schen Grundmaaße ausgehende freie Versbehandlung,*) das Zwischenspiel (Intermezzo), welches dem alten Drama eigenthümlich ist, die Licenzen des Fastnachtsspiels Alles dies ist Ausfluß derselben Kunstbehandlung, welche neben der Idealisirung und Symbolisirung des Stoffes die reichste Partikularisirung desselben und die konkreteste Besonderheit zuläßt. Insofern aber im Faust Alles auf den Individuen beruht und deren Handlungen und Zwecke in unmittelbarer Vergegenwärtigung dargestellt werden, ist die Tragödie reines Drama und nicht etwa eine Zwischengattung zwischen Drama und Epos. Aus den Disputationen des Faustbuchs, welche von protestantisch - polemischen Teudeuzen erfüllt sind, hat sich das Ganze wie aus einem Keime entwickelt. Auch diese Form hatte Hans Sachs nach antiken. Vorlagen, namentlich nach Lucian, ausgebildet. Der Dialog trägt das Stück von Anfang bis zu Ende in beiden Theilen, und alle andern mannichfaltigeren Szenen sind von ihm begleitet oder durchflochten. Ein Geist, der nur vorübergehend menschliche Maske trägt, und ein Zauberer, der im Geisterreiche wie auf der Erde verkehrt, führen diesen Dialog. Aber *) Koberstein, Grundriß, II. S. 1155.

alles Ueberirdische und Unirdische alterirt nicht die mensch liche Persönlichkeit, die Willensfreiheit und Zurechnungsfähigkeit der handelnden Figuren, und so typisch sie sein mögen, wir sind immer klar darüber, daß Individuen, nicht Allegorien vor uns stehn. Dem Stücke liegt keine Mythe, keine Göttersage, auch kein Märchen, in welchem die Willensfreiheit der Personen aufgehoben sein kann, sondern eine Legende, eine menschliche Sage, ein menschlicher Hergang zu Grunde.

Der rein nationale Inhalt dieser Sage und die Behandlung, wie dieselbe in Verknüpfung mit den ältesten Vorstellungen unsrer germanischen Vorzeit zum Ausdruck von Empfindungen der mit der Reformation und dem Wiederaufleben des Alterthums anhebenden Neuzeit benutzt ist, wie die einfachsten menschlichen Vorgänge ganz real, oft nach der Art niederländischer Genremaler und doch im Dienste der höchsten Ideen dargestellt und die Doppelseiten unsrer Natur, Göttliches und Menschliches, in Konflikt gebracht sind, so daß Faust's Schicksal als das der menschlichen Seele überhaupt, furcht und mitleidsvoll, von uns empfunden wird, — Inhalt und Form haben die Tragödie zum ersten deutschen Dichterwerk der neuern Zeit erhoben. In den Augen der bezüglichen. fremden Nationen selbst reiht sie sich an Dante's Göttliche Komödie"*) und an Milton's Verlornes Paradies",**)

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*) Der Italiener G. Casella stellt beide Dichtungen neben einander. Nur ist Goethe nicht, wie Dante, das poetische Individuum selber, welches durch Hölle und Fegefeuer wandelt. - Gruppe (Gesch., IV. 505) will die Vergleichung mit der „Göttlichen Komödie“ dagegen nicht zulassen, weil Faust zu sehr Ausnahme sei, um als Repräsentant der Menschheit gelten zu können. Doch bedingte die dramatische Form die Specialisirung Faust's.

**) Vrhant (in New-York, 1856): „Faust ist das Meisterstück der deutschen C*

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